[291] John, 1) Franz, Freiherr von, österreich. General, geb. 20. Nov. 1815 in Bruck an der Leitha, gest. 25. Mai 1876 in Wien, trat 1835 in die Armee, ward 1845 Oberleutnant im Generalquartiermeisterstab, machte in Italien unter Radetzkys Leitung die hohe Schule seiner militärischen Bildung durch und[291] nahm 1848 als Hauptmann an den Kämpfen in Oberitalien einen so hervorragenden Anteil, namentlich bei Goito und Volta, daß er in einem Jahre die Eiserne Krone, den Maria Theresien-Orden und das Militärverdienstkreuz erwarb und Generalstabschef der Truppen in Toskana wurde. 1857 wurde er Oberst und Regimentskommandeur und in den Freiherrenstand erhoben, 1859 war er Generalstabschef des 6. Armeekorps in Südtirol, und seit 1860 stand er als Generalmajor an der Spitze des Generalstabs der von Benedek befehligten italienischen Armee. Er blieb Generalstabschef der italienischen Südarmee auch 1866 unter Erzherzog Albrecht und zeichnete sich als dessen genialer Ratgeber bei Custoza (24. Juni) so sehr aus, daß er zum Feldmarschalleutnant ernannt wurde. Er begleitete auch den Erzherzog nach dem nördlichen Kriegsschauplatz, übernahm im September 1866 das Kriegsministerium, wurde im Mai 1867 ins Herrenhaus berufen und im Dezember d. J. Reichskriegsminister. Er entwarf den Plan zur Heeresreform, die auf der allgemeinen Wehrpflicht basierte, trat aber schon im Januar 1868 wegen Reibungen mit den Ungarn bezüglich des neuen Wehrgesetzes und Differenzen mit den beiderseitigen Ministerien über den Kriegsetat ab. Im März 1869 ward er Landeskommandierender in Graz, 1873 Feldzeugmeister und 1874 wieder Chef des Generalstabs der Armee.
2) Eugenie, unter dem Namen E. Marlitt bekannte Romanschriftstellerin, geb. 5. Dez. 1825 zu Arnstadt in Thüringen, gest. daselbst 22. Juni 1887, Tochter eines Kaufmanns, erregte durch ihr musikalisches Talent und ihre schöne Stimme die Aufmerksamkeit der regierenden Fürstin von Schwarzburg-Sondershausen und wurde von dieser in ihrem 17. Jahre als Pflegetochter angenommen. Nach dreijähriger musikalischer Ausbildung in Wien betrat sie mit Erfolg die Bühne, sah sich aber durch ein plötzlich auftretendes Gehörleiden gezwungen, die theatralische Laufbahn zu verlassen und kam nun als Vorleserin in die Umgebung der Fürstin. Hier am Hofe wie auf den mannigfachen Reisen, bei denen sie die Fürstin begleitete, hatte sie Gelegenheit, die Welt zu studieren und Erfahrungen zu sammeln, aus denen sich die Mannigfaltigkeit ihrer Charakterzeichnungen erklären läßt. 1863 aus ihrer Stellung scheidend, wandte sie sich wieder nach Arnstadt, wo sie dauernd verblieb. Erst aus dieser Zeit stammen jene spannenden Romane und Erzählungen, die, zuerst in der »Gartenlaube« veröffentlicht, ihren Namen rasch in allen Weltteilen bekannt und beliebt machten und vielfach aufgelegt wurden. Es sind: »Die zwölf Apostel« (Leipz. 1865); »Goldelse« (1866); »Blaubart« (1866); »Das Geheimnis der alten Mamsell« (1867, 2 Bde.); »Thüringer Erzählungen« (1869); »Reichsgräfin Gisela« (1869); »Das Heideprinzeßchen« (1871); »Die zweite Frau« (1873); »Im Hause des Kommerzienrats« (1877); »Im Schillingshof« (1880); »Amtmanns Magd« (1881); »Die Frau mit den Karfunkelsteinen« (1885, 2 Bde.). Ihren unvollendet hinterlassenen Roman »Das Eulenhaus« führte W. Heimburg zu Ende (Leipz. 1888). Alle diese Werke sind ihrer Tendenz nach gegen soziale Vorurteile gerichtet und entbehren nicht der Vorzüge lebendiger Erzählung und Schilderung, wohl aber vielfach der innern Wahrheit. Eine illustrierte Ausgabe ihrer »Gesammelten Romane und Novellen« erschien Leipzig 188890 in 10 Bänden.
3) Richard Eduard, Kriminalist, geb. 17. Juli 1827 in Marienwerder, gest. 7. Aug. 1889 in Göttingen, ward 1856 in Königsberg außerordentlicher, 1859 ordentlicher Professor der Rechte. 186267 Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses, gehörte er hier der Fortschrittspartei und nach Begründung der nationalliberalen Fraktion der letztern an. 1868 ging er als ordentlicher Professor nach Kiel, 1869 nach Göttingen, 1870 aber als Rat des Oberappellationsgerichts nach Lübeck, 1876 wieder als Professor des Kriminalrechts nach Göttingen. Von seinen Schriften nennen wir: »Das Strafrecht in Norddeutschland zur Zeit der Rechtsbücher« (Leipz. 1858, Bd. 1); »Die Lehre vom fortgesetzten Verbrechen und von der Verbrechenskonkurrenz« (Berl. 1860); »Über Strafanstalten« (das. 1865); »Über die Todesstrafe« (das. 1867, 2. Aufl. 1871); »Das Strafrecht in Norddeutschland, Beurteilung des Entwurfs eines Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund« (Götting. 1870); »Über Geschwornengerichte u. Schöffengerichte« (Berl. 1872); »Das deutsche Strafprozeßrecht« (Leipz. 1880).