Norfolk [3]

[779] Norfolk (spr. nórrfŏk), Herzogstitel der berühmten engl. Familie Howard. Die ersten Grafen von N. waren aus dem Geschlecht Bigod, nach dessen Aussterben Eduard I. seinen fünften Sohn, Thomas von Brotherton (geb. 1300, gest. 1338), zum Grafen von N. erhob. Von dessen Urenkel von weiblicher Seite, Thomas von Mowbray, Herzog von N. und Nottingham, stammen durch seine älteste Tochter, Margaret, vermählt mit Sir Robert Howard, die spätern Herzoge von N. Unter ihnen verdienen Erwähnung:

1) John Howard, Sohn des eben Genannten, stieg als Feind des Hauses Lancaster unter Eduard IV. zum Generalkapitän empor. Richard III., den er bei der Usurpation des Thrones unterstützte, verlieh ihm im Juni 1483 die Würde eines Großmarschalls und Herzogs von N. Nachdem er mit dem König 22. Aug. 1485 bei Bosworth gefallen war, wurde er vom Parlament nachträglich als Hochverräter verurteilt und seiner Familie der Herzogstitel wieder genommen.

2) Thomas Howard, Sohn des vorigen, war bei Bosworth in die Hände Heinrichs VlI. gefallen und führte, als er nach dreijähriger Gefangenschaft die Freiheit erhielt, nur den Titel eines Grafen von Surrey. Er fiel 1495 an der Spitze eines Heeres in Schottland ein, dessen König Jakob IV. ihn zum Zweikampf herausforderte. Nachdem er 1501 Lord-Schatzmeister geworden war, beteiligte er sich wesentlich an der auswärtigen Politik Heinrichs VII. und Heinrichs VIII., welch letzterer ihm nach seinem Siege über die Schotten 9. Sept. 1513 bei Flodden die Würde eines Herzogs von N. zurückgab. Er starb 21. Mai 1524.

3) Thomas Howard, ältester Sohn des vorigen, dritter Herzog von N., geb. 1473, gest. 25. Aug. 1554, erhielt 1513 die Würde des Großadmirals. Er befehligte in der Schlacht bei Flodden unter seinem Vater die Vorhut und kämpfte 1521–23 gegen die Empörer in Irland. 1522 an die Spitze einer Expedition gegen Frankreich gestellt, landete er in der Bretagne und drang durch die Pikardie gegen Paris vor, ward aber durch den Herzog von Vendôme zum Rückzug genötigt. Nach seiner Rückkehr trat er an seines Vaters Statt in das Lord-Schatzmeisteramt und übernahm nach dem Sturz des Kardinals Wolsey auch das große Siegel. Die Vermählung Heinrichs VIII. mit seiner Nichte Anna Boleyn unterstützte er zwar; als er aber bemerkte, daß diese die Reformation begünstigte, ward er ihr erbitterter Gegner und sprach als Präsident der Gerichtskommission das Todesurteil über sie aus. Nach dem Ausbruch der katholischen Unruhen in den nördlichen Provinzen war er genötigt, das Schwert gegen seine Glaubensgenossen zu ziehen; doch bestimmte er Heinrich VIII. zur Erteilung einer Amnestie. Als aber die Fanatiker 1537 Carlisle belagerten, überfiel er sie und ließ 70 Anführer aufknüpfen. Nach Ausstellung der dem Katholizismus sich zuneigenden sechs Glaubensartikel und nach der Vermählung des Königs mit seiner katholisch gesinnten Nichte Katharina Howard verfolgte N. die Reformierten auf das grausamste. Trotz der Verdienste, die er sich durch einen glücklichen Einfall in Schottland 1542 und durch seine Teilnahme an der vom König gegen Frankreich geführten Expedition erwarb, wurde er unmittelbar nach der Rückkehr von dieser 12. Dez. 1546 mit seinem ältesten Sohne, dem Grafen Surrey, in den Tower geworfen. Surrey, der die Absicht gehabt hatte, den hinsiechenden König wieder auf die Seite der strengen Katholiken zu ziehen, und sich dabei zu ehrgeizigen Kundgebungen hatte verleiten lassen, bestieg schon nach wenigen Tagen das Schafott. N. entging dem gleichen Schicksal nur dadurch, daß der König in der Nacht vor dem zu seiner Hinrichtung bestimmten Tage starb, erhielt jedoch erst nach der Thronbesteigung der katholischen Maria Freiheit, Güter und Würden zurück. Mit Eifer betrieb er die Vermählung der Königin mit Philipp von Spanien und unterdrückte die Empörung des Thomas Wyat sowie andre Aufstände.

4) Thomas Howard, vierter Herzog von, Enkel des vorigen, Sohn des hingerichteten Grafen Surrey, geb. 10. März 1536, gest. 2. Juni 1572, stand anfangs bei der Königin Elisabeth in großer Gunst, ward aber, als er sich um die Hand der gefangenen Königin von Schottland, Maria Stuart, bemühte, im Oktober 1569 in den Tower gesetzt. Doch erhielt er im August 1570 die Freiheit wieder. Da er aufs neue mit Maria und sogar mit dem Papst, Philipp II. von Spanien und dem Herzog Alba in Verbindung trat, um die Gefangene zu befreien und Elisabeth vom Throne zu stoßen, wurde er, nachdem die Verschwörung entdeckt worden war, als Hochverräter zum Tode verurteilt und hingerichtet; seine Familie ging abermals aller Güter und Würden verlustig.

5) Thomas Howard, Graf von Arundel und N., Enkel des vorigen, gest. 4. Okt. 1646, erhielt 1603 von Jakob I. den Titel eines Grafen von Surrey zurück, wozu 1621 noch die Großmarschallswürde kam, und wurde 1644 auch zum Grafen von N. ernannt. Er hat eine bedeutende Sammlung von Kunstsachen und Antiquitäten zusammengebracht, zu der auch die später der Universität Oxford geschenkten Arundel-Marbles gehörten. Sein Enkel Thomas Howard erhielt 1661 den Herzogstitel zurück.

6) Charles Howard, elfter Herzog von, geb. 15. März 1746, sagte sich von der katholischen Kirche los und erhielt damit das Recht, seit 1780 als Abgeordneter von Carlisle im Unterhaus zu sitzen, wo er als Gegner der Minister North und Pitt auftrat. Dieselbe Opposition setzte er nach dem Tode seines Vaters 1786 als Herzog im Oberhaus fort. In vielen Beziehungen ein Sonderling, starb er 16. Dez. 1815 kinderlos. Die hinterlassenen Güter und Würden fielen einem Seitenverwandten zu, Bernard Edward Howard, geb. 21. Nov. 1765, der als erster katholischer Peer nach der Emanzipationsbill einen Sitz im Oberhaus erhielt. Er starb 19. März 1842.

7) Henry Charles, dreizehnter Herzog von, Sohn des eben genannten Bernard Edward Howard, geb. 12. Aug. 1791, gest. 18. Febr. 1856, trat 1829 als erstes katholisches Mitglied ins Unterhaus, wurde 1837 zum Schatzmeister des königlichen Hofstaates ernannt, 1841 noch bei Lebzeiten seines Vaters als Lord Maltravers zum Peer erhoben, 1846 aber als Anhänger der Whigs zum Oberstallmeister ernannt. Er war ein entschiedener Gegner der ultramontanen Bestrebungen. Mit dem Ministerium Russell legte er im Februar 1852 sein Amt nieder, erhielt aber im Januar 1853 unter Aberdeen das Amt eines Lord-Steward.[779]

8) Henry Granville Howard, vierzehnter Herzog von. ältester Sohn des vorigen, geb. 7. Nov. 1815, gest. 25. Nov. 1860, war seit 1837 Mitglied des Unterhauses und verfocht, im Gegensatz zu seinem Vater, die katholischen Interessen, zog sich aber nach Auflösung des Parlaments im Juli 1852 von der Politik zurück.

9) Henry Fitzalan Howard, fünfzehnter Herzog von, Sohn des vorigen, geb. 27. Dez. 1847, wurde 1895 zum Generalpostmeister im Ministerium Salisbury ernannt. Als 1900 die päpstliche Presse Roms während des südafrikanischen Krieges für die Buren lebhaft Partei nahm, legte N. demonstrativ sein Ministerium nieder, um als Kapitän in der Imperial Yeomanry an dem Feldzuge teilzunehmen. Er wurde dadurch so populär, daß die City von London ihn zum Ehrenbürger ernannte und der neue Borough von Westminster ihn zu seinem ersten Mayor wählte. Aus Afrika zurückgekehrt, führte er im Januar 1901 eine Deputation englischer Katholiken nach Rom und erregte durch eine Rede, in der er sich für die weltliche Herrsch. ist des Papstes aussprach, Aufsetzen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 779-780.
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