Fleischbeschau

[679] Fleischbeschau, die amtliche Besichtigung des Fleisches in sanitärer und marktpolizeilicher Hinsicht. Seit dem Mittelalter war die Kontrolle der Fleischverkaufsstellen in den Städten allgemein üblich. Das Verfahren hat sich in Süddeutschland (Bayern, Württemberg, Baden, Hessen) erhalten, während die norddeutschen Städte gegen Ende des 18. Jahrh. zum großen Teil davon Abstand nahmen. Durch das Gesetz vom 3. Juni 1900 wurde die Schlachtvieh- und Fleischbeschau für das ganze Deutsche Reich geregelt. Nach diesem Gesetz unterliegen Rindvieh, Schweine, Schafe, Ziegen, Pferde und Hunde, deren Fleisch zum Genuß für Menschen verwendet werden soll, vor und nach der Schlachtung einer amtlichen Untersuchung. Der Bundesrat kann die Untersuchungspflicht auf andres Schlachtvieh ausdehnen. Bei Notschlachtungen (s.d.) darf die Untersuchung vor der Schlachtung unterbleiben. Bei Schlachttieren, deren Fleisch ausschließlich im eignen Haushalt des Besitzers verwendet werden soll, darf, sofern sie keine Merkmale einer die Genußtauglichkeit des Fleisches ausschließenden Erkrankung zeigen, die Untersuchung vor der Schlachtung und, sofern sich solche Merkmale auch bei der Schlachtung nicht ergeben, auch die Untersuchung nach der Schlachtung unterbleiben. Gewerbsmäßige Verwendung solchen nicht untersuchten Fleisches ist verboten. Die Landesregierungen sind befugt, für Gegenden und Zeiten, in denen eine übertragbare Tierkrankheit herrscht, die Untersuchung aller der Seuche ausgesetzten Schlachttiere anzuordnen. Fleisch im Sinne dieses Gesetzes sind Teile von warmblütigen Tieren, frisch oder zubereitet, sofern sie sich zum Genuß für Menschen eignen. Als Teile gelten auch die aus warmblütigen Tieren hergestellten Fette und Würste, andre Erzeugnisse nur insoweit, als der Bundesrat dies anordnet. Zur Vornahme der Untersuchungen sind durch die Landesbehörden Beschaubezirke zu bilden und für jeden derselben mindestens ein Beschauer (approbierte Tierärzte oder andre Personen, die genügende Kenntnisse nachgewiesen haben) und ein Stellvertreter zu bestellen. Ergibt sich bei den Untersuchungen das Vorhandensein oder der Verdacht einer Krankheit, für welche die Anzeigepflicht besteht, so ist nach Maßgabe der hierüber geltenden Vorschriften zu verfahren. Ergibt die Untersuchung des lebenden [679] Tieres keinen Grund zur Beanstandung der Schlachtung, so hat der Beschauer sie unter Anordnung der etwa zu beobachtenden besondern Vorsichtsmaßregeln zu genehmigen. Die Schlachtung darf nicht vor Erteilung der Genehmigung und nur unter Einhaltung der angeordneten besondern Vorsichtsmaßregeln stattfinden. Erfolgt die Schlachtung nicht spätestens zwei Tage nach Erteilung der Genehmigung, so ist sie nur nach erneuter Untersuchung und Genehmigung zulässig.

Ergibt die Untersuchung nach der Schlachtung, daß kein Grund zur Beanstandung des Fleisches vorliegt, so hat der Beschauer es als tauglich zum Genuß für Menschen zu erklären. Andernfalls hat der Beschauer es vorläufig zu beschlagnahmen und den Besitzer und die Polizeibehörde zu benachrichtigen. Die Verwendung des als Nahrungs- und Genußmittel für Menschen beanstandeten Fleisches zu andern Zwecken kann von der Polizeibehörde zugelassen werden, soweit gesundheitliche Bedenken nicht entgegenstehen. Die Polizei bestimmt, welche Sicherungsmaßregeln gegen eine Verwendung des Fleisches zum Genuß für Menschen zu treffen sind. Ist eine Verwendung des Fleisches zu andern Zwecken nicht zulässig, so hat es die Polizei in unschädlicher Weise zu beseitigen. Ist das Fleisch zum Genuß für Menschen nur bedingt tauglich, so hat der Beschauer es vorläufig zu beschlagnahmen, die Polizei bestimmt dann, unter welchen Sicherungsmaßregeln das Fleisch zum Genuß für Menschen brauchbar gemacht werden kann. Vor Ausführung dieser Sicherungsmaßregeln darf solches Fleisch als Nahrungs- und Genußmittel für Menschen nicht in Verkehr gebracht werden. Der Vertrieb des brauchbar gemachten Fleisches darf nur unter einer diese Beschaffenheit erkennbar machenden Bezeichnung erfolgen. Fleischhändlern, Gastwirten etc. ist der Vertrieb und die Verwendung solchen Fleisches nur mit Genehmigung der Polizei gestattet. In den Geschäftsräumen dieser Personen muß auffallend erkennbar gemacht werden, daß zum Genuß brauchbar gemachtes Fleisch zum Vertrieb und zur Verwendung kommt. Fleischhändler dürfen das Fleisch nicht in Räumen feilhalten oder verkaufen, in denen taugliches Fleisch feilgehalten oder verkauft wird.

Die Einfuhr von Fleisch in luchtdicht verschlossenen Büchsen oder ähnlichen Gefäßen, von Würsten oder sonstigen Gemengen aus zerkleinertem Fleisch in das Zollinland ist verboten. Im übrigen galten für die Einfuhr von Fleisch bis 31. Dez. 1903 folgende Bedingungen. Frisches Fleisch darf nur in ganzen Tierkörpern, die bei Rindvieh (ausschließlich der Kälber) und bei Schweinen in Hälften zerlegt sein können, eingeführt werden. Mit den Tierkörpern müssen Brust- und Bauchfell, Lunge, Herz, Nieren, bei Kühen auch das Euter in natürlichem Zusammenhange verbunden sein. Zubereitetes Fleisch darf nur eingeführt werden, wenn nach der Art seiner Gewinnung und Zubereitung Gefahren für die menschliche Gesundheit erfahrungsgemäß ausgeschlossen sind oder die Unschädlichkeit in zuverlässiger Weise bei der Einfuhr sich feststellen läßt. Diese Feststellung gilt als unausführbar, besonders bei Sendungen von Pökelfleisch, sofern das Gewicht einzelner Stücke weniger als 4 kg beträgt; auf Schinken, Speck und Därme findet diese Vorschrift keine Anwendung. Fleisch, das zwar einer Behandlung zum Zwecke seiner Haltbarmachung unterzogen worden ist, aber die Eigenschaften frischen Fleisches im wesentlichen behalten hat oder durch entsprechende Behandlung wiedergewinnen kann, ist als zubereitetes Fleisch nicht anzusehen. Für die Zeit nach dem 31. Dez. 1903 sind die Bedingungen für die Einfuhr von Fleisch gesetzlich von neuem zu regeln. Geschieht dies nicht, so bleiben obige Einfuhrbedingungen bis auf weiteres maßgebend. Das in das Zollinland eingehende Fleisch unterliegt bei der Einfuhr einer amtlichen Untersuchung unter Mitwirkung der Zollbehörden. Ausgenommen ist das nachweislich im Inland bereits vorschriftsmäßig untersuchte und das zur unmittelbaren Durchfuhr bestimmte Fleisch. Die Einfuhr darf nur über bestimmte Zollämter erfolgen, die der Bundesrat bezeichnet. Auf Wildbret und Federvieh, ferner auf das zum Reiseverbrauch mitgeführte Fleisch finden diese Bestimmungen nur insoweit Anwendung, als der Bundesrat es anordnet. Für das im kleinen Grenzverkehr sowie im Meß- und Marktverkehr des Grenzbezirkes eingehende Fleisch können durch Anordnungen der Landesregierungen Ausnahmen von obigen Bestimmungen zugelassen werden. Der Bundesrat kann weitergehende Einfuhrverbote und Einfuhrbeschränkungen beschließen. Die obigen Bestimmungen über Beanstandungen des untersuchten heimischen Fleisches gelten auch für das in das Zollinland eingeführte Fleisch. An Stelle der unschädlichen Beseitigung des Fleisches oder an Stelle der polizeilicherseits anzuordnenden Sicherheitsmaßregeln kann jedoch, soweit gesundheitliche Bedenken nicht entgegenstehen, die Wiederausfuhr des Fleisches unter entsprechenden Vorsichtsmaßregeln zugelassen werden. Fleisch, das zwar nicht für den menschlichen Genuß bestimmt, aber dazu verwendet werden kann, darf zur Einfuhr ohne Untersuchung zugelassen werden, nachdem es zum Genuß für Menschen unbrauchbar gemacht ist.

Bei Pferden muß die Untersuchung durch approbierte Tierärzte vorgenommen werden. Beim Vertrieb und bei der Einfuhr von Pferdefleisch ist dies durch eine Bezeichnung in deutscher Sprache als solches erkennbar zu machen. Fleischhändlern, Gastwirten etc. ist der Vertrieb und die Verwendung von Pferdefleisch nur mit Genehmigung der Polizeibehörde gestattet. In den Geschäftsräumen dieser Personen muß auffallend erkennbar gemacht werden, daß Pferdefleisch zum Vertrieb und zur Verwendung gelangt. Fleischhändler dürfen Pferdefleisch nicht in Räumen feilhalten oder verkaufen, in denen Fleisch von andern Tieren feilgehalten oder verkauft wird. Der Bundesrat kann anordnen, daß diese Vorschriften auf Esel, Maulesel, Hunde und sonstige Tiere entsprechende Anwendung finden.

Der Beschauer hat das Ergebnis seiner Untersuchung an dem Fleich kenntlich zu machen. Das aus dem Ausland eingeführte Fleisch ist außerdem als solches kenntlich zu machen. Fleisch, das innerhalb des Reiches amtlich untersucht worden ist, darf einer abermaligen amtlichen Untersuchung nur unterworfen werden, um festzustellen, ob das Fleisch inzwischen verdorben ist oder sonst eine gesundheitsschädliche Veränderung erlitten hat. Landesrechtliche Vorschriften, nach denen für Gemeinden mit öffentlichen Schlachthäusern der Vertrieb frischen Fleisches Beschränkungen, insbes. dem Beschauzwang innerhalb der Gemeinde unterworfen werden kann, bleiben mit der Maßgabe unberührt, daß ihre Anwendbarkeit nicht von der Herkunft des Fleisches abhängig gemacht werden darf. Bei der gewerbsmäßigen Zubereitung von Fleisch dürfen Stoffe oder Arten des Verfahrens, die der Ware eine gesundheitsschädliche Beschaffenheit zu verleihen vermögen, nicht angewendet werden. Es ist verboten, derartig zubereitetes Fleisch aus dem Ausland einzuführen und in Verkehr zu bringen. Der Bundesrat bestimmt die Stoffe und die Arten des Verfahrens, auf die diese Vorschriften Anwendung finden, er ordnet an, inwieweit[680] die Vorschriften auf bestimmte Stoffe und Arten des Verfahrens Anwendung finden, die eine gesundheitsschädliche oder minderwertige Beschaffenheit der Ware zu verdecken geeignet sind. Wem die Kosten der amtlichen Untersuchung zur Last fallen, regelt sich nach Landesrecht. Landesrechtliche Vorschriften über die Trichinenschau und über den Vertrieb und die Verwendung von Fleisch, das zwar zum Genuß für Menschen tauglich, jedoch in seinem Nahrungs- und Genußwert erheblich herabgesetzt ist, ferner landesrechtliche Vorschriften, die mit Bezug auf die der Untersuchung zu unterwerfenden Tiere, die Ausführung der Untersuchung durch approbierte Tierärzte und den Vertrieb beanstandeten Fleisches oder des Fleisches von Pferden, Eseln etc. weitergehende Verpflichtungen als dieses Gesetz begründen, sind mit der Maßgabe zulässig, daß ihre Anwendbarkeit nicht von der Herkunft des Schlachtviehs oder des Fleisches abhängig gemacht werden darf. Die Vorschriften des Gesetzes, betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln etc., vom 14. Mai 1879 bleiben unberührt. Diejenigen Vorschriften dieses Gesetzes, die sich auf die Herstellung der zu Durchführung der Schlachtvieh- und F. erforderlichen Einrichtungen beziehen, treten mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. Im übrigen wird der Zeitpunkt, mit dem das Gesetz ganz oder teilweise in Kraft tritt, durch kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats bestimmt. – Der Paragraph (12, Abs. 1), der von der Einfuhr von Büchsenfleisch, Würsten etc. in das Zollinland handelt, ist 1. Okt. 1900, § 21, der gewisse Konservierungsmittel verbietet, mit den Vorschriften des § 26, Nr. 1, des § 27, Nr. 1, und der § 28 u. 29, soweit sie die Zuwiderhandlungen gegen § 21, Abs. 1,2, oder ein auf Grund von § 21, Abs. 3, eingegangenes Verbot betreffen, ist 1. Okt. 1902, das Gesetz in seinem Gesamtumfange 1. April 1903 in Kraft getreten. Von einer Neuregelung der Bedingungen für Fleischeinfuhr für die Zeit nach 31. Dez. 1903 hat der Bundesrat 28. Nov. 1903 bis auf weiteres Abstand genommen. Vgl. Ostertag, Handbuch der F. (4. Aufl., Stuttg. 1902); Derselbe, Leitfaden für Fleischbeschauer (5. Aufl., Berl. 1903); Fischöder, Leitfaden der praktischen F. (5. Aufl., das. 1903); v. Rohrscheidt, Das Fleischbeschaugesetz vom 3. Juni 1900 (2. Aufl., Leipz. 1902); Schröter, Das Fleischbeschaugesetz (2. Aufl., Berl. 1904), weitere Ausgaben des Gesetzes von Brettreich, Buchka, Hippel u. a.; G. Schmidt, Die Fleischbeschauzollordnung und die gesetzlichen Bestimmungen über die Auslandsfleischbeschau (das. 1903); Johne, Der Laienfleischbeschauer (3. Aufl., das. 1903); Schlampp, Die Fleischbeschaugesetzgebung in den sämtlichen Bundesstaaten des Deutschen Reiches (Stuttg. 1892); Schmidt-Mülheim, Der Verkehr mit Fleisch und Fleischwaren und das Nahrungsmittelgesetz (2. Aufl. von Goltz, Wiesb. 1895); Edelmann, Lehrbuch der Fleischhygiene (Jena 1903); »Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene« (hrsg. von Ostertag, Berl., seit 1890); »Deutsche Fleischbeschauer-Zeitung« (hrsg. von Ostertag, Edelmann und Glage, das. 1903ff.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 679-681.
Lizenz:
Faksimiles:
679 | 680 | 681
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Hannibal

Hannibal

Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon