Ozōn

[286] Ozōn (aktiver, polarisierter Sauerstoff) O3, eine Modifikation des Sauerstoffes, findet sich in der Atmosphäre, kann auch künstlich dargestellt werden, doch gelingt es immer nur, etwa 5–7,5 Proz. des Sauerstoffes, niemals den vorhandenen Sauerstoff vollständig in O. umzuwandeln (Houzeau will Sauerstoff mit 34 Proz. O. erhalten haben). Das O. läßt sich auch aus einem derartigen Gasgemisch nicht abscheiden, und reines O. ist daher noch nicht bekannt. Schönbein entdeckte das O. 1840 bei der elektrochemischen Zersetzung des Wassers, bei welcher der frei werdende Sauerstoff durch Ozongehalt einen eigentümlichen Geruch hat. Denselben Geruch bemerkt man auch in der Nähe einer tätigen Elektrisiermaschine (van Marum 1785), und wenn zahlreiche elektrische Funken durch Luft oder Sauerstoff schlagen. Seit dem Altertum kennt man den »Schwefelgeruch«, den ein Blitzstrahl in geschlossenen Räumen zurückläßt, und dieser Geruch ist ohne Zweifel auf O., gebildet durch den mächtigen elektrischen Funken, zurückzuführen. Zur Darstellung von O. benutzt man die dunkle elektrische Entladung. Der erste dazu dienende Apparat, die 1857 erfundene Siemenssche Ozonröhre, besteht aus zwei konzentrisch ineinander steckenden Glasröhren, von denen die engere innen, die weitere außen mit Metall belegt ist. Beide Metallbeläge verbindet man mit den Polen eines Induktionsapparates. Die innere Röhre ist an einem Ende geschlossen und so in die äußere eingeschmolzen, daß ein Zwischenraum zwischen beiden bleibt, durch den man trockne, staubfreie Luft oder Sauerstoff leitet. Die äußere Röhre ist an einem Ende zu einem dünnen Ansatzrohr ausgezogen, ein ähnliches ist am andern angelötet. Diese Apparate (Ozonisatoren) sind vielfach modifiziert, namentlich auch mit Wasserkühlung versehen und zu Batterien zusammengestellt worden, die mit Wechselstrommaschinen betrieben werden (vgl. »Elektrochemische Zeitschrift«, Bd. 10 u. 11). Die Verminderung des Volumens der Luft, die bei der Bildung von O. eintritt, kann bei stiller Entladung auf 1/12 gebracht werden. Mit sinkender Temperatur wächst der Ozongehalt langsam, aber ständig, er hört dagegen bei 130° fast vollständig auf. Bei Luftverdünnung hört Ozonbildung auf, sobald die Luft nicht mehr als Isolator wirkt, Luftverdichtung hat wenig Einfluß. Verstärkung des Induktionsstromes wirkt nur bis zu einem gewissen Grade günstig. Die Bildung von O. aus Sauerstoff ist begrenzt; es stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Bildung und Wiederzersetzung ein. Von reinem Sauerstoff konnten 11,7 Proz. in O. umgewandelt werden. O. entsteht auch bei Einwirkung von Kathodenstrahlen, ultravioletten Lichtstrahlen oder Radiumstrahlen auf Sauerstoff, bei Elektrolyse schwefelsäurehaltigen Wassers unter Anwendung einer Anode aus Platin oder Gold. O. entsteht auch bei vielen chemischen Prozessen, z. B. wenn Phosphor halb unter Wasser an der Luft sich oxydiert. Am günstigsten ist eine Temperatur von 24° und statt des Wassers eine verdünnte Lösung von dichromsaurem Kali mit Schwefelsäure. Die Superoxyde des Silbers, Baryums, Wasserstoffs, mangansaures, übermangansaures und überjodsaures Kali entwickeln mit Schwefelsäure bei nicht erhöhter Temperatur ozonhaltigen Sauerstoff. Auch bei der Verbrennung von Leuchtgas, Wasserstoff, Alkohol etc. entsteht O., besonders wenn man die Flamme durch Einblasen von kalter Luft abkühlt.

Wenn Sauerstoff ozonisiert wird, verringert sich gleichzeitig sein Volumen von 3 auf 2, und bei Zerstörung des gebildeten Ozons durch Erhitzen wird das urspüngliche Volumen wiederhergestellt. Das spezifische Gewicht des Ozons ist 1,658, und daraus ergibt sich die Molekularformel O3, während die des gewöhnlichen Sauerstoffes O2 ist. Ozonisierter Sauerstoff erscheint in etwa 1 m starker Schicht bläulich, und wenn man ihn stark komprimiert, wird er dunkel blau. Unter einem Druck von 125 Atmosphären und bei einer Temperatur von unter 100° bildet es eine blaue, explosive Flüssigkeit, die bei 119° siedet. O. riecht widrig chlorartig (daher der Name, v. griech. ózein, riechen) und so intensiv, daß es selbst in 500,000-[286] facher Verdünnung bemerkbar ist. 1 Liter Wasser löst bei 1–2,5°28,16 cc O. Die Lösung verhält sich gegen organische Stoffe wie reines O., doch verwandelt sich das gelöste O. sehr bald in gewöhnlichen Sauerstoff. Bei gewöhnlicher Temperatur kann trocknes O. in Glasröhren aufbewahrt werden, beim Erwärmen zersetzt es sich allmählich, und bei 300–400° verwandelt es sich fast augenblicklich unter Ausdehnung in gewöhnlichen Sauerstoff. Ganz ähnlich wie die Wärme wirken Silberoxyd, Mangansuperoxyd, Platinschwamm. O. wirkt sehr stark oxydierend (mit dem dritten Teil seiner Masse) auch schon bei gewöhnlicher Temperatur, meist aber nur bei Gegenwart von Wasser; es verwandelt Blei, Bleioxyd, Thalliumoxydul, Manganoxydul in Superoxyde, oxydiert Arsen zu Arsensäure, Schwefel und Schwefelwasserstoff zu Schwefelsäure, Schwefelmetalle zu Sulfaten, Ammoniak zu Salpetriger Säure und Salpetersäure, Alkohol zu Aldehyd und Essigsäure; O. macht aus Jodkalium Jod frei, und mit jodkaliumhaltigem Stärkekleister bestrichenes Papier wurde daher zur Nachweisung des Ozons und sogar zur Bestimmung des Ozongehalts der Luft (Ozonometer) benutzt. Frisch bereitete Guajaktinktur wird durch O. gebläut; Papier, mit schwefelsaurem Manganoxydul oder mit Thalliumoxydullösung getränkt, wird unter Bildung von höhern Oxydationsstufen gebräunt. Diese Reaktionen sind aber zum Nachweis von O. in der atmosphärischen Luft nicht brauchbar, weil sie auch durch stets vorhandenes Wasserstoffsuperoxyd und Salpetrige Säure, auch durch Chlor hervorgebracht werden. Thalliumpapier zeigt nur dann O. sicher an, wenn gleichzeitig Guajaktinktur gebläut wird. Silberblech wird durch O. unter Bildung von Silbersuperoxyd geschwärzt, die Reaktion ist aber wenig empfindlich. Überdies sind die Angaben jener Reagenzien sehr stark von dem Feuchtigkeitsgehalt der Luft abhängig. O. zerstört organische Farbstoffe, Fäulnisgase und Miasmen, überhaupt sehr viele organische Substanzen, während andre nur bis zu einem gewissen Punkt umgewandelt werden. Nitroglyzerin, Schießbaumwolle, Jodstickstoff, Borstickstoff und pikrinsaure Alkalien explodieren in ozonreicher Luft.

Schönbein glaubte, daß bei der Bildung von elektropositivem O. auch elektronegatives Antozon entstehe, doch ist das vermeintliche Antozon nichts als Wasserstoffsuperoxyd.

Die Angaben über das Vorkommen von O. in der Atmosphäre sind sehr unsicher, sie beziehen sich wohl meist auf Salpetrige Säure und Wasserstoffsuperoxyd. Man kann annehmen, daß in den obern Luftschichten durch die ultravioletten Sonnenstrahlen O. gebildet, aber sobald es in die untern Luftschichten gelangt, durch oxydierbare Bestandteile der Luft zerstört wird. Kommt O. in der Luft vor, so dürfte ihr Gehalt im Februar und März am größten sein. Alle Versuche, die Heilsamkeit einer Luft zu ihrem Ozongehalt in Beziehung zu bringen (»ozonreiche Waldluft«), sind hinfällig. Der Sauerstoff, den die Pflanzen entwickeln, enthält kein O. Auch wirkt O. keineswegs direkt günstig auf den Körper. Kleine Tiere sterben in ozonisierter Luft. In geringer Konzentration eingeatmet, ruft es Schlafneigung hervor, in stärkerer erschwert es das Atmen, bewirkt heftige Reizung der Schleimhaut der Atmungsorgane, Husten, Schnupfen, Abstumpfung des Gefühls in der Haut. Die Anwendbarkeit des Ozons zu Heilzwecken erscheint mindestens unsicher; bei Benutzung einer Ozonlösung (Ozonwasser) wird das O. im Magen jedenfalls völlig zerstört und nicht die geringste Menge O. gelangt ins Blut. Auch bei der Einatmung zerstäubten Ozonwassers wird das O. schon auf dem Wege zu den Respirationsorganen völlig zersetzt. In der Technik benutzt man O. zum Sterilisieren des Wassers (es tötet die darin enthaltenen Bakterien), zum Bleichen von Tier-, Pflanzen- und Mineralölen, zum Eindicken von Leinöl und Terpentinöl in der Lack- und Linoleumindustrie, zum Bleichen von Stärkemehl, Spinnfasern etc., in der Bierbrauerei, zum Altern der Weine, zur Behandlung von Holz, um es resonanzfähiger zu machen, zur Reinigung von Luft, zur Desinfektion, zum Konservieren etc. Vgl. Dachauer, Ozon (Münch. 1864); Meißner, Untersuchungen über den elektrisierten Sauerstoff (Götting. 1869); Engler, Historisch-kritische Studien über das O. (Leipz. 1880); Kahlbaum und Schaer, Monographien aus der Geschichte der Chemie, Heft 4 u. 6: Chr. Fr. Schönbein (das. 1900 u. 1901); De la Coux, L'ozone et ses applications industrielles (Par. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 286-287.
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