Berryer

[654] Berryer (spr. Berrijeh), 1) Pierre Antoine, Sohn des berühmten Advocaten B., welcher 1815 den Marschall Ney vor dem Pairshofe vertheidigte, geb. 4. Jan. 1790, studirte Rechtswissenschaft, wurde 1814 Advocat u. erlangte einen großen Ruf. So vertheidigte er 1833 den Grafen Larochefoucauld vor den Pariser Assisen; 1834 war er Sachwalter des Herzogs von Bordeaux bei dem Processe in Betreff der Einziehung des Gutes Chambord für den Staat, der zu Gunsten des Grafen von Chambord ausfiel; 1840 Vertheidiger Ludwig Napoleons vor dem Pairshofe wegen des Boulogner Attentats u. 1847 Parmentier's im Cubières-Teste'schen Processe. Seit 1829 saß er für das Departement der Ober-Loire in der Deputirtenkammer u. war in den Julitagen 1830 der wärmste Vertheidiger der Ordonnanzen Karls X., u. unter der Regierung Ludwig Philipps galten B. u. Laroche-Jacquelin für die ersten Stimmführer der Legitimisten. Im Jahre 1832 wurde er zu Angouleme festgenommen, da er den Verdacht erregt hatte, mit der Herzogin von Berry die Unruhen in der Vendée veranlaßt zu haben, wurde aber von den Assisen zu Blois freigesprochen. Wegen seiner Anwesenheit 1843 in London beim Herzog von Bordeaux trat er in Folge einer Äußerung in der Thronrede aus der Kammer, wurde aber von der Stadt Marseille wieder gewählt; als Legitimist stimmte er am 4. Nov. 1848 gegen die Annahme der Verfassung u. gehörte 1849 zum Fünfundzwanziger Ausschusse u. 1850 zu den Burggrafen. Im August dieses Jahres nahm er Theil an dem Legitimistencongreß zu Wiesbaden, u. nach seiner Zurückkunft nach Paris bildete sich unter seiner Leitung ein parlamentarischer Legitimistenausschuß, welcher das Zwölfer-Comité genannt wurde, u. er war in der Nationalversammlung eifriger Verfechter der Wahlreform. Um die Legitimität populär zu machen, brachte er im März 1851 in der Nationalversammlung den Antrag ein, die 1848 ausgeschriebene 45 Centimensteuer wieder zurück zu zahlen, fiel jedoch damit durch; er trat im Juni d. J. in das Revisionscomité u. im August in die Permanenzcommission u. stimmte den 17. Novbr. für den Quästoren-Antrag. Als er beim Ausbruche des Staatsstreiches (2. December 1851) aus den Fenstern der Mairie die Truppen durch die Kraft seiner Rede vom Blutvergießen abzuhalten versuchte, wurde er verhaftet, erhielt jedoch bald seine Freiheit wieder. Im Febr. 1852 lehnte er öffentlich jede Candidatur zum Gesetzgebenden Körper ab, war Mitunterzeichner der Vatimesnilschen Denkschrift gegen die Spoliationsdecrete vom 22. Jan. 1852 in Betreff der Orleansschen Güter Neuilly u. Monceaux, welche für den Staat eingezogen wurden, u. wurde Mitglied des Orleansschen Familienrathes, welcher klagend gegen die Regierung auftrat; noch wurde er in diesem Jahre zum Mitgliede der Akademie u. zum Vorsteher (Batonnier) des Pariser Advocatenstandes gewählt. B. bezieht seit mehreren Jahren eine Pension von 60,000 Fr., welche ein legitimistisches Comité zusammenschießt, dennoch waren seine Freunde bis zum Jahre 1852 zweimal genöthigt, ihn den Händen seiner Gläubiger zu entreißen. 2) Arthur, einziger Sohn des Vor., seit einigen Jahren im höheren Verwaltungswesen angestellt, ging 4652 im Auftrage der Kaiserl. Regierung nach England, um dort im Zollfache Studien anzustellen. Im März 1853 ward er Bevollmächtigter der Regierung bei der zu Paris gegründeten Docksgesellschaft, um das in Verruf gekommene Unternehmen zu überwachen; ernstlich compromittirt, wurde er im Novbr. 1856 verhaftet u. am 7. März 1857 vom Zuchtpolizeigericht zu Paris wegen Mitschuld an Betrug u. Mißbrauch des Vertrauens zu 5000 Fr. Strafe, 2 Jahr Einsperrung u. außerdem noch zur Zurückzahlung von 130,000 Fr., die er von der Docksgesellschaft widerrechtlich erhalten, verurtheilt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 654.
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