Somalland

[588] Somalland (Somaliland), Gebiet des Osthorns von Afrika, 12° nördl. bis 2°30' südl. Br. und 40°30'–51° östl. L., vom Golf von Aden und dem Indischen Ozean, bis zum Gebiet der Galla und Danakil (W. u. Süden) etwa 700,000 qkm groß. Das Innere nimmt eine durchschnittlich 1400 m hohe Hochebene ein, die Landschaft Ogaden. Nach Süden und SO. sich senkend, läuft am Nordrand zuerst das Hand (»Steinloses Land«), dann das Nogal (»Steiniges [588] Land«), endlich eine mit der Küste des Golfs von Aden parallele Kette hin, die, im Ankor 1130, im Gan Libach 1920 m hoch, wiederholt über den schmalen Küstenstreifen aus Meer herantritt. Unfern der Ostküste erhebt sich ein 60–120 m hoher Felsrand (El Khasain), sonst herrscht Flachküste mit Dünenbildung. Flüsse sind allein zu nennen der Dschubb (s. d.) und der Webi Schebeli, der, mit vielen Quellflüssen an den Gebirgen von Schoa und Kassa und in Harar entspringend, zuletzt nach SW. parallel und nahe der Küste fließend in einem Sumpf endigt. Sonst gibt es wenig periodisch gefüllte Wasserläufe. Geologisch besteht das Küstenland am Golf von Aden aus tertiären Formationen, das Land südlich von Berbera und in Harar aus rotem Lehm mit Mergel und einem Untergrund von Kalk. In den Steppen herrschen horizontal geschichtete Porphyrmassen vor, am Dschubb und Webi Schebeli an Ammoniten reiche Kreidebildungen eines ehemaligen Süßwasserarmes. Das Klima, im Küstengebiet bei 24–30° Mitteltemperatur wenig gesund, ist auf der Hochebene jedoch durchaus zuträglich, wo das Thermometer zwischen August und November bis 32° steigt und zwischen Januar bis Mitte März bis 8° fällt. Der Nordostmonsun bringt Regen an der Nordküste Dezember bis Mai, im Innern April bis Juli, der Südwestmonsun Trockenzeit an der Küste Juni bis November, im Innern Mitte Oktober bis Mitte März. Die Vegetation ist sehr dürftig; nur an den genannten Flüssen, wie auch am Tug Dehri und Tug Faf, trifft man Galeriewälder mit Feigenbäumen und Dattelpalmen. An der Küste sind Mimosen, Calotropis procera, Tamarisken, Schirmakazien charakteristisch, auf der Hochsteppe Weihrauchbäume, viele Gummiarten, Leuchtereuphorbien, Aloes, im Gebiete des Webi der Affenbrotbaum. Wegen der vielen Mimosen und Präriegräser mit starkem Geruch hieß schon in alter Zeit das S. »wohlduftend«. Ackerbau (Durra, Mais, Erbsen) treibt man wenig, am meisten in der schönen Landschaft Ogaden (zuerst 1885 durch James bekannt). Die Tierwelt vertreten Löwen, Leoparden, Zebras, Wildesel, viele Affen, Strauße, Wanderheuschrecken, giftige große Ameisen, im Süden Elefanten, Nashörner, Flußpferde, Giraffen. Kamele, Pferde, Esel, Rinder, Ziegen, Schafe, Strauße bilden den Hauptreichtum der Bewohner, die in der Hauptsache zu den Somal (s. d.) gehören, und zu denen noch Araber und im Innern Bantu kommen. Am Golf von Aden liegen: Zeila, Bulhar, Berbera, Karam, Las Gori, Bender, Ghasim (englisch), am Indischen Ozean: Obbi, Warschech, Mogdischu, Merka, Barawa (italienisch), Kismaju (englisch), im Innern: Bardera und Lugh am Dschubb, Barri am Webi Schebeli, Faf am Tug Faf. In Berbera und Zeila rechnet man nach Mariatheresientalern zu 2 indischen Rupien oder 5 Frank in Scheide- und Kupfermünzen, im Binnenland herrscht oft noch einfacher Tauschhandel. Der ägyptische Pik Stambûli hat in der Praxis 0,677 m Länge. 1 Bahar zu 14 Ferasla von 28 Rotel (Rottoli) = 176 kg, 1 Oka wiegt 44 Theresientaler oder Okieh = 1,2359 kg. – Das Land, den alten Ägyptern als Land von Punt oder Phun bekannt, war nach Hieroglyphen auf den Ruinen von Theben den Pharaonen tributpflichtig. Im 13 Jahrh. setzten sich Araber an der Küste, dann Portugiesen fest, die aber 1698 von Sef, dem Imam von Maskat, vertrieben wurden. Die von Sansibar aus seit 1814 gemachten Versuche, die Küstenorte zu unterwerfen, gelangen erst 1866 dem Sultan Seid Madjid mit Kismaju, Barawa, Merka und Mogdischu. Die 1875 von Ägypten besetzten Häfen Zeila und Berbera gingen 1884 an England über, 1887 an Frankreich die Tadschurrabai, an Italien durch ein Abkommen mit England das Land bis zum Dschubbfluß (während die Gebiete jenseit desselben der englischen Interessensphäre zufielen und der Sultan von Sansibar für die Hafenplätze an der Ostküste durch eine jährliche Rente entschädigt wurde). Politisch kann man nach dem neuesten Stande folgendes unterscheiden: abgesehen von dem binnenländischen Gebiet Ogaden, auf das Abessinien Ansprüche erhebt, und von einem 400 km langen Küstenstrich um Illig nebst Hinterland, wo sich (1905) Mohammed ben Abdullah (»der tolle Mullah«) selbständig gemacht und ein Reich ohne bestimmte Grenzen eingeräumt erhalten hat, sind die Küstengebiete nebst entsprechendem Hinterland in die Hände europäischer Mächte gefallen, wegen der für sie wichtigen Lage auf dem Wege nach Ostasien. Sie sind unter Frankreich, England und Italien geteilt. Frankreich besitzt den nördlichsten Teil gegen die Straße von Bab el Mandeb mit den Orten Djibuti (15,000 Einw.) und Obock (300 Einw.); die Angaben über das Areal schwanken zwischen 21,000,30,000 und 120,000 qkm, die über die Bevölkerungszahl zwischen 50,000 und 200,000. Verträge mit Italien (1888) und England (1901) sollen die Grenzen sichern. England besitzt gemäß den Verträgen mit Frankreich (1888), Italien (1894) und Abessinien (1897) ein seit 1905 dem Colonial Office unterstehendes Gebiet von 155,000 qkm mit 150,000 Bewohnern (Berbera 30,000, Zula 15,000 [nach andern Angaben nur 3800], Bulhar 12,000), s. Britisch-Somalland. Italien hat die Ostküste (Benadirküste) inne (Vertrag mit England 1894 und 1901, mit Abessinien 1896) bis zum Dschubb (Juba) bei einem Areal von 380,000 qkm und 400,000 Bewohnern; es wird seit 1905 von der Regierung selbst verwaltet. In demselben Jahre wurde dem (tollen) Mullah ein Gebiet an der Küste eingeräumt. Erforscht ist das S. erst in neuester Zeit und auch jetzt noch sehr unvollkommen, da die Bewohner allen Fremden höchst feindselig gegenübertreten. Die wichtigsten Forschungen machten Burton und Speke 1855, v. d. Decken 1865, Brenner 1867–98, Haggenmacher 1874, Revoil 1882–86, Menges 1884–85, Paulitschke und James 1885, Baudi und Candeo sowie Robecchi 1891, Ruspoli 1891 und 1892–93, Bòttego 1893, Graf Hoyos 1893–94, Donaldson Smith 1894 u. ff., um 1900 Neumann, v. Erlanger, Graf Wickenburg, Du Bourg de Bozas (Französisch-S.). Vgl. Burton, First footsteps in Eastern Africa (Lond. 1856); v. d. Decken, Reisen in Ostafrika (Leipz. 1869); Haggenmacher, Reise im S. (Ergänzungsheft zu »Petermanns Mitteilungen«, Gotha 1876); Revoil, Faune et flore des pays Çomalis (das. 1882); F. L. James, The unknown horn of Africa (2. Aufl., Lond. 1890); Graf Hoyos, Zu den Aulihan (Wien 1895); Swayne, Seventeen trips through Somaliland (3. Aufl., Lond. 1903); A. D. Smith, Through unknown African territories (das. 1897); Vignéras, Notice sur la côte française des Somalis (Par. 1900); Heudebert, Au pays des Somalis (das. 1901); O. Neumann, Von der Somaliküste zum Sudân (»Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin«, 1902); Peel, Somaliland (Lond. 1899, neue Ausg. 1903); v. Erlanger, Expedition in Nordostafrika (Berl. 1904); Engler, Über die Vegetationsverhältnisse des Somalilandes (das. 1904); Karte: Map of the British Somali Coast Protectorate, 1:1,000,000 (Lond. 1902).[589]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 588-590.
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