[393] Gauß, Karl Friedrich, Mathematiker, geb. 30. April 1777 in Braunschweig, gest. 23. Febr. 1855 in Göttingen, Sohn eines Tagelöhners, zeigte schon früh ungewöhnliche Anlagen, die zu entwickeln ihm besonders die Freigebigkeit des Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand ermöglichte. Er besuchte von 1792 ab das Collegium Carolinum in Braunschweig und von 179598 die Universität Göttingen, wo er bereits als Student seine Theorie der Kreisteilung fand, durch die er unter anderm zur Konstruktion des regelmäßigen Siebzehnecks gelangte und so zum erstenmal seit 2000 Jahren zu der schon den alten Griechen bekannten Konstruktion des regelmäßigen Fünfecks etwas neues hinzufügte. Er promovierte 1799 in Helmstedt mit einer Arbeit, die den ersten Beweis für den Fundamentalsatz der Algebra enthält (den Satz, daß jede algebraische Gleichung eine Wurzel hat), und veröffentlichte 1801 seine »Disquisitiones arithmeticae« (Leipz.; deutsch als »Untersuchungen über höhere Arithmetik«, hrsg. von Maser, 2. Aufl., Berl. 1889), in denen auch seine Kreisteilung enthalten ist; sie bilden das grundlegende Werk der modernen Zahlentheorie. Als die Astronomen die am 1. Jan. 1801 von Piazzi zu Palermo entdeckte Ceres, die erste der Asteroiden, nicht wiederfinden konnten, entwickelte G. neue Methoden zur Berechnung der Planetenbahnen, und auf Grund seiner Rechnungen fanden Zach und Olbers die Ceres wieder. 1807 ging G. als Direktor der neu zu erbauenden Sternwarte und Professor der reinen Mathematik nach Göttingen. Hier bearbeitete er die »Theoria motus corporum coelestium« (Hamb. 1809; 2. Aufl., hrsg. von Schering, Gotha 1871; deutsch von Haase, Hannov. 1865) und gab darin der theoretischen Astronomie eine neue Grundlage. Von 1320 an leitete er die Gradmessung im Königreich Hannover im Anschluß an die dänische, erfand dabei den Heliographen und vervollkommte die Methoden der Geodäsie, zugleich wurde er dadurch zu seinen Untersuchungen über die Theorie der Flächen veranlaßt. Seine »Disquisitiones generales circa superficies curvas« sind auf diesem Gebiete grundlegend. In der Abhandlung »Theoria combinationis observationum erroribus minimis obnoxiae« (Götting. 1823; deutsch als »Abhandlung zur Methode der kleinsten Quadrate«, hrsg. von Börsch u. Simon, Berl. 1887) entwickelte er seine berühmte Methode der kleinsten Quadrate. Als Weber nach Göttingen kam, wandte sich G. im Verein mit diesem dem Studium des Erdmagnetismus zu; er erfand das Magnetometer und begann mit Weber jene großen Untersuchungen, die nach zehn Jahren mit glänzendem Erfolg abschlossen. Mit Weber machte er 1833 die erste Anlage eines elektromagnetischen Telegraphen zwischen dem magnetischen Observatorium und der Sternwarte. Er veröffentlichte mit Weber die »Resultate aus den Beobachtungen des Magnetischen Vereins« (Götting. 183738, 6 Bde., Leipz. 183843) und den »Atlas des Erdmagnetismus« (das. 1840). Außerdem schrieb er unter andern: »Allgemeine Lehrsätze in Beziehung auf die im verkehrten Verhältnis des Ouadrats der Entfernung wirkenden Anziehungs- und Abstoßungskräfte« (das. 1839); »Dioptrische Untersuchungen« (in den »Göttinger Abhandlungen«, 1843). Aber viele seiner Entdeckungen behielt er für sich, weil er sie nur in ganz vollendeter Form herausgeben wollte; so kam es, daß ihm z. B. Abel und Jacobi mit der Veröffentlichung der Theorie der elliptischen Funktionen, Lobatscheffkij und J. Bolyai mit der der nichteuklidischen Geometrie zuvorkamen, was alles G. schon[393] viele Jahre früher gehabt hatte. Seine gesammelten Werke hat Schering im Auftrage der Göttinger Akademie herausgegeben (Bd. 16, Götting. 186374), jedoch ohne den Inhalt des Nachlasses zu erschöpfen; es sollen daher noch mehrere Bände erscheinen (Bd. 8 und 9, Leipz. 1900, 1903). Mehrere seiner Abhandlungen sind in Ostwalds »Klassiker der exakten Wissenschaften« aufgenommen (Leipz., Nr. 2,5,14,19,53,55,122). Eine willkommene Einsicht in seine wissenschaftliche Denkweise gibt sein Briefwechsel mit Schumacher (hrsg. von Peters, Altona 186065, 6 Bde.), mit A. v. Humboldt (hrsg. von Bruhns, Leipz. 1877), mit Bessel (hrsg. von Auwers, das. 1880) und mit seinem Göttinger Studienfreunde, dem Ungarn Wolfgang Bolyai (s.d.), dem Vater jenes I. Bolyai (hrsg. von F. Schmidt u. Stäckel, das. 1899). Sein Bildnis s. Tafel »Naturforscher II«. Ein Denkmal für G. ist 1880 in Braunschweig, eines für G. und W. Weber 1899 in Göttingen enthüllt worden. Vgl. Sartorius von Waltershausen, G. zum Gedächtnis (Leipz. 1856); Hänselmann, Karl Friedr. G. Zwölf Kapitel aus seinem Leben (das. 1878); Schering, Festrede (in den »Göttinger Abhandlungen«, 1877).
Meyers-1905: Gauß-Expedition · Gauß · Fuchs mit der Gaus