Agrariae leges

[193] Agrariae leges (Agrarische od. Ackergesetze, röm. Rechtsant.), 1) Gesetzvorschläge, daß die öffentlichen, durch Eroberung erworbenen Ländereien nicht als Staatsgut an die alten Grundbesitzer (Patricier) pachtweis abgelassen, sondern an freie Bauern (Plebejer) ausgelassen würden. Gegen die alte Sitte, daß ersteres geschehe, hatten, als gegen eine Ungerechtigkeit, sich die Volkstribunen ausgesprochen, u. zuerst geschah es durch a) die Lex Cassia (486 v. Chr.), vom Consul Sp. Cassius, daß von dem, den Hernikern abgenommenen Gebiet ein Theil unter die Plebs vertheilt würde. Die Patricier erhoben großen Widerspruch, so wie jede neue Agraria lex unter Erregung der heftigsten Bewegungen in Vorschlag gebracht u. durchgesetzt wurde. Zu diesen gehörte nach langer Zeit: b) die Lex Licinia, vom Volkstribun C. Licinius 367 v. Chr., daß Niemand mehr als 500 Jugern vom Ager publicus besitzen u. mehr als 100 Stück großes u. 500 kleines Vieh auf die Gemeinweide treiben sollte; c) die Lex Flaminia, vom Volkstribun C. Flaminius 232 v. Chr., welche die Vertheilung des Gebietes um Ariminum beantragte. Aber die Bestimmung der Licinischen Bill wurde nach u. nach übersehen u. erst durch d) die Lex Sempronia, vom Volkstribun Ti. Sempronius Gracchus 133 v. Chr., wurde sie wieder erneuert mit dem Vorschlag, daß wer mehr als 500 Jugern hätte, das Mehr gegen Entschädigung zur Vertheilung unter die armen Bürger abtreten sollte, u. zur Regulirung der Ländereivertheilung wurde eine eigene Behörde, Triumviri agris dividundis, eingesetzt, aber die Sache kam ins Stocken; e) die Lex Thoria, vom Volkstribun Sp. Thorius 107 v. Chr., nach welcher die Staatsäcker nicht mehr nach der Lex Sempronia vertheilt werden, sondern die Besitzer sie unter der Bedingung der Steuerpflichtigkeit behalten sollten; f) die Lex Marcia des Volkstribunen L. Marcius 104 v. Chr., welche eine Gleichheit des Besitzes an Grundeigenthum beantragte, ging nicht durch; g) die Lex Appuleja, vom Volkstribun L. Appulejus Saturninus 100 v. Chr., verlangte die Anweisung von Äckern an die Soldaten des Marius u. Colonisirung; bald aufgehoben. Allgemeiner Art, wenigstens ihrem bestimmten Inhalte nach, unbekannt sind: h) die Lex Titia, vom Volkstribun S. Titius 100 v. Chr.; i) die Lex Plotia, entweder vom Volkstribun A. Plautius 98, od. vom Volkstribun M. Plautius Silvanus 89 v. Chr. u. k) die Lex Livia, vom Volkstribun M. Livius Drusus 91 v. Chr. l) Die Leges Corneliae agr., von Sulla 81 v. Chr., vertheilten die confiscirten Äcker seiner Gegner unter die Veteranen. m) Die Lex Servilia, von P. Servilius Rullus 64 v. Chr., wegen Vertheilung der Campanischen Äcker. Diese Lex, gegen welche Cicero die bekannte Rede contra Rullum hielt, wurde hintertrieben. n) Die Lex Flavia, vom Volkstribun L. Flavius 60 v. Chr., wollte, daß die von Sulla eingezogenen aber nicht vertheilten Acker vertheilt würden, ging aber nicht durch. o) Die Lex Julia, von I. Cäsar 59 v. Chr., bestimmte die Vertheilung der von den Staatsländereien noch zur Verfügung stehenden Äcker an 20,000 Bürger; diese Vertheilung ward einer Behörde von 20 Männern aufgetragen. p) Die Lex Antonia, von M. Antonius 44 v. Chr., daß die Ländereien in den Pontinischen Sümpfen u. a. an das Volk vertheilt würden. 2) Unter den Kaisern Verordnungen über Feldfrevel, Erbzinsverträge etc., so die Agraria lex Nervae, Gesetz des Kaisers Nerva, daß ein Sklav, der ohne Vorwissen seines Herrn die Grenzen des Feldes verrückt hat, mit dem Tode bestraft werden kann. Die Fragmente der sämmtlichen A. I. finden sich in Goes Scriptores rei agr. S. 329 f.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 193.
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