Bordeaux [1]

[88] Bordeaux (spr. Bordoh), 1) Arrondissement im französischen Departement Gironde mit 296,709 Ew.; 2) Hauptstadt daselbst u. des Departements, nach Größe u. Bedeutung überhaupt die vierte Stadt des Reichs; erhebt sich halbmondförmig am linken Ufer der Garonne; besteht aus Altstadt u. den neuen Stadtvierteln, jene eng u. unregelmäßig, diese regelmäßig u. mit schönen Gebäuden; so der Königsplatz, die sehr schöne Rue de Chapeau-Rouge, Le grand cours, die Allee von Tourny, die öffentlichen Bäder, der Begräbnißplatz u. mehrere Spatziergänge; 2 Forts (die Citadelle Trompette u. das Fort St. Louis), römische Alterthümer (ein Thor, Amphitheater, Brunnen); zu den merkwürdigen u. schönsten Bauwerken gehören: die 1821 erbaute, 892 Schritte lange, über die Garonne führende Brücke von 17 Bogen, der erzbischöfliche Palast, die gothische Kirche aus dem 14. Jahrh., die St. Severin-, St. Michael-, St. Croix- (aus dem 11. Jahrh.), die Notre-Dame- u. Collègekirche (mit dem Grabe Montaigne's), Consulatcapelle der Englischen Kirche, Stadthaus, Münze, Börse, Justizpalast, Hospital u. Schloß. Das Theater des Variétès, das schönste in Frankreich, brannte in der Nacht zum 1. December 1855 gänzlich ab. B. hat Departementsbehörden, Erzbischof, protestantisches Consistorium, Civil- u. Handelsgerichtshof, Handelsrath u. Handelskammer, Appellhof für die Departements Gironde, Charente u. Dordogne, eine Handelsbank, die königliche Académie des sciences, 1712 nach der Pariser gegründet, Facultäten für Theologie, Wissenschaften u. Literatur, Theologisches Seminar, Collège, medicinische Secundärschule, eine Normal-Primär-, Turbstummen-, Handels- u. Schifffahrtsschule, Schulen für Malerei, Musik u. Gesang, Baukunst, Mechankt, Industrie, Botanischen Garten, Bibliothek von 114,000 Bänden; Naturhistorisches u. Antikencabinet, Gemäldegallerie u. Sternwarte; mehrere gelehrte Gesellschaften, die des Ackerbaues, Linnésche, Medicinische u. Medicinisch-chirurgische u. Philomathische, Gesellschaft zur Ermunterung der Nationalindustrie; Sparkasse u. Findelhaus. B. hat ansehnliche Industrie. im Bau von Seeschiffen, in Tabak, Zucker- u. Salpeterraffinerie, Branntwein- u. Likördestillation (Anisettelikör), Weinessigfabrik, Woll- u. Baumwollspinnerei, Seilerei, chemischen Erzeugnissen, Maschinenbau, Schriftgießerei u. Buchdruckerei; der durch die Fluth in der Garonne begünstigte u. durch kolossale Arbeiten zugänglich gemachte Hafen, ist der dritte im Reich, faßt über 1000 Schiffe u. es laufen dort jährlich 3000 Schiffe ein. Die Hauptausfuhr besteht in Bordeauxwein, Branntwein, Getreide, Mehl, Manufacturwaaren; die Einfuhr in Colonialwaaren, [88] Metallen, bes. Eisen, Kohlen, Bauholz u.a. Der Handel wird befördert durch den Languedockanal, der die Stadt mit dem Mittelländischen Meer in Verbindung setzt. Die meisten Geschäfte werden betrieben durch Mäkler, die eine Prüfung bestehen u. 8000 Frcs. Caution leisten müssen; im Waarenhandel wird kein Gutgewicht gewährt, aber die Taren sind reichlich (bei Baumwolle 6 Proc.); jährlich zwei Messen im März u. October; 122,000 Ew. – B. hieß zur Römerzeit Burdigala, war die Hauptstadt der Bituriges Vivisci im Aquitanischen Gallien u. lag auf der WSeite des Garumna, nicht weit von der Mündung dieses Flusses. Nach der Beschreibung des Dichters Ausonius (dessen u. des Historikers Eutropius Vaterstadt sie war), bildete sie ein längliches Viereck, hatte lange, gerade Straßen, ein Amphitheater, viele Paläste (darunter den prächtigen des Gallienus), Tempel etc.; u. wurde von einer Mauer umschlossen, auf welcher hohe Thürme standen u. welche von 14 Thoren durchbrochen war. Der Hafen hieß Portus lunae; berühmt war B. als Handelsstadt u. durch seine hohe Schule. In der Nähe die, von den Galliern verehrte Quelle Divona. B. wurde dann die Hauptstadt von Aquitanien u. theilte als solche alle Schicksale dieser Provinz (s. Aquitanien, Gesch.). 412 wurde B. von den Gothen, 507 von den Franken, 732 von den Sarazenen, aber schon 735 wieder von den Franken erobert; im 9. Jahrh. wurde es von den Normannen wiederholt geplündert u. verwüstet. Um 900 wurde B. unter Karl dem Einfältigen wieder aufgebaut u. der Sitz einer Grafschaft. Auf Graf Raimund folgte sein Sohn Wilhelm der Gütige, dieser, von dem Herzog Sancho von Gascogne aus der Gefangenschaft befreit, schenkte dessen Sohne, Wilhelm, aus Dankbarkeit B. Mit Gascogne kam B. beim Aussterben dieser Linie, durch die Grafen von Poitiers an das Herzogthum Aquitanien, mit Aquitanien (Guienne) 1154 an Anjou u. durch die Erhebung Anjou's auf den englischen Thron an England, u. nun begann seine Blüthe. Als der Schwarze Prinz 1362 mit Guienne beschenkt wurde, wurde B. dessen Residenz. Das Bisthum B., welches spätestens im Jahr 300 errichtet wurde, wurde später in ein Erzbisthum verwandelt; 1441 die Universität gegründet. Nachher den Angriffen der Franzosen ausgesetzt, suchte sich B. seit 1379 durch Verbindung mit anderen Städten zu schützen; kam aber 1451 in französische Gewalt; 1452 eroberten es zwar die Engländer wieder, aber nur auf kurze Zeit. Das Parlament in B. wurde 1462 von Ludwig XI. eingerichtet, u. nachdem es 1469–1472 nach Poitiers verlegt worden war, wieder hier errichtet. 1548 Empörung wegen Einführung der Salztaxe u. Ermordung des Gouverneurs. Im October 1572 wurde hier eine Nachfeier der Pariser Bluthochzeit gehalten, wobei über 2000 Protestanten ermordet wurden. 1454 wurde die Citadelle (Trompette) beim Eingang des Quai angelegt, später von Vauban reparirt u. unter Ludwig XIV. noch mehr verstärkt; 1676 wurde das Fort St. Louis am Flusse angelegt. In der Revolution wurde B. als Sitz der Girondisten von dem Convent schwer heimgesucht. Am 12. März 1813 wurde die Stadt von 4000 Engländern besetzt; 1845 brannte ein Theil der Stadt ab. Concilien (Burdigalensia concilia) wurden 4 hier gehalten: 384 gegen die Priscillianisten, 870 zur Wiederherstellung des Friedens im Reiche u. zur Verbesserung der Kirchenzucht; 1080, wo Berengar von Tour seinen Glauben abschwor; das letzte 1255.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 88-89.
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