[256] Gray (Grey, spr. grē), 1) Johanna (Jane), Königin von England, geb. 1537. gest. 12. Febr. 1554, war die Enkelin der Herzogin Maria von Suffolk, Schwester König Heinrichs VIII. von England. Eduard VI., Sohn und Nachfolger Heinrichs VIII., hatte gegen die von seinem Vater getroffenen Anordnungen während seiner letzten Krankheit seine beiden Schwestern Maria und Elisabeth als illegitim von der Thronfolge ausgeschlossen und Johanna G. als entschiedene Anhängerin des Protestantismus zu seiner Nachfolgerin ernannt. Der Anstifter dieser Maßregel war John Dudley, Herzog von Northumberland, der seinen jüngsten Sohn, Lord Guilford Dudley, mit Johanna vermählt hatte. Nach Eduards VI. Tod 6. Juli 1553 kündigte Northumberland seiner Schwiegertochter ihre Thronbesteigung an. Nur mit Widerstreben ließ sich diese, die der Politik bisher fern gestanden und sich mit literarischen Studien beschäftigt hatte,[256] zur Annahme der Krone bewegen; sie wurde 10. Juli 1553 in London als Königin ausgerufen. Das Volk, welches das Gesetzwidrige dieses Verfahrens einsah, verhielt sich schweigend; aber die Prinzessin Maria, die älteste Tochter Heinrichs VIII., richtete 11. Juli ihr königliches Banner auf, stand bald an der Spitze von 30,000 Mann und zog, da die Hauptstadt, der Geheime Rat, die Flotte und die in den Grafschaften aufgebotenen Truppen sich für die rechtmäßige Erbin der Krone erklärten, in London ein, wo sie 19. Juli als Königin ausgerufen wurde. Johanna wurde nebst ihrem Gemahl, ihrem Vater und ihrem Schwiegervater verhaftet und in den Tower gesetzt. Northumberland wurde schon 22. Aug. hingerichtet, während Johannas Vater, der Herzog von Suffolk, einstweilen die Freiheit erhielt. Gegen Johanna und ihren Gemahl wurde zwar das Todesurteil gesprochen, doch nicht vollzogen. Erst die Teilnahme des Herzogs von Suffolk an der Empörung des Thomas Wyatt gegen die Königin (Februar 1554) veranlaßte diese 12. Febr. 1554, das Urteil an Johanna vollstrecken zu lassen. Ihr Schicksal gab mehreren Dichtern Stoff zu dramatischen Darstellungen, Delaroche zu einem trefflichen Gemälde. Ihre kleinen Schriften sammelten Nicolas: »Memoirs and remains of Lady Jane G.« (neue Aufl., Lond. 1832), sowie Frère: »Fragments littéraires de Lady Jeanne G.« (Rouen 1832). Vgl. »The chronicles of Queen Jane« (hrsg. von Nichols, Lond. 1850); Dargaud, Histoire de Jane G. (Par. 1862); P. Sidney, Jane the Quene, some account of life and literary remains, etc. (Lond. 1900).
2) Thomas, einer der besten engl. Lyriker des 18. Jahrh., geb. 26. Dez. 1716 in London, gest. 30. Juli 1771, wurde in Eton gebildet und widmete sich in Cambridge dem Studium der Rechte und der alten Sprachen. Später (1739) begleitete er seinen Jugendfreund Horace Walpole auf einer Reise durch Frankreich und Italien, kehrte aber, nachdem er sich mit ihm überworfen, 1741 nach England zurück. G. beschrieb seine Reise in den trefflich abgefaßten »Letters; journal of a tour in Italy«. Er lebte nun als stiller Gelehrter in Cambridge, bis er 1768 Professor der neuern Geschichte daselbst wurde. Von seinen vielfach ausgelegten Gedichten (zuerst gesammelt Lond. 1768) sind am berühmtesten die »Elegy written on a country churchyard«, 1751 gedichtet und in fast alle Sprachen Europas, sogar ins Griechische und Hebräische, übersetzt (deutsch von Gotter, Kosegarten, Seume, Müller, Rupprecht u. a.); ferner die Ode »The bard«, worin der in Wales eindringende Eduard I. durch einen Sänger verflucht wird; endlich die Umbildungen einiger Eddagedichte, mit denen die Neubelebung der altgermanischen Mythologie in England begann. Die vollständigste Ausgabe seiner Werke besorgte Gosse (Lond. 1882, 4 Bde.). »Life and letters« von G. gab Mahon 1774 heraus; neue Briefe kamen dazu in Mitfords Ausgabe von Grays Werken (1835,1843 u. 1853); neuestens sammelte Tovey seine »Letters« (1900 ff.). Die neueste Lebensbeschreibung Grays lieferte E. Gosse (1882 u. ö.).
3) John Edward, Zoolog, geb. 12. Febr. 1800 zu Walsall in Staffordshire, gest. 7. März 1875 in London, lieferte 1821 mit seinem Nater das erste englische Werk, das die Pflanzen nach dem natürlichen System ordnete (»The natural arrangement of the British plants«), wurde 1824 Assistent am Britischen Museum und 1840 Kustos der zoologischen Abteilung desselben. Er war Mitbegründer mehrerer naturwissenschaftlicher Gesellschaften, beteiligte sich lebhaft an öffentlichen Angelegenheiten und regte die Einführung der Pennypostmarken für inländische Briefe an. Außer mehreren vortrefflichen Katalogen der zoologischen Sammlungen des Museums schrieb er: »Illustrations of Indian zoology« (183234, 2 Bde.); für »The zoology of Captain Beecheys voyage« (1839) bearbeitete er die Reptilien und Mollusken; für »The zoology of the voyage of H. M. ship Sulphur« (1843) die Säugetiere und Radiaten; auch gab er »The zoology of H. M. ships Erebus and Terror« (mit Richardson u. a., 183943, 10 Tle.) heraus und schrieb noch »Handbook of British water-weeds or Algae« (1864); »Hand-catalogue of postage stamps for collectors« (Lond. 1862 u. ö.).
4) George Robert, Zoolog, Bruder des vorigen, geb. 8. Juli 1808 in Little Chelsea, gest. 5. Mai 1872, studierte Zoologie und wurde 1831 Beamter am Britischen Museum. Seine »List of the genera of birds« (1841) war eins der vollständigsten zoologischen Werke und fand allgemeine Anerkennung. Seine »Genera of birds«, mit mehr als 350 Tafeln (183749, 11 Bde.), galten als Hauptwerk für die Ornithologie. Außerdem schrieb er: »Hand-list of the genera and species of birds« (1870, 3 Bde.), in der 2915 Gattungen und über 11,000 Spezies aufgezählt werden; »The entomology of Australia« (1833); »Synopsis of the species of insects belonging to the family of Phasmidae« (1835); »Catalogue of the British birds in collection of the British Museum« (1848 u. 1863); »Catalogue of the birds of the tropical islands of the Pacific Ocean« (1839); »Catalogue of mammalia and birds of New Guinea« (1859).
5) Asa, Botaniker, geb. 18. Nov. 1810 zu Paris in Oneida County im Staat New York, gest. 30. Jan. 1888 in New Cambridge, studierte Medizin, dann Botanik und ward 1842 Professor der Naturgeschichte in New Cambridge. Er bereiste Europa in den Jahren 183839 und 185051. G. schrieb: »Elements of botany« (1836), erweitert als »Botanical textbook« und in neuester Auflage reich illustriert als »Structural and systematical botany« (New York 1879 ff., 1885); »The flora of North America« (mit Torrey, 183842, 3 Bde.); »Genera Boreali-Americana illustrata« (184849, 2 Bde.), in welchem Werk von jeder Gattung eine Spezies beschrieben ist; »Botany of the United States exploring expedition under Captain Wilkes« (1854); »Plantae Wrightianae Texano-Neomexicanae« (185253); »Darwiniana, essays and reviews pertaining to Darwinism« (1876); »Synoptical flora of North America« (1878 bis 1884, 2 Bde.); »Natural science and religion« (1880). Außerdem hat er zahlreiche Lehrbücher geschrieben und viele wissenschaftliche Arbeiten in Fachjournalen veröffentlicht. Nach seinem Tod erschienen »Scientific papers of Asa G.« (hrsg. von Sargent, Boston 1889, 2 Bde.) und »Letters of Asa G.« (hrsg. von Jane Loring Gray, das. 1894, 2 Bde.).
6) David, engl. Dichter, geb. 29. Jan. 1838 zu Merkland in Schottland, gest. 3. Dez. 1861, studierte in Glasgow Theologie, beschäftigte sich aber schon früh mit der Dichtkunst und veröffentlichte mehrere Gedichte im »Glasgow Citizen«. 1860 ging er nach London, wo er freundliche Aufnahme fand. Sein hervorragendstes Gedicht feiert das Flüßchen Luggie, an dessen Ufer Merkland gelegen ist; ein Kranz zart empfundener Sonette ist »In the shadows«. Seine Dichtungen wurden von Hedderwick (mit biographischer Einleitung, Lond. 1862) und Bell (1874) herausgegeben. Seine Schicksale sind von seinem Dichterfreund[257] R. Buchanan in »David G. and other essays« (Lond. 1868) warm dargestellt.
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