Dekoration

[599] Dekoration (lat.), im allgemeinen jede Ausschmückung oder Verzierung irgend eines Gegenstandes, die ihm ein gefälligeres Aussehen zu geben bezweckt. Die D. von Gebäuden muß mit dem Charakter des Gebäudes im Einklang stehen und den Eindruck des Ganzen heben. Soll ein Gebäude nur wenig Verzierungen erhalten, so sind sie auf einen Hauptteil, z. B. das Portal u. dgl., zu konzentrieren, statt sie über die ganze Fläche des Gebäudes zu verteilen, wo sie ihre Wirkung verfehlen würden. Ebenso darf man bei reicher Verzierung die dekorativen Elemente nicht zu gleichmäßig über die ganze Außenseite des Gebäudes verteilen, sondern muß dem Auge des Beschauers hier und da eine unverzierte Fläche als Ruhepunkt darbieten und nur die für die Bestimmung des Gebäudes besonders wichtigen Stellen auf diese Weise auszeichnen. Die Mittel zur D. der Gebäude sind teils körperliche, teils chromatische. Die körperlichen sind: rein architektonische, wie Simse, Konsolen, Verdachungen, Lisenen, Strebepfeiler etc., die sich als Darstellungen notwendiger Teile aus der Konstruktion des Gebäudes ergeben; ornamentale, wie Laub- und Blumenwerk, Ranken, Akroterien etc., und rein plastische, d. h. Tier- und Menschengestalten, Karyatiden, Reliefs mit Figuren etc. Die chromatische oder farbige D. eines Gebäudes wird durch farbige oder Sgraffitomalereien, durch Glasmosaik, durch farbige Marmoreinlagen, durch Bronzen u. dgl. bewerkstelligt. Vgl. dazu die Tafeln »Ornamente I-IV«, die zahlreiche Beispiele farbiger D. aus allen Stilperioden enthalten. Die D. muß dem Baustil des Gebäudes entsprechen und sich der Örtlichkeit anpassen, für die sie bestimmt ist, im Äußern kräftiger, im Innern des Gebäudes seiner und hier wieder an den Decken leichter als an den Wänden gehalten werden; endlich muß sie sich dem Charakter des Bauwerks anbequemen und ihn symbolisch zum Ausdruck bringen. Die D. der innern Räume der Gebäude ist nach gleichen Grundsätzen durchzuführen, indem Malerei, Plastik und die gewerblichen Künste zusammen arbeiten. Im weitesten Sinn erstreckt sich die D. von Innenräumen auf die Ausstattung mit Vertäfelungen, Teppichen, Portieren, Stoffen, Gemälden, Möbeln, Geräten, Pflanzen, Nippsachen u. dgl. Vgl. Ewald, Farbige Dekorationen (Berl. 1889–96, 2 Bde.); Eyth und Sales Meyer, Das Malerbuch (3. Aufl., Leipz. 1899, 2 Bde.); Eyth, Das farbige Malerbuch (das. 1899); E. Wasmuth, Neue Malereien (Berl. 1889–97; neue Folgen, das. 1898ff.); G. Weber, Katechismus des Dekorationsmalers (Brem. 1890); Eber, Die Dekorationsformen des 19. Jahrhunderts (Leipz. 1900). S. auch Zimmerausstattung, Festdekoration und Trauerdekoration. – Im engern Sinn ist D. die Theatermalerei oder vielmehr die Gesamtheit der materiellen, auf die Vergegenwärtigung des Ortlichen abzielenden Hilfsmittel der Bühne, soweit sie der Malerei unterliegen. Hierzu gehören die Kulissen, der Hintergrund, d. h. die D., durch die am Ende der Bühne die Aussicht geschlossen wird, die Vor- und Ansätze, die Soffiten, die die Decke bilden, und, bei geschlossenen Zimmern, die in der modernen Theaterdekoration zur Regel geworden sind, die Seitenwände und die Decke. Der Dekorationsmaler muß, um die örtliche Täuschung hervorzubringen, vorzüglich die Linear- und Luftperspektive verstehen und die Wirkung des Lichtes, namentlich des Lampenlichtes, sowie die Größe der darzustellenden Gegenstände, Häuser, Bäume etc., richtig berechnen können. Ein glänzendes Kolorit, zweckmäßige Anwendung des Halbdunkels, der Schatten- und Lichtmassen sind bei dieser Malerei um so notwendiger, als ihre eigentliche Aufgabe darin besteht, frappante Täuschung und momentanes Wohlgefallen hervorzubringen. Die Mittel des Dekorationsmalers, der übrigens mehr andeuten als ausführen soll, sind Wasserfarben, weil sie schnellere Arbeit gestatten und nicht blenden. Schon die Alten kannten die D. der Bühne. Als der älteste Dekorationsmaler wird Aristarchos genannt, der auf Veranlassung des Äschylos zuerst die Regeln der Perspektive auf die Schaubühne in Alhen angewendet haben soll. Die tragische Bühne zeigte bei den Alten Säulen, Statuen, Paläste und andre der Würde hoher Personen angemessene Verzierungen; die komische Privathäuser, Dächer, Fenster und andre dem gewöhnlichen Leben angehörige Gegenstände; die des Satyrspiels Bäume, Höhlen, Grotten, [599] Berge. Die Veränderung der D., wie sie jetzt gebräuchlich ist, war den Alten unbekannt; sie blieb durch die ganze Dauer des Stückes dieselbe. Die neuere Art von Dekorationen entstand um 1530 in Italien, wo Serlio die ersten einführte. Auf der englischen Bühne wurde noch zu Shakespeares Zeit das meiste nur angedeutet. Prachtvolle Dekorationen eignen sich mehr für die Oper als für das rezitierende Schau- und Lustspiel. In neuester Zeit ist jedoch auch bei Inszenierung klassischer Schauspiele ein großer Wert auf die Pracht, die Naturwahrheit und die historische Richtigkeit der Dekorationen gelegt worden. Das Höchste an Dekorationen wurde eine Zeitlang in der Feerie oder dem Ausstattungsstück geleistet (Wandeldekorationen). Ausgezeichnete Dekorationsmaler der neuern Zeit sind de Pian, Schinkel, Gropius, Neefe, Quaglio, I. Hoffmann, Brückner, Brioschi, Lechner, Lütkemeyer u. a.-D. heißt auch Auszeichnung durch Orden, Medaillen etc.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 599-600.
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