[541] Slawische Sprachen bilden eine der zum indogermanischen Sprachstamm gehörigen Sprachfamilien (s. Indogermanen). Hinsichtlich der Ausdehnung des slawischen Sprachgebiets vgl. die »Völker- und Sprachenkarte von Europa« (in Bd. 6). Im Mittelalter reichte das slawische Sprachgebiet westlich bis an die Elbe und darüber hinaus. Die den slawischen Sprachen am nächsten verwandte Sprachfamilie ist die baltische (s. Baltische Sprachfamilie). Eine engere Verwandtschaft der slawischen Sprachen mit den andern Familien des indogermanischen Sprachstammes hat sich, abgesehen von der baltischen Sprachfamilie, bis jetzt nicht nachweisen lassen (vgl. Leskien, Die Deklination im Slawisch-Litauischen und Germanischen, gekrönte Preisschrift, Leipz. 1876). Bei Angabe der Zahl der slawischen Sprachen stößt man insofern auf Schwierigkeit, als mehrere der slawischen Idiome (z. B. das Kleinrussische, das Slowakische und das Kroatische) von einigen als selbständige Sprachen, von andern als bloße Dialekte einer andern slawischen Sprache (des Russischen, resp. des Tschechischen, Serbischen) angesehen werden. Die älteste slawische Sprache ist das Kirchenslawisch (s. d.), das in den kirchlichen Büchern und in der Liturgie der griechisch-katholischen Slawen (Russen, Serben und Bulgaren) noch heute fortlebt. Eine tote slawische Sprache ist das Polabische (s. Polaben). Die lebenden slawischen Sprachen sind: 1) das Bulgarische, 2) das Serbische mit dem Kroatischen (Chorwatischen), 3) das Slowenische (auch Windisch genannt), 4) das Großrussische und das Kleinrussische, 5) das Tschechische mit dem Slowakischen, 6) das Ober- und Niedersorbische (auch Wendisch genannt), 7) das Polnische (s. die Spezialartikel »Bulgarische Sprache«, »Serbokroatische Sprache« etc.). Die erstern drei Sprachen (13) pflegt man mit dem Namen südslawische Sprachen zu bezeichnen, diese mit dem Russischen im weitern Sinne (in der Sprachwissenschaft auch Ostslawisch genannt) zu einer Gruppe, der südostslawischen (besser ost-südslawischen) Abteilung der slawischen Sprachen, zusammenzufassen und dieser die letzten drei (57), die westslawischen Sprachen, als westslawische Abteilung, zu der auch das ausgestorbene Polabische zu rechnen ist, gegenüberzustellen. Beide Abteilungen sucht die Sprachwissenschaft auf eine gemeinsame, uns nicht bekannte Sprache (Muttersprache), das Urslawische oder Altslawische, zurückzuführen. Als charakteristisch für die modernen slawischen Sprachen kann man in lautlicher Beziehung die Mannigfaltigkeit der Laute und die Vorliebe für Zischlaute und palatalisierte Konsonanten (letztere namentlich im Polnischen und Russischen) anführen, hinsichtlich der Flexion den Reichtum an Kasusformen (mit Ausnahme des heutigen Bulgarisch, das die Kasusendungen nach Art der romanischen Sprachen durch eine vorgesetzte Präposition ersetzt, besitzt jede slawische Sprache 7 Kasus) mit der Unterscheidung zwischen Belebtem und Unbelebtem, und an Konjugationsformen infolge strenger Unterscheidung der Aktionsformen (imperfektiv, perfektiv, iterativ mit Unterarten). Geschrieben werden die modernen slawischen Sprachen entweder mit cyrillischer oder mit lateinischer Schrift, und zwar bedienen sich der erstern zum Schreiben ihrer Sprache die griechisch-katholischen Slawenvölker (Russen, Serben und Bulgaren), der letztern, mit Zuhilfenahme einer Anzahl von diakritischen Zeichen, je nach Bedürfnis ihrer Sprache, die übrigen (Kroaten, Slowenen, Tschechen, Sorben und Polen). Bei den Westslawen waren lange Zeit die deutschen Buchstaben im Gebrauch, bei den Tschechen bis in den Anfang der 30er Jahre des 19. Jahrh., bei den Sorben bis in die neueste Zeit; ganz vereinzelt werden auch tschechische und polnische, für die untern Volksschichten bestimmte Bücher noch heute mit deutschen Lettern gedruckt. Das Kirchenslawisch wurde mit zweierlei Schrift geschrieben, der glagolitischen (s. Glagolica) und der cyrillischen, aus der dann durch Modernisierung und Anpassung an die Erfordernisse der betreffenden Sprachen das russisch-, serbisch- und bulgarisch-cyrillische Alphabet entstanden ist (s. Cyrillica). Das Hauptwerk über die Grammatik sämtlicher slawischen Sprachen ist: Miklosich, Vergleichende Grammatik der slawischen Sprachen (Wien 18521875, 4 Bde.; Bd. 1, 3 und 4 in 2. Aufl., das. 1879, 1876, 1883); außerdem T. Florinsky, Vorlesungen über slawische Sprachwissenschaft (russ., Kiew 189597, 2 Bde.), und Vondrák, Vergleichende slawische Grammatik, Bd. 1: Lautlehre und Stammbildungslehre (Götting. 1906). Von lexikalischen Werken sind zu erwähnen: Miklosich, Dictionnaire abrégé de six langues slaves (Wien 1885) und Etymologisches Wörterbuch der slawischen Sprachen (das. 1886). Eine »Slawische Chrestomathie mit Glossar« gab Berneke heraus (Straßb. 1902). Als Zeitschrift für Slawistik ist zu nennen das »Archiv für slawische Philologie« (hrsg. von Jagić, Leskien und Nehring, Berl. 1876 ff.). Die Hauptwerke über die Geschichte der slawischen Literaturen, worüber die betreffenden Artikel zu vergleichen, sind: P. J. Šafařik, Geschichte der slawischen Sprache und Literatur nach allen Mundarten (Ofen 1826; 2. Abdruck, Prag 1869) und Geschichte der südslawischen Literatur (Prag 186465, 3 Bde.); Eichhoff, Histoire de la langue et de la littérature des Slaves (Par. 1839); Mickiewicz, Vorlesungen über slawische Literatur und Zustände (deutsch von Siegfried, Leipz. 184345, 4 Bde.); Talvj, Historical view of the languages and litterature of the Slavic nations (New York 1850; deutsch von Brühl, Leipz. 1852); Pypin und Spasowicz, Geschichte der slawischen Literaturen (russ., 2. Aufl., Petersb. 1879 bis 1880, 2 Bde.; deutsch von Pech, Leipz. 188084, 2 Bde.); Courrière, Histoire de la littérature contemporaine chez les Slaves (Par. 1879); Krek, Einleitung in die slawische Literaturgeschichte (2. Aufl., Graz 1887); Karásek, Slawische Literaturgeschichte (Leipz. 1902, 2 Tle., Sammlung Göschen).
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