Canonici

[638] Canonici, 1) (vordem Clerici regulares), Geistliche, ohne Mönchsgelübde u. Tracht, nur verpflichtet, nach den Canones (d.i. geistlichen Vorschriften u. Regeln) genau zu leben, in ihrem Münster (Brüderhof) täglich zusammenzukommen u. unter Vorsitz des Bischofs Capitel zu halten. Hat ein solches Institut einen Bischofssitz, so heißt es Domcapitel, wo nicht, ein Stift (Collegiatstift), s.u. Domcapitel u. Stift. Das unordentliche Leben u. die häufigen Mißbräuche veranlaßten den Bischof Chrodegang von Metz, in der Mitte des 8. Jahrh., nach den Canones u. Benedicts Regeln seinen Chorherren eine neue Regel in 32 Capiteln zu geben, wonach sie fortan in dem Münster gemeinschaftlich wohnen u. manchem Klosterzwang sich fügen mußten. Alle Chorherren sollten sich dieser Regel unterordnen u. fortan C. regulares (Regulirte Chorherren) heißen; das Lateransche Concil von 1139 wiederholte dies Gebot u. gab für Alle die Regel St. Augustins. Papst Benedict XII. erneuerte 1339 ihre Regeln, verwandelte ihre früher meist rothe Tracht in eine weiße, braune od. schwarze u. schärfte die mönchsartigen Vorschriften: Beten, Fasten, Armuth u. Schweigen. Alles umsonst; sie waren nicht nur schon in viele einzelne Congregationen gespalten, sondern mehr u. mehr stemmte sich das Chorherrnthum, bes. durch Theilnahme des Adels, gegen das gemeinsame Leben u. verrichtete, ohne Befolgung jener Regel, in Allem den Weltgeistlichen gleich, seine gottesdienstlichen Pflichten. Solche Domherren wurden C. seculares genannt. Vielfach artete die Sache in reines Pfründenwesen u. in Versorgungsanstalt für nachgeborene Söhne adeliger Häuser aus, die dann, weltlich in jeder Hinsicht lebend, nur zuweilen den Priesterrock anzogen, um einem Capitel beizuwohnen, eine Messe zu lesen etc., zum künftigen Bischof sich vorzubereiten, ließen sich aber übrigens durch Vicare vertreten. Die regulirten Chorherren halten sich bis heute sehr häufig an gelehrte Studien u. erwerben sich das Verdienst des Lehramts in den Schulen unter bischöflicher [638] Aufsicht. Mönche wollen sie nicht sein, bei allen Festen etc. rangiren sie vor den übrigen regulirten Orden u. die Chorherren vom Lateran genießen vor Allen den Vorrang. Die Protestantische Kirche hat an manchen Orten, der Pfründen wegen, das Domcapitelwesen mit den nöthigen Modificationen beibehalten. Ein Capitel bestand gewöhnlich aus 1 Propst, Dechanten, Scholasticus, Cantor u. Custos (s.d.); in manchen Stiftern theilten sich die C. in: (C. majores C. seniores, C. capitulares, Capitularen), welche die Verwaltung der Einkünfte der Kirche besorgten u. sich seit geraumer Zeit auch das Recht, den jedesmaligen Bischof des Sprengels zu wählen, zu verschaffen wußten; u. C. minores (C. juniores, C. laici, Domicellares), die Exspectanten auf das Recht u. die Einkünfte eines Capitulars; sie wurden es meist durch Einkauf, Stiftung od. Familienverbindung. Außerdem hielten sich die nicht residirenden C. Vicarii, welche ihre Stelle im Kirchendienst versahen. Besondere Bezeichnungen: C. chorales, die zum Chor gehören; C. curiales, die eine Residenzwohnung besitzen; C. non curiales, welche die Anwartschaft darauf haben; C. in herbis (C. honorarii), die zwar Stimmen im Capitel u. einen Platz im Chor, aber noch keine Einkünfte haben; dagegen C. in floribus et fructibus, die bei Sitz u. Stimme im Capitel auch schon die Einkünfte einer Pfründe genießen; C. adjuncti, die beiden Domherren, welche nach dem Tridentiner Concil der Bischof bei jeder richterlichen Untersuchung gegen ein Capitel od. einen Domherrn stets zu Rath ziehen sollte; C. cathedrales, C., die ihre Präbende bei einer Kathedralkirche haben; C. collegiales, die eine Präbende in einer Stiftskirche haben; die in Ritterstiften hießen C. collegiati equestres, die anderen C. coll. insignes u. C. non insignes; C. docentes (Regentes studiorum), seit Papst Alexander III. die Doctoren, die wirklich ein Lehramt verwalteten; C. doctores (C. graduati), akademisch graduirte Personen, welche in canonischen Capiteln aufgenommen werden; C. theologi, die C., welche den Geistlichen an der Kathedralkirche wöchentlich einige Mal die Schrift erklären mußten; 2) (Mus.), Anhänger des Pythagoras, s.u. Canonik.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 638-639.
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