Buonarotti

[463] Buonarotti, 1) Michel Angele, aus dem Hause der Grafen v. Canossa, geb. 1471 in Settignano im Florentinischen; Baumeister, Bildbauer u. Maler. Aus der Schule des Malers Dom. Ghirlandajo kam er in die von Lorenzo di Medici begründete Schule für Maler u. Bildhauer. Hier lernte er von Torrigiano das Modelliren u. gewann eine solche Vorliebe für die Bildkunst, daß er die Malerei einstweilen ganz bei Seite ließ. Es bedurfte nur einer kurzen Unterweisung, um B. zu befähigen, aus dem rohen Marmorblock Köpfe herauszuarbeiten. Schon sein erster Versuch, der Kopf eines Fauns, welchen er der Antike nachbilden, gelang vollkommen u. ist noch jetzt in der Ufficiengallerie zu Florenz aufbewahrt. Das ungewöhnliche Talent u. das liebenswürdige Wesen des jungen Künstlers erwarb ihm die Gunst Lorenzo's di Medici in so hohem Grade, daß dieser ihn ganz in sein Haus aufnahm u. wie einen Sohn behandelte, 17 Jahre war B. alt, als er auf Poliziano's Rath das jetzt im Palazzo Buonarotti aufgestellte berühmte Relief: Hercules mit dem Centauren kämpfend, ausführte. Als sein Gönner 1492 gestorben war, fand B. Aufnahme im Kloster S. Spirito, wo er mit eisernem Fleiße dem Studium der Anatomie oblag. Der drohende Sturz der Mediceer trieb ihn 1494 von Florenz nach Venedig. Hier u. in Bologna schuf er einige Heiligen- u. Engelstatuen u. kehrte 1496 nach Florenz zurück. Bald darauf hatte er den Triumph, daß ein von ihm in Marmor gearbeiteter Amor von dem Cardinal di Giorgio, einem namhaften Kunstkenner, für eine Antike gekauft wurde. Als dem Cardinal der Name des Künstlers bekannt wurde, berief er ihn nach Rom. Hier schuf B. mehrere Sculpturwerke profanen u. kirchlichen Stoffes (einen Bacchus, eine Pieta, welche in der Peterskirche aufgestellt ist) u. kehrte 1501 nach Florenz zurück, um die Kolossalstatue des David für den Rath der Stadt in Marmor auszuführen. Dieses Bildwerk, für welches B. 400 Scudi erhielt, wurde 1504 vor dem Palazzo vecchio aufgestellt. Nachdem er durch diese u. andere Schöpfungen seinen Künstlerruf begründet hatte, trat er in einem Wettstreit mit Leonardo da Vinci auf, zu welchem die florentinische Regierung Veranlassung gab, indem sie Beiden die Ausschmückung ihres Sitzungssaales aufgegeben hatte. Die Cartons beider Meister wurden von den Zeitgenossen als zwei der größten Meisterwerke bewundert, blieben aber unausgeführt u. sind untergegangen. Einen weiten Wirkungskreis fand B., als Papst Julius II. ihn zur Ausführung seiner großartigen Pläne nach Rom berief. Es handelte sich zunächst um die Ausführung eines kolossalen Mausoleums, zu welchem B. die Zeichnung geliefert hatte. Mehrere Sculpturwerke, welche den Bau zu zieren bestimmt waren, führte B. aus, andere nahm er in Angriff: als den Papst sein Unternehmen reute. Derselbe kam wegen des Kostenpunktes mit B. in Streit, u. dieser entfloh, im höchsten Grade verletzt, nach Florenz. Erst 1506 söhnte sich B. mit dem Papste aus u. fertigte dessen (späterzerstörtes) Standbild in Erz für die Stadt Bologna. 1508 übertrug ihm der Papst die Malereien der Sixtinischen Kapelle. Als er seine Cartons vollendet hatte, bewog er mehrere bekannte Maler, sich an der Ausführung derselben al fresco zu betheiligen. Da ihm aber die Arbeiten dieser Künstler nicht gefielen, schlug er sie wieder von der Decke u. führte nun ganz allein binnen 22 Monaten die riesigen Fresken aus, welche noch heute als eine der herrlichsten Schöpfungen der Malerei bewundert werden (vgl. Sixtinische Kapelle). Als er seine Aufgabe glücklich zu Ende geführt hatte, legte er von Neuem Hand an das Grabmonument, welches nun nach einer einfacherer Zeichnung aufgeführt werden sollte. Inzwischen starb Julius II. 1513. Sein Nachfolger Leo X. beauftragte B. mit dem Bau der Kirche S. Lorenzo zu Florenz, wo er außerdem für die Mediceer eine Grabkapelle zu erbauen übernahm. Nebenbei beschäftigten ihn die Sculpturen für das päpstliche Grabmonument, zu welchem er jetzt wie schon frühe, unter seiner persönlichen Leitung in Carrara Marmor brechen ließ. Während der bürgerlichen Unruhen 1529 zum Generalcommissär der Festungswerke ernannt, vertheidigte er Florenz gegen die Mediceer, entfloh aber, empört über die verrätherischen Absichten des Oberbefehlshabers, nach Ferrara u. Venedig, kehrte jedoch bald darauf nach der bedrängten Stadt zurück, um an der Vertheidigung derselben von Neuem Theil zu nehmen. Beim siegreichen Einzuge der Mediceer 1530 hielt er sich Anfangs verborgen, bis die Sieger ihm auf des Papstes Clemens VII. Vermittelung Verzeihung versprachen. Darauf vollendete er das Grabmal der Mediceer mit den Statuen des Giuliano u. Lorenzo Medici u. folgte dann dem Rufe des Papstes Clemens VII. nach Rom. In dessen Auftrage begann er 1532 das 60 Fuß hohe Gemälde an der Hauptwand der Sixtinischen Kapelle, das Weltgericht darstellend, welches indeß erst unter Paul III. 1545 zur Vollendung kam. In demselben Jahre vollendete er mit Hülfe Raffaello's da Montelupo die letzten Arbeiten an dem Grabmal Julius II. Im folgenden Jahre ernannte ihn Paul III. an Ant. da Sangallo's Stelle zum Baumeister der Peterskirche. Im Kampfe mit mancherlei Kabalen u. Widerwärtigkeiten, welche seine Neider ihm bereiteten, setzte er den Bau des prachtvollen Doms, dessen Entwürfe er vielfach veränderte, weiter fort. Während er mit dem Bau der Peterskirche beschäftigt war, entwarf er noch Plän. zu anderen Bauten, so zum Grabmal des Marchese Marignano, zur Porta pia u. anderen Thoren Roms, zur Kirche Maria degli Angeli u. einer Kapelle in S. Maria Maggiore. Auch mehrere Marmorwerke,[463] unter andern die Büste eines Brutus, gingen aus seinen Händen hervor. Er starb am 18. Febr. 1563, noch vor Vollendung des Baues der Peterskirche, ebenso hoch als Mensch geschätzt, wie als Künstler. Seine Gebeine ließ sein Neffe Leonardo B. nach Florenz bringen, wo sie in der Familiengruft zu Sta. Croce beigesetzt wurden. Ein prachtvolles Denkmal mit seiner Büste von Batt. Lorenzi erhebt sich über seiner Ruhestätte. – In der Architektur verfolgte B. den von Bramante eingeschlagenen Weg, ohne jedoch bei der Einfachheit desselben stehen zu bleiben. Er verband verschiedenartige Glieder u. verfiel aus Bedürfniß nach einer reichern Entwickelung aller Theile u. nach Belebung der großen Flächen zuletzt in das Übermaß der Gliederungen. Allein alle seine Anlagen zeigen den hohen auf das Ganze der Kunst gerichteten Sinn u. seine Maße u. Verhältnisse ein edles Gefühl. In der Sculptur tritt, wie in der Malerei, der tiefste Ernst seiner Gesinnung u. die Erhabenheit seiner Darstellung am deutlichsten hervor. Einfach u. großartig, wie sie das tägliche Leben nicht zeigt, sind seine Formen. seine Charaktere sind keine Schilderungen von Individualitäten; u. doch leuchtet aus beiden die tiefste Kenntniß des menschlichen Körpers u. der menschlichen Seele. Werke der Architektur: die Kuppel der Peterskirche in Rom, der Palast Farnese, der der Conservatorien u. des Senators auf dem Capitol, die Kirche Sta. Maria degli Angel aus den Thermen des Diocletian, u. Porta Pia, sämmtlich in Rom. Werke der Sculptur: der David vor dem alten Palast in Florenz; Preta, Marmorgruppe in der Peterskirche zu Rom; Moses an dem Denkmal Julius II. in Sta. Pietro in vincoli zu Rom; die Statuen der Mediceer, dazu Jahres- u. Tageszeiten in S. Lorenzo zu Florenz; Kreuzabnahme im Dom daselbst. Werke der Malerei: heilige Familie, Temperabild in den Uffizien zu Florenz; die Schöpfung der Welt u. des Menschen, die Sibyllen u. Propheten, die Vorfahren Christi, verschiedene Momente der Rettung des Volkes Israel, u. das jüngste Gericht in der Sixtinischen Kapelle; die Bekehrung Pauli u. Kreuzigung Petri in der Paulinischen Kapelle. Vgl. Ascanio Condivi, Vita di Michelang. B., Rom 1553; Quatremère de Quincy, Histoire de Michelang. B., Par. 1835. 2) Michel Angelo, Neffe des Vor., geb. 1568 in Florenz u. gest. 1626. Er schr. die Lustspiele: La Tancia (1615) u. La Fiera (1626), u. gab die Gedichte seines Oheims, Flor. 1623, heraus. 3) Filippo, geb. 1761 in Pisg, ward 1789 als Anhänger der französischen Revolution auf Corsica angestellt, aber bald darauf verbannt. 1793 ging er nach Paris, wo ihm der Nationalconvent das Bürgerrecht ertheilte. Später wurde er mit revolutionären Aufträgen wieder nach Corsica u. Italien geschickt. Nach Robespierres Sturz wurde er jedoch, als dessen vertrauter Freund, ebenfalls gefangen, u. da er nach wiedererlangter Freiheit sich allerlei Umtrieben gegen das Directorium, namentlich der Pantheongesellschaft u. der Verschwörung Baboeuf, anschloß, so wurde er mit zur Deportation verurtheilt, jedoch nur in Frankreich selbst unter Aufsicht gestellt. Während des Consulats, des Kaiserreichs u. der Restauration zog er sich nach Genf u. später nach Brüssel zurück. Hier schrieb er: Conspiration de Baboeuf, Brüssel 1828. Nach der Julirevolution nach Paris zurückgekehrt, lebte er hier in Armuth als Musiklehrer Rémond u. starb 1837 in Paris.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 463-464.
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