Wolken [1]

[734] Wolken (hierzu Tafel »Wolkenformen«), Anhäufungen von Wassertröpfchen oder Eisnadeln, die sich vom Nebel dadurch unterscheiden, daß sie sich in höhern Luftschichten befinden. Nebel auf Bergen erscheint von unten als Wolke. Gewöhnlich bilden sich die W. infolge des aufsteigenden Luftstroms, indem die mitgeführten Wasserdämpfe durch Abkühlung in den obern Luftschichten kondensiert werden. Außerdem entstehen sie bei ruhiger Luft, wenn sich die ganze Luftmasse durch Wärmestrahlung so stark abkühlt, daß Ausscheidung des Wasserdampfes eintritt; auch kann durch Mischung von verschieden warmen, mit Feuchtigkeit gesättigten oder dem Sättigungspunkt nahen Luftmengen Kondensation des Wasserdampfes und dadurch Wolkenbildung hervorgerufen werden. Über die Kondensationsvorgänge s. Regen. In 1 cbm Wolkenluft kann höchstens 5 g Wasser in flüssiger Form vorhanden sein, sonst fällt es als Niederschlag heraus. Die unterste Grenze der Wolkenregion ist durch die Höhe bestimmt, in der die Temperatur der Luft unter die des Taupunktes (s. d.) sinkt. Das Schweben der W. in der Luft erklärt sich zum Teil aus der großen Leichtigkeit der kleinen Wassertröpfchen, die wegen des Widerstandes der Luft und besonders wegen des aufsteigenden Luftstroms nur sehr langsam niedersinken können; zum Teil ist es auch nur scheinbar. Senken sich nämlich die W., so werden die kleinen Wassertröpfchen in den untern wärmern Luftschichten wieder in Dampf verwandelt, während oben durch zuströmende kalte Luft neue Abkühlung erfolgt und neue Kondensation von Wasserdampf eintritt. Eine Bergspitze erscheint oft tagelang von einer Wolke eingehüllt, die unbeweglich dieselbe Stelle zu behaupten scheint; in Wirklichkeit ist diese Wolke aber an der Luvseite in steter Neubildung und an der Leeseite in Auflösung begriffen (s. Tafeltuch).

Die erste brauchbare Einteilung der Wolkenformen gab 1803 Luke Howard; er unterschied drei Hauptformen cirrus (Federwolke), cumulus (Haufenwolke) und stratus (Schichtwolke), die Zwischenstufen cirrocumulus, cirrostratus und cumulostratus oder stratocumulus und endlich den nimbus (Regenwolke). Diese Einteilung gilt schon lange als nicht ausreichend, doch konnte keine der zahlreichen neuen Klassifizierungen sie verdrängen, weil es nicht möglich ist, alle bei der Wolkenbildung vorkommenden Verhältnisse zu berücksichtigen. Man hat sich daher begnügt, sie den neuen Anforderungen möglichst anzupassen, wobei die Vorschläge von Abercromby und Hildebrandsson maßgebend waren. 1894 wurde in Upsala von dem internationalen Meteorologenkomitee eine allgemeingültige Einteilung festgesetzt und die Herausgabe eines internationalen Wolkenatlasses vereinbart. Danach unterscheidet man folgende Formen, die auf der beiliegenden Wolkentafel in typischen Bildern wiedergegeben sind:


A. Obere Wolken, in mittlerer Höhe von 8000 m.

1. Cirrus, 2. Cirrostratus.

B. Mittelhohe Wolken, zwischen 3000 und 7000 m.

3. Cirrocumulus, 4. Altocumulus, 5. Altostratus.

C. Untere Wolken, mittlere Höhe 2000 m.

6. Stratocumulus, 7. Nimbus.

D. Wolken aus den tagsüber aufsteigenden Luftströmen.

uftströmen.

8. Cumulus, Gipfel 2000 m, Grundfläche 1500 m, 9. Cumulonimbus, Gipfel 3–8000 m, Grundfläche 2000 m.

E. Gehobener Nebel, mittlere Höhe unter 1000 m. 10. Stratus.


Die Definitionen und abgekürzten Bezeichnungen sind:


1) Cirrus (Ci). Vereinzelte zarte, weißglänzende W. in Form von Fäden oder Federn oder von Windbäumen (Wetterbäumen; Fig. 1 u. 2).

2) Cirrostratus (Ci-S). Feiner, weißlicher Schleier; man sieht in ihm häufig Ringe und Höfe (s. Hof, S. 412) um Sonne und Mond (Fig. 3).

3) Cirrocumulus (Ci-Cu). Schäfchenwolken, kleine zusammengeballte oder flockenförmige Massen, schattenlos, angeordnet in Gruppen und oft in Reihen (Fig. 4).

4) Altocumulus (A-Cu). Dickere Ballen, weiß oder blaßgrau, mit schattigen Bestandteilen, in Gruppen oder in Reihen geordnet (Fig. 6).[734]

5) Altostratus (A-S). Dichter Schleier von grauer oder bläulicher; Farbe; Ringe wie bei 2) treten nicht auf, wohl aber Höfe (Fig 5).

6) Stratocumulus (S-Cu). Ballen oder Wolkenwülste von meist hellgrauer Farbe, die häufig den ganzen Himmel bedecken, namentlich im Winter (Fig. 7).

7) Nimbus (N), Regenwolke. Eine dicke Schicht dunkler, formloser W. mit zerfetzten Rändern (Fig. 8 u 9).

8) Cumlus (Cu), Haufenwolke. Dicke W., deren Gipfel die Form einer Kuppel oder von Trauben hat, während die Grundfläche wagerecht ist (Fig. 10 u. 11). Losgerissene Teile nennt man Fractocumnlus (Fr-Cu).

9) Cumulonimbus (Cu-N), Gewitterwolke. Gewaltige Wolkenmassen, die sich in Form von Bergen, Türmen oder Ambossen erheben, im allgemeinen oben begleitet von einem Schleier oder Schirm aus faserigem Gewebe (irrtümlich falscher Cirrus genannt) und unten von nimbusartigen Wolkenmassen (Fig. 12).

10) Stratus (S), Schichtwolke. Gehobener Nebel in wagerechter Schichtung.


Besondere Formen sind: a) die Polarbanden (s. d.); b) Wogenwolken (s. d.); c) Mammatocumulus, ein Cumulus mit halbkugelig oder sackartig von seiner Unterfläche herabhängenden Ansätzen, meist auf der Rückseite von Gewittern; d) Irisierende Wolken (s. d.); e) Leuchtende Wolken (s. d.).

Die Kenntnis der Höhe und Ortsveränderung der W. ist besonders wichtig für die Erforschung der Bewegungsvorgänge in der Atmosphäre, wenn auch die W. nichts Beständiges sind und daher Strömungen durch sie nicht genau wiedergegeben werden. Die Zugrichtung der W. bestimmt man entweder unmittelbar oder genauer mittels des Wolkenspiegels (s. d.) oder besonderer Vorrichtung wie der von Besson konstruierten Meßharke etc. Die Höhe findet man ohne Instrumente, indem man die W. an einem Berge beobachtet und die Höhe einer Höhenschichtenkarte entnimmt, oder indem man das Eintauchen eines Fesselballons oder Drachens beobachtet und aus der Länge des Seils die Höhe berechnet; ferner aus der von einem höhern Standpunkt beobachteten Schnelligkeit des Wolkenschattens; aus der Zeit, zu der die W. von der untergehenden Sonne zum letztenmal beschienen werden, aus der Höhe des abendlichen Lichtscheins über einer Stadt oder des von einem Scheinwerfer erzeugten Lichtpunktes an den W. Bei Benutzung von Instrumenten bestimmt. man meist Höhe, Zugrichtung und Geschwindigkeit. Von zwei telephonisch verbundenen Stellen aus wird mittels Theodoliten, die statt der Linsen nur Fadenkreuz und Diopter enthalten, derselbe Wolkenpunkt zweimal nacheinander eingestellt und aus den Höhen- und Azimutwinkeln die Höhe und Ortsveränderung des Wolkenpunktes berechnet. Statt direkter Beobachtung kann man auch die W. mit Phototheodoliten aufnehmen und auf den Platten dann die nötigen Werte messen; dieses Verfahren läßt sich wesentlich vereinfachen, wenn man die Apparate mit ihrer optischen Achse lotrecht stellt, wie es beim Wolkenautomaten (s. d.) der Fall ist.

Ausgedehnte Verwendung haben solche Methoden in dem sogen. Wolkenjahr (1896/97) gefunden, in dem an einer großen Zahl von Orten der ganzen Erde international vereinbarte Beobachtungen der W. stattfanden; die eingehendsten Resultate liegen vor: aus Bossekop (Lappland), Pawlowsk bei St. Petersburg, Upsala (Schweden), Potsdam, Toronto (Kanada), Blue Hill bei Boston, Washington, Manila, Batavia. Es folgt daraus, daß im Norden die W. im allgemeinen in geringerer Höhe schweben als im Süden, weil dort die Temperatur und damit die Kondensationshöhe niedriger ist als hier. Im Mittel aller Stationen ergibt sich:

Tabelle

In mehr als 20 km Höhe kommen W. nur äußerst selten vor; meist bleiben sie unter 10 km und treten in verschiedenen Schichten übereinander auf, zwischen denen fast wolkenlose Schichten liegen. Die Dicke oder Mächtigkeit der W. beträgt meist einige hundert Meter, bei Regenwolken oft einige Kilometer und kann bei Gewitter- und Hagelwolken vielleicht bis auf 10 km anwachsen.

Die Farbe der W. ist im allgemeinen bei auffallendem Lichte glänzend weiß, bei durchscheinendem Lichte aber kommen zahllose Tönungen von Weiß bis Grau und Blau und von Weiß bis Rot und Gelb vor. Über die Bedeckung des Himmels durch die W. vgl. Artikel »Bewölkung« und »Sonnenschein«; über die W. als Wetterzeichen vgl. Artikel »Wetter«. Vgl. Howard, On the modifications of clouds (Lond. 1803; Neudruck, Berl. 1894); Ley, Cloudland, a study on the structure and characters of clouds (Lond. 1894); Clayton, Discussion of the cloud observations (Cambridge 1896, mit einer Geschichte der Wolkeneinteilungsversuche); v. Bezold, Über Wolkenbildung (Berl. 1894); Süring, Über Wolkenformen und deren Veränderungen (in »Himmel und Erde«, Bd. 16, das. 1904); Poëy, Comment on observe les nuages pour prévoir le temps (3. Aufl., Par. 1879) und Les courants atmosphériques d'après les nuages (das. 1882); Hildebrandsson und Hagström, Des principales méthodes employées pour observer et mesurer les nuages (Upsala 1893); Åkerblom, De l'emploi des photogrammetres pour mesurer la hauteur des nuages (das. 1894); Koppe, Photogrammetrie und internationale Wolkenmessung (Braunschw. 1896); Hildebrandsson, Rapports sur les observations internationales des nuages (Upsala 1903); Sprung und Süring, Ergebnisse der Wolkenbeobachtungen in Potsdam (Berl. 1903); Walton, Clouds, their forms and combinations (3. Aufl., Lond. 1873); Weilbach, Nordeuropas Skyformer (Kopenh. 1881); Hildebrandsson, Köppen und Neumayer, Wolkenatlas (Hamb. 1890); Singer, Wolkentafeln (München 1892); »Specola Vaticana: Classificazione delle nubi« (Rom 1893); »Atlas international des nuages« (Par. 1896); »Hydrographic Office: Illustrative cloud forms« (Washingt. 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 734-735.
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734 | 735
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