Slawische Mythologie

[208] Slawische Mythologie. Durch alle slawischen Götterlehren geht ein scharf ausgeprägter Dualismus hindurch: es gibt einen guten (weißen) u. einen bösen (schwarzen) Gott, welche beide eine große Zahl Untergötter, die ihre Eigenschaften theilen, im Gefolge haben. Man hat demnach eine Menge Weißgötter u. Schwarzgötter, deren Zahl, Namen u. Attribute in der Mythologie der einzelnen slawischen Volksstämme verschieden sind. Entsprechend zunächst der Trennung der Slawen in die beiden Hauptstämme der östlichen u. der westlichen, scheidet sich auch ihre Mythologie in eine östliche u. westliche, als Hauptsitze der ersteren galten Kiew u. Nowgorod, der letzteren Arkona u. Rethra. Die Ostslawen unterschieden neben der Eintheilung ihrer Götter in weiße u. schwarze, auch wohl vier Götterklassen: Götter des Gesammtvolks, wozu die des Krieges u. Friedens gehörten; Götter des individuellen Menschen, z.B. Götter für Liebe, Frohsinn, Genesung etc.; Götter des animalischen Lebens, d.h. Götter des Wachsthums u. der Ernte, der Jahreszeiten, der Wolken, des Regens, der Fülle u. des Mangels; endlich Gottheiten der leblosen Natur, unter denen sich Land- u. Wasser-, Berg- u. Thal-, Haus- u. Feldgötter gegenüberstehen. Eine andere Eintheilung der ostslawischen Götter stellt Tempelgötter, als allgemein verehrte, Unter-, Halb- u. Hausgötter gegenüber. Die Mythologie der Westslawen zeichnet sich vor jener durch. einen geregelten u. scharf fixirten Cultus aus (s. unten). Sehr mangelhaft waren die Begriffe sämmtlicher Slawen über Kosmogonie, Theo- u. Anthropogonie. Der gute weiße Gott gilt zwar meist als der höchste Herr u. Gebieter der Welt u. nicht nur als der Schöpfer des Himmels, sondern auch der Erde u. der Natur; doch wird fast von allen Slawen daneben noch eine besondere Erdgöttin angenommen, deren Verhältniß zu dem Himmelsgotte sehr unklar erscheint, wie denn auch die Vorstellung von der Erde selbst bei den Ostslawen aller wissenschaftlichen Auffassung entbehrt. Die Russen z.B. stellten sich die Erde als eine vom Meer umflossene u. unterspülte Scheibe vor, welche von einem großen Wallfisch getragen werde. So lange dieser seine Weltmission ruhig erfüllt, geht es still auf Erden zu, wird ihm aber je zuweilen die Bürde zu schwer, was er durch Zappeln u. Schläge mit dem Schwanze verräth, so entstehen Erdbeben u. Erdstöße, ebenso wie gelegentlich Wirbelwinde u. Wasserhosen durch das Schnaufen aus seinen Nüstern hervorgehen. Außerdem gibt es eine Menge specieller Anschauungen, Mythen u. Sagen über die Entstehung einzelner Weltgegenstände u. Naturerscheinungen, so die Vorstellungen von der Milchstraße, dem Regenbogen, vom Nebel, Reif, Blitz, Donner, von den Winden, den Jahreszeiten etc. Über die Zeit, wann die S. M. dem Christenthum bei den einzelnen slawischen Volksstämmen wich, s. die Geschichte der verschiedenen Nationen (Russen, Serben, Bulgaren, Polen, Böhmen, Wenden etc).

I. Götter- u. Geisterlehre, u. zwar A) gute od. weiße Götter. Von allen slawischen Völkern gemeinsam verehrt war Bjelbog (Bielbog), d.i. der weiße Gott. Derselbe gilt als der Gott des Lichts u. der Sonne u. die Russen stellten ihn unter dem Bilde eines alten Mannes dar, dessen Gesicht von Mückenschwärmen besetzt ist. Ihm entspricht in Kiew der Perun, der Blitz- u. Donnergott; die in Nowgorod nannten ibn Znitzsch u. derselbe galt ihnen als Sinnbild der ätherischen unsichtbaren Lebenswärme. In Arkona war Swantewit (d.i. der heilige Herr) der Hauptgott, wo ihm ein prächtiger Tempel erhaut war, eine zahlreiche Priesterschaft unterhalten u. viele festliche Opfer dargebracht wurden. Sein Bildniß war übernatürlich groß, in einen langen Rock gehüllt u. hatte vier Köpfe u. vier Hälse, davon zwei nach vorn u. zwei nach hinten gewendet. Bart u. Haar waren an denselben gestützt nach der Art der Bewohner von Rügen. In der Rechten trug er ein metallenes Trinkhorn, welches der Hauptpriester alljährlich mit Wein füllte u. daraus die Zukunft wahrsagte, der linke Arm war in die Seite gestemmt u. bildete einen Bogen; zu Füßen lag. ein gewaltiges Schlachtschwert aus echtem Silber u. mit getriebener Arbeit geschmückt, auch lagen unsern des Bildes innerhalb des Tempelraumes die Rüstung u. Aufzäumung eines ihm geweihten Rosses. Radegast, welcher bes. von den alten Redariern verehrt wurde, hatte in Rethra einen berühmten Tempel; sein Bild war von Gold, sein Lager von Purpur. Das übrigens nackte Bild hatte krause Haare, in einen Kreis geformt; das Gesicht war rund; auf dem Haupt stand im Haar ein Vogel mit ausgebreiteten Flügeln. Auf der Brust war ein schwarzer Stierkopf von der Rechten gehalten; die Linke hielt eine Doppelaxt. Wie heilig der Stier selbst den Slawen gelten mochte, erhellt daraus, daß die Kiew'schen Slawen einen Gott Wolos (d.i. Stier) als eine ihrer höchsten Gottheiten verehrten, bei welchem sie ihre heiligsten Eide leisteten. Der Gott des Krieges war Rugiäwit, welcher sieben Häupter u. sieben Schwerter an[208] der Seite, ein achtes, aber in der Hand hielt; auch wird ein Kriegsgott unter dem Namen Verowit (Gerowit) erwähnt. Bei den Russen galt Ljada (Ljadon, Lacton) als Kriegs-, Kaleda (Koliada) als Friedensgott. Im Tempel zu Arkona fand sich auch das Götzenbild Rugiäwits, sowie die Porewits mit fünf u. Porenuts mit vier Köpfen, welcher einen fünften auf der Brust trug, dessen Stirn die linke u. dessen Kinn die rechte Hand berührte. Welche Bedeutung letztere Götter hatten, erhellt nicht recht. Ein dreiköpfiger Gott Triglaw wurde bes. in der Gegend des heutigen Stettin verehrt; er hatte drei Köpfe aus Gold u. mit einem Hut bedeckt; in der Hand hielt er den Mond, woher spätere Chronisten aus ihm eine Trigla (entsprechend der römischen Diana) machten. Ein schwarzes, zur Weissagung dienendes Roß war ihm gewidmet. Iutribog wurde als Sonnengott u. Morgengott verehrt; bei Jüterbogk weisen noch jetzt ein granitenes Kreuz u. ein Lindenkreis auf die Stellen hin, wo früher der Gottesdienst dieser heidnischen Gottheit gehalten u. die damit verbundenen Tänze aufgeführt wurden. Prown wurde in Oldenburg (slaw. Stargard) verehrt, wo ihm ein heiliger Eichenhain u. Priester (Mike genannt) gewidmet waren. Der heilige Hain diente Verbrechern als Asyl, da in ihm kein Blut vergossen werden durfte. Prowe war der Gott der Gerichte, weshalb ihm an Gerichtstagen geopfert ward. Zu Plön wurde dagegen ein Gott Podaga als Gott der Witterung u. des Himmels verehrt, welcher an den Pogoda od. Pogada der Sorben (Gott der Himmelsbläue) u. Pogwist der Russen (Gott der Luft u. Winde) erinnert. Die Polaken u. Sorben hatten auch einen Gott Hennil (Henil od. Honidio), welcher nach Schafarik ein Hirtengott war. Flins galt als Gott der Kieselsteine, auch als Waldgott; Gasen (Jessa, Jesse) als Gott der Tageshelle; Krodo (zu Hartesborch in Ostfassen), welcher auf einer Säule u. auf einem Fisch stand, galt als Saturn, dem auch zu Goslar ein Altar gewidmet war. Statt jenes Krodo nennen Andere einen Gott Sitiwrat, welcher auch als slawischer Zeitgott erscheint, u. dessen Sohn der Specht sein soll. Außer diesen Göttern hatten die verschiedenen slawischen Völkerschaften noch eine große Anzahl guter od. weißer Götter, welche einer partiellen Verehrung genossen u. gewissermaßen Stammgötter waren. So wird bei den Russen noch ein Gott Makosch (Mokosch) als Beschützer des Viehes genannt, Chors (Chars, Chorscha) erscheint als Erntegott; Daschba od. Daschuba ist der Gott des Regens; Simzerta die Göttin der Morgenröthe; Pogoda die Göttin der Heiterkeit; Lado od. Lada die Göttin der Liebe u. Ehe, welche bes. bei Hochzeiten verehrt wurde; Kupalo der Gott der Früchte; Koleda der Gott der Festtage; Ustjad od. Osljad unbekannt. Untergeordnetere Gottheiten waren Zofim der Bienengott, Tschur od. Tschurban der Feldgrenzgott u.a.m. Geister der unbelebten Natur gab es außerdem noch manche, z.B. Gorinia, die Berggöttin od. der Berggeist, Rusalka, das Wasserweib (s. unten D) etc. Hierher gehört auch der Domowoi, der Hausgott, welcher meist gis sanfter, oft aber auch neckender Geist, als Spukgett od. Kobold erscheint (an welchen der gemeine Mann in Rußland noch heute glaubt). Unter dem Namen Unboshe (die Armen) erscheinen endlich die Seelen der Verstorbenen.

B) Böse od. schwarze Götter. Das Haupt der schwarzen Götter ist Czernebog (Czernybog), der Gegensatz zu Bjelbog; er ist der Gott der Nacht u. der Finsterniß u. ihm war die Eiche u. das schwarze Roß geweiht. Schwarze Götter waren auch Simargl od. Semargla, die Göttin des Winters; Striba od. Stribog, der Gott der Lüfte u. Winde; Poswisd od. Wichor, der Gott der Stürme; Chworz, der Erreger der Wirbelwinde; Mokßia, die Göttin des Platzregens, Negoda od. Nehoda, die Göttin des schlechten Wetters überhaupt. Vielleicht gehört hierher auch Zelun od. Zelu, angeblich Mercur, welcher vielleicht als der Begleiter der Todten zur Unterweltzubetrachten ist. Über die Schwarzgötter, vielleicht weil sie niederer Verehrung theilhaft waren, weiß man noch weniger als über die Weißgötter. Auch schwarze Geister gab es, welche als Nachtgeister u. Gespenster unter der Erde, gewöhnlich in Felsenhöhlen hausend gedacht wurden. Leschije waren böse Waldgeister, zu denen Polken gehörte, Koltki, neckende Nachtgeister, ähnlich den germanischen Kobolden, Kikimora die Gespenstermutter, Dasjebog der Gott der unterirdischen Schätze u. des die Sinne der Menschen verblenden den Mammons. Auch Did erscheint als Nachtgeist u. soll nach Einigen die Personification des Zweifels, der Hoffnungslosigkeit gewesen sein.

C) Die Erdgöttin od. große Lebensmutter, welche als die Quelle alles Lebens u. aller Nahrung gilt, hieß bei den Slawen in der Umgegend von Meißen Ziza (Cisa, Ciza) u. wurde mit vielen Brüsten dargestellt. Als Lebengeberin heißt sie Zlota Baba, die goldene Alte, auch Ziewonia od. Dziewanna, welche das Aufleben der Natur im Frühling bezeichnet, während als deren Gegensatz sich Marzana, die Göttin des Entschlafens der Natur, die Wintergottheit, kundgibt. In der Oberlausitz führt sie den Namen Dziwitza u. wird beschrieben als eine schöne Jungfrau, welche, mit einem Geschoß bewaffnet, in den dichten Hainen umherstreift u. jagt. Auch tritt sie unter dem Namen Siwa bei den Polaben auf. Sie wird als nackte, schöne Jungfrau dargestellt mit Haaren, welche ihr bis auf die Fersen wallen, ihre Hände hält sie auf dem Rücken u. hat in denselben einen goldenen Apfel u. eine Weintraube mit einem grünen Blatt. Ihr Haupt ist mit Blumen bekränzt. Andere nennen die Erdgöttin auch Dzidziela u. legen ihr die Attribute der Venus bei. Als Göttin der Geburt u. des Todes trägt sie auch die Doppelnamen Wesna u. Morana. Hanka führt eine Letnitza als Latona auf u. gibt ihr eine Tochter De. wana (s. oben Ziewonia) vom Perun dem Donnerer. Erwähnt wird noch eine Nia (Nija od. Niwa), vielleicht eine Personification des Feldes od. der Natur im großen Ganzen. Unter dem Namen Lada war die Lebensmutter ebenfalls verehrt, welcher bes. um die Pfingstzeit Spiele u. Festreigen gefeiert wurden. Auch zieht man gewöhnlich die Namen Lel u. Polel hierher, welche vielleicht die Lebensgöttin in ihren die Liebe u. Ehe betreffenden Functionen bezeichnen sollen. Was die polnischen Namen Zywie, Prije u. Pripegala bedeuten, ist ebenso wenig klar, als was die czechischen Worte Klimka (Klyvina), Krassa (Krafina, Krosina, Krassatina), Dyrsa u. Kyhala bezeichnen. Man opferte ihnen Wohlgerüche, Harzkränze u. Locken, auch die Nägel der Hände u. Füße, u. zwar um die Neumondzeit, gleichsam um die lunarischen od. planetarischen[209] Einflüsse auf den Gang der Erdschicksale zu bezeichnen.

D) Das Wasser u. seine Gottheiten. Gleich den übrigen Völkern dachten sich auch die Slawen das Wasser durch Götter belebt, wiewohl sie dieselben nicht einer Hauptgottheit unterordneten. Zwar geschieht in russischen Volksliedern zuweilen eines Morskoj Zar (Meereskönigs) Erwähnung, da aber einige Stämme vom Meer gänzlich isolirt lebten, so ist hierin vielleicht der Grund zu suchen, daß eine eigentliche Meeresgottheit keine allgemeine Verehrung fand. Quell- u. Stromgötter gibt es dagegen bei allen Slawen, weil ihnen Ströme, Bäche, Quellen heilig waren. Die meisten Slawen (Russen, Serben, Slowaken, Czechen, Polen) nennen die Flußgöttinnen Rusalki, jugendliche, schöne, sanfte, freundliche Gottheiten mit langen, grünen, wallenden Haaren, welche sie, auf Felsen in Bächen sitzend, im Sonnenschein trocknen, kämmen u. flechten. Ein Eid der Slawen an einer Quelle geleistet war bes. verbindlich. Noch heute gibt es in Rußland heilige Brunnen, in welche man kleine Kupfer- od. Silberstücke wirst, zum Dank für den gespendeten Trank od. die durch denselben empfangene Genesung, u. kein Dieb vergreift sich an denselben. Die Sitte der Besprengung u. Untertauchung von Jünglingen u. Jungfrauen (Smitsch) am zweiten Ostertage, welche noch bis heute in einem Theile Rußlands, in ganz Polen u. Polnisch-Schlesien herrscht, weist ebenfalls auf eine heidnische allgemeine Wasserverehrung hin; endlich erinnern an die heidnische Wasserverehrung auch die noch in Rußland bestehenden großen Wasserweihfeste. Dem Wasser wurde auch eine Zauberkraft zugeschrieben, deren oft in alten Nationalliedern der Russen, Polen etc. Erwähnung geschieht, u. unzählige Opfer sollen an Quellen, Strömen u. Seen dargebracht worden sein, um sich von Zaubern zu lösen.

II. Ansicht über den Zustand nach dem Tode. Hierher gehören zunächst die Schicksalsgöttinnen (Wilas der Serben, Welas der Böhmen u. Szalawilas der Polen). Sie sind weiße Jungfrauen in glänzendem u. wallendem Gewande, mit flatterndem Haar u. schwarzen Augen; sie wohnen im tiefen Waldesdunkel od. auf steilen Berggipfeln, wo sie die Wolken sammeln u. die Regenbäche in die Thäler ergießen; sie weissagen, sind heilkundig; den Neugierigen, Frevlern u. Feiglingen, zumal überrascht bei ihren Reigentänzen, gefährlich; lassen sich auch nicht gern bei ihren Festmahlen stören, sind aber Helden u. Schutzanbefohlenen freundlich gesinnt u. credenzen ihnen selber den Becher, nehmen sie auch zu sich aufs Roß od. auf eine Wolke u. entführen sie drohender Gefahr. Sie werfen tödtliche Geschosse auf die Menschen, wenn deren Stunde gekommen ist, lösen die Bande des Lebens Aller u. führen die Geister sämmtlicher Verstorbenen der Unterwelt (Pieklo, Pekla), als ihrem endlichen Bestimmungsorte, in dem Schoße der Erdenmutter zu. Über die Vorstellung, welche sich die Slawen von dieser Unterwelt selbst u. von dem Schicksal, Thun u. Treiben der Seelen daselbst machten, gibt es keine Nachrichten. Neben der Mutter Erde, welche ihre Macht auch über die Begrabenen od. Verstorbenen ausübte, erscheint auch oft eine zweite Gottheit der Unterwelt, Pikullas (Pikollos), der Herr der Todten, welcher wahrscheinlich erst später hinzugedichtet wurde u. eigentlich der Bewahrer des Goldes u. der Metalle, sowie Geber der Schätze u. Reichthümer war. In der czechischen Sage kommt ein eigener Gott Zelu als Beherrscher der unterirdischen Metalle u. Bergwerke vor. Als ein Richter od. eine Richterin über die Todten in der Unterwelt wird zuweilen bei den Czechen Sudice genannt. Bei den Russen u. Ostslawen überhaupt scheint auch eine Ansicht über verschiedene Räume der Unterwelt geherrscht zu haben, indem neben Pieklo, dem Orte der Bösen, auch Raj als Belohnungsort für die Guten od. die Helden gedacht wird. Der Glaube an Auferstehung findet sich fast durchweg bei den Slawen, u. noch bis in das 10. u. 11. Jahrh. bestand in Polen u. Rußland die Sitte, daß Frauen u. Knechte nach dem Tode der Herren getödtet u. verbrannt wurden, damit sie in der Unterwelt den verstorbenen u. dort fortlebenden Helden dienten. In alten russischen Fabeln erscheint Cascej od. Koscej als Todesgott, dürr u. hager, so wie später auch Czert, Cart od. Czartas, als der Böse, Schwarze, od. die Repräsentation des Teufels.

III. Cultus. Priester besorgten den Gottesdienst u. die Opfer. Innerhalb der Priesterschaft gab es verschiedene höhere u. niedere Grade, ja bei einzelnen slawischen Völkern hatte sich eine vollständige Hierarchie ausgebildet, welche selbst die Fürstenwürde u. Königsgewalt in Schatten stellte u. dadurch, daß die Priester die Götter zu versöhnen, deren Gunst u. Segen zu wirken u. deren Willen dem Volke kundzuthun hatten, einen großen Einfluß auf Völker u. Fürsten erlangten. Auch Priesterinnen gab es, welche zum Tempeldienst u. bei den Opfern verwandt wurden u. sich mit Weissagung u. Zauberei beschäftigten. Sowohl alte Frauen als Jungfrauen werden in dieser Beziehung erwähnt, u. unter allen slawischen Völkerschaften sind bes. die Czechen reich an wahrsagenden Frauen, welche hoch geehrt wurden. Die Opfer, welche von Allen dargebracht, aber nur durch Priesterspruch wirksam gemacht werden konnten, lassen sich in Bitt-, Sühn- u. Dankopfer eintheilen Von den Opferthieren wurde das Blut den Göttern dargebracht, das Fleisch fiel theils den Priestern allein zu, theils ward es vom gesammten Volke od. Volksstamm in gemeinsamen Schmausereien verzehrt. Auch Menschen, besonders Kriegsgefangene od. geraubte Christen, wurden zuweilen den zürnenden Göttern geopfert. Gewöhnlich waren indeß die Opfer minder blutig u. bestanden meist in Speise- u. Trankopfern, womit festliche Spiele u. Aufzüge verbunden waren. Solche Feste wurden in den volkreichen Orten, wo heilige Haine waren, gefeiert. Die Wälder u. Bäume standen bei allen slawischen Völkerschaften in großem Ansehen, bes. aber diejenigen, worin Tempel od. Götzenbilder standen. Hier besprengte man oft die in der Nähe des Heiligthums stehenden Bäume mit Blut von Thieren, ja es gab Haine, welche alljährlicher Menschenopfer zur Weihe bedurften, wie dies in der Lausitz unter den Wenden der Fall war. Oft bekränzte man die Opfer auch mit Blumen u. Ähren, z.B. gewöhnlich die Jungfrauen unter den Gefangenen u. ließ sie sodann den Feuertod sterben. Mit der Asche der Verbrannten düngte man hierauf die den Göttern vorzugsweise geheiligten Bäume, z.B. alte Eichen, Buchen, Birken, Ulmen u. Tannen. Man tanzte, sang u. schmauste hierbei od. gab sich den Genüssen der. Liebe rückhaltlos hin. Die [210] Stätten der Gottesverehrung waren außer den gedachten Hainen auch in Städten (zu Julin, Chozegow, Romove etc.) od. auf Feldern u. an Wassern, namentlich gab es geweihete Quellen, Flüsse u. Seen. Den Slawen Deutschlands standen Elbe u. Oder, den Polen die Weichsel, den Russen die Düna, Wolga, der Don u. der Dniepr stets in heiligem Ansehen. Wo Tempel standen, welche theils aus Holz, theils aus Steinen erbaut u. oft reich mit Schnitzwerk versehen waren, wie es bes. bei den Westslawen der Fall war, wurden auch meistens Bilder u. Statuen der Götter aufbewahrt. An jenen Stätten der Gottesverehrung fanden alle feierlichen Verrichtungen der Priester statt, als Opfer, Gebete, Orakelsprüche etc. Die Priester erforschten den Willen der Gottheit u. verkündeten denselben öffentlich u. feierlich dem Volke, wenn es Beschlüssen galt, welche für die Gesammtheit von Wichtigkeit waren, u. ihnen fügte sich dann gewöhnlich Fürst u. Volk. Der Volksglaube gab viel auf Ahnungen, Träume u. dergleichen u. sah in vielen Zufälligkeiten u. Begegnungen Anzeichen u. Vorbedeutungen, welche man als gute od. schlimme gelten ließ. In den alten slawischen Volksliedern werden eine Menge Zaubergebräuche erwähnt, welche bei den slawischen Völkern im Schwange waren. Man erforschte z.B. die Zukunft aus Ringen, aus dem Gießen von geschmolzenem Wachs od. Blei in Wasser, aus Holzstäben, aus der Stellung der Sterne, der Richtung der Winde, aus dem Wiehern der Rosse, aus der Stimme der Vögel, aus dem Blute der Opferthiere u. geopferten Menschen etc. Die Zauberer beschworen auch Krankheiten, ermittelten Diebstähle u. Verbrechen u. gaben Urtheilsprüche aller Art ab, welche meist als vollkommene Rechtsprüche galten. Hauptquellen der S-n M. sind: Le Clerc, Mythologie des Slaves (im 1. Band von dessen Histoire de la Russie ancienne, Par. 1783); Gebhardi, Geschichte aller wendisch-slawischen Staaten, Halle 1790, 4 Bde.; Guthrie, Dissertations sur les antiquités de Russie, cont. l'ancienne mythologie, les rites payens, les fêtes sacrés, les jeux, les oracles etc., Petersb. 1795; Mone, Geschichte des nordischen Heidenthums, Theil I, S. 111.; Siestrjencewicz, Recherches historiques sur l'origine des Sarmates, Petersb. 1812, Theil III, S. 589 ff., IV 801 ff.; Götze, Stimmen des russischen Volks in Liedern, Stuttg. 1828; Russische Märchen, Petersb. 1832, fortgesetzt daselbst 1832 von Luganski; Schafarik, Slawische Alterthümer, Lpz. 1848, 2 Bde.; Niemeyer, Mythologie der alten Völker, Nordländer, Wenden u. Slawen, ebd. 1850; Schwenck, Mythologie der Slawen, Frankf. 1855 u.a.m. Zur Aufhellung der S-n M. dienen auch die älteren Helden- u. sonstigen Nationalgesänge der einzelnen slawischen Volksstämme, vorzüglich Wladimirs Tafelrunde, Igors Zug gegen die Polowzer, die Lieder der Königinhofer Handschrift, die serbischen Gesänge etc.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 208-211.
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