Messe [1]

[164] Messe (v. lat. Missa), 1) sonst der gesammte öffentliche Gottesdienst der Christen, welcher unter Anleitung eines Liturgen, meist des Bischofs selbst, u. unter Beistand mehrer Altardiener (der Ältesten u. Diakonen) in Gegenwart der versammelten Gemeine begangen wurde. Nach dem Beispiele der Apostelgeschichte 2, 41–42 bestand dieser Gottesdienst aus Gebet, Gesang, Vorlesung bestimmter Bibelstücke, einem damit verbundenen Unterrichte, bes. aber aus der Feier des Abendmahls. Das Volk sang auch u. betete mit, beantwortete die Grüße u. Aufforderungen zum Gebete, die an dasselbe ergingen, nach vorgeschriebener Weise, opferte selbst Brod u. Wein auf dem Altar (woraus nachher der 2. Theil der M., das Offertorium, wurde), wovon der Priester so viel erhielt, als zur Feier des von der ganzen Gemeinde gefeierten Abendmahls nöthig war u. das Übrige dem Diakonus zum Aufbewahren übergab. Sehr früh kam durch die Disciplina arcani die Gewohnheit auf u. wurde während der ersten 3 Jahrh. allgemein beobachtet, die öffentlichen Gottesdienste in 2 Haupttheile zu trennen: a) Missacatechumenorum (Katechumenenmesse), welcher außer den Katechumenen auch die Büßenden u. selbst Ungläubige beiwohnen durften u. wo die Epistel u. das Evangelium vorgelesen wurden, worauf jene durch die Worte: Catechumeni exite, missa est (nämlich concio), od. Si quis catechumenorum remanserit, exeat foras! ihre Entlassung (Dimissio, Missio) erhielten, von welcher in der Folge der ganze Gottesdienst den Namen Missa, M., bekam; b) Missa fidelium, wo die Abendmahlsceremonien vorgenommen wurden. Da sich indeß die Anzahl der Gläubigen bedeutend vermehrt hatte u. christliche Gemeinden nicht blos in den größern Städten, sondern selbst in kleinern Ortschaften entstanden waren, so mußte die Verrichtung des Gottesdienstes auch bloßen Priestern übertragen werden, welche denselben im Anfange gleichfalls vor einer ganzen Versammlung u. an dazu bestimmten Tagen, später auch an Werktagen u. oft nur zu ihrer eignen Erbauung, in der Stille, unter dem Beistande eines Altardieners, begingen. So kam, nebst der feierlichen, auch die stille M. (Privatmesse) auf, wo der Unterricht wegblieb, der Priester allein das Abendmahl empfing u. statt der Gemeinde ein einziger Altargehülfe (Meßdiener) an den liturgischen Verrichtungen Theil nahm. Diese Art Gottesdienst wurde zuletzt täglich u. selbst im Angesichte des versammelten Volks verrichtet. Je mehr die Kenntniß der alten Sprachen (der griechischen u. lateinischen), in welchen die Meßordnung abgefaßt war, nach u. nach aus dem Leben schwand, desto weniger konnte das Volk selbst an der feierlichen M. mehr den früheren Antheil nehmen; der Chor der anwesenden Priester u. andere Diener, später der Sänger u. Musiker, vertraten hier seine Stelle, u. bald bestand nur eben darin der einzige Unterschied von Bedeutung zwischen der feierlichen u. der stillen M., nachdem der gemeinsame Genuß des Abendmahls aufgehört hatte u. der Unterricht (die Predigt) aus der M. geschieden u. auf eine eigne Stunde verlegt war. So blieb es bis jetzt, wo die M., welche ein Priester in einem eigenen je nach dem Charakter des Festes weißen, rothen, grünen od. violetten, bei M-n für Verstorbenen in schwarzem Meßgewande hält, aus 4 Haupttheilen: Eingang, Offertorium, Consecration u. Communion[164] besteht. A) Der Eingang (Introitus), auch nach dem Evangelium, was sonst die Hauptsache in der Katechumenenmesse war, Evangelium genannt, beginnt vorbereitend a) mit dem Introïbo, indem der Priester, am Fuße des Altars stehend, nachdem er das Kreuzzeichen über sich gemacht hat, aus Psalm 42,5 betet: Introibo ad altare Dei! worauf der Meßner mit dem Rest des Verses (ad Deum, qui laetificat juventutem meam) antwortet. Dann wird der ganze Psalm wechselsweise vom Priester u. Meßdiener hergesagt (was aber in den Seelmessen u. in der Fasten wegfällt). Es folgt b) das Confiteor, Formel des öffentlichen Schuldbekenntnisses, die mit dem Wort Confiteor beginnt u. vom Priester gebetet wird; dann c) die Absolution (s.d.) u. endlich d) der eigentliche Eingang. In feierlichen M-n mit Gesang singt der Chor den Introitus, sobald der Priester vor den Altar tritt, u. dieser spricht ihn dann laut. Er besteht jetzt aus 2 od. 3 Versen der Bibel, meist aus Psalmen genommen, u. wird nach dem ihm folgenden Gloria patri! wiederholt. B) Das Offertorium od. die Opferung, wo der Priester unter bestimmten stillen Gebeten Brod u. Wein segnet. Bei derselben wäscht er die Hände (s.u. Aquamanile). C) Die Consecration od. Wandlung, s.u. Abendmahl u. Transsubstantiation. Die Gebetsformel, welche der Meßpriester vor, bei u. nach der Consecration verliest, heißt der Canon (Meßcanon). Er fängt nach dem Sanctus mit den Worten an: Te igitur clementissime Pater, zwischen welchen Worten der Priester die Hostie segnet u. weihet, u. endigt mit dem Gebete, welches dem Pater noster vorhergeht. Der Canon ist der Haupttheil der M. u. bleibt in jeder, nur bisweilen mit einer kleinen Abweichung, ganz unverändert. D) Die Communion, s.u. Abendmahl. Die ganze Art der Abhandlung der M. ist in dem Meßbuche (Missale) angegeben. Dasselbe entstand, indem man die einzelnen liturgischen Bücher, deren man sich sonst bei dem feierlichen Gottesdienste bedient hatte, bes. das Orationarium, das Lectionarium, das Evangeliarium, das Antiphonarium, den Canon etc. in ein Ganzes verband. Der größte Theil der Gebete u. Ceremonien bei der M. ist sehr alt u. rührt aus den Zeiten der Päpste Gelasius I. u. Gregorius d. Gr. her. Auf Veranlassung des Tridentinischen Concils verordnete Papst Pius V. 1570 den Gebrauch des unter seiner Leitung verbesserten Meßbuches in der ganzen Römisch-katholischen Kirche, mit Ausnahme derjenigen Gemeinden, die bereits über 2 Jahrh., mit Bewilligung des päpstlichen Stuhls, einen andern Ritus befolgt hatten. Diese Form behielt das römische Meßbuch bis jetzt; neue Ausgaben, Regensb. 1858 (5 verschiedene), u. Frankf. a. M. 1860; denn was in der Folge die Päpste Clemens VII. u. Urban VIII. (der Letztere durch Bellarmin) u. Andern daran abänderten, betrifft fast nur einzelne Ausdrücke u. einige nur hinzugefügte M-n. Das erste gedruckte Meßbuch ist das zu Mailand 1475, Fol., u. Rom 1475. Nach der Schließung des Meßbuches spricht bei der stillen M. der Priester od. singt beim Hochamt der Diakonus in die Mitte des Altars gegen das Volk gewendet: Ite, missa est! womit er die M. beendigt u. die Versammlung entläßt. In der Fasten, im Advent u. an Bußtagen wird statt Ite, missa est! auch Benedicamus Domino, mit der Antwort Deo gratias, bei Seelenmessen Requiescant in pace, mit der Antwort Amen! von dem Priester gesprochen od. vom Diakon gesungen. Im 11. Jahrh. entstand durch Mißbrauch die Missa bi- od. trifaciata, in welcher mehre M-n verschiedener Feste bis zum Canon gelesen wurden (verboten bes. auf dem Concil zu Paris 1212). Eine eigne Art M. ist die M. der vorhergesegneten Brode (Missa praesanctificatorum), wo die blosen Brodesgestalten, ein od. mehre Tage zuvor gesegnet, genossen werden. Sie ist mehr in der Griechischen als in der Lateinischen Kirche gebräuchlich. In jener nämlich wird sie die ganze Fastenzeit hindurch an allen Tagen mit Ausnahme von Samstag u. Sonntag gehalten, nachdem an dem vorherigen Sonntage consecrirt worden ist; in dieser dagegen nur einmal im Jahre, u. zwar am Charfreitage, mehr unter dem Namen der Charfreitagsceremonien als unter dem einer M. bekannt, da ihr zur letztern das Offertorium u. die Consecration fehlen. Die Winkelmessen (Missae privatae et solitariae) werden auf den Nebenaltären gelesen, u. der Priester genießt das Abendmahl dabei allein; sie kommen seit dem 8. Jahrh. vor. Bei der trocknen M. (kahlen M., Schiffsmesse, Missa sicca, M. nautica, weil sie zu Schiffe gehalten wurde), wurden die blosen Meßgebete ohne Opferung u. Consecration gesprochen; jetzt nicht mehr gewöhnlich. Unter einer Ewigen M. versteht man eine M., die an gewissen Tagen im Jahre, gewöhnlich für Verstorbene gestiftet, gelesen wird; unter einer Weihmesse eine solche, wobei od. wodurch die Einweihung von irgend Etwas geschieht. Seelenmesse (Todtenmesse, Todtenamt, Missa pro defunctis), welche für Verstorbene, wenn sie sich noch im Fegfeuer befinden sollten, gewöhnlich in schwarzer Farbe u. unter besondern Gebeten am Sterbetage od. am jährlich wieder kehrenden Sterbetage, od. auch an jedem andern Tage des Jahres gefeiert werden kann; s. Requiem. Nach dem Grade der Feierlichkeit unterscheidet man die feierliche M. (Hochamt), wo der Priester einen Theil der Gebete singt u. von mehren Altardienern assistirt wird, von der stillen od. täglichen u. der gesungenen M., wo zwar vom Priester gesungen u. vom Gesangchor geantwortet, aber alle Feierlichkeit ausgelassen wird.

In der Griechischen Kirche gilt die M. auch als ein Hauptstück des Gottesdienstes u. wird in den Metropolitan- u. bischöflichen Kirchen mit großer Pracht gefeiert. Der Priester bereitet sich dazu schon den Tag vorher durch Beichten, Fasten u. Gebet vor; diese Vorbereitung setzt er des Morgens früh in der Kirche, wohin er mit dem Diakon geht, durch Gebet u. Händewaschen fort, dann ziehen Beide die Meßgewänder unter bestimmten Gebeten an, waschen sich die Hände nochmals u. beschließen so die Vorbereitung. Dann legt der Diakon das Brod auf den Tisch neben den Altar, u. während er Wein u. Wasser in den Kelch gießt, durchsticht der Priester mehrmals das Brod mit dem heiligen Messer (Lancea sacra), schneidet einige Stückchen ab, legt sie in eine Schüssel, deckt dieselbe zu, beräuchert u. segnet sie. Dann entläßt er die Katechumenen, u. nun beginnt die Haupthandlung. Brod u. Wein werden in der Kirche herumgetragen u. auf den Altar gestellt, die Anwesenden beten knieend, Kranke stehen u. liegen in den Gängen. Nun wird der Vorhang vor dem Heiligen zugezogen, der Chor singt das Nikänische Glaubensbekenntniß u. die Einsegnung geschieht.[165] Die Transsubstantiation geschieht unter den Worten des Priesters: Sende deinen heiligen Geist über uns u. diese heiligen Gaben auf dem Altare u. mache dieses Brod zum theuern Leibe Christi u. diesen Wein zum theuern Blute Christi u. verändere sie durch deinen heiligen Geist! Nun reicht er dem Diakon das Abendmahl, indem er ihm einen Bissen Brod u. aus dem Kelche zu trinken gibt, u. genießt es selbst also. Darauf wird der Vorhang geöffnet, der Gemeinde Brod u. Wein gezeigt u. auf die dabei gesprochenen Formeln antwortet die Gemeinde mit Amen! Nachdem die Communicanten sich gegenseitig um Vergebung gebeten haben, treten sie an den Altar u. empfangen von dem Diakon das Abendmahl (s.d.). Nach Beendigung des Abendmahls setzt der Priester dem Diakon die Schüssel mit dem Brode auf den Kopf, welcher sie zum Tische zurückträgt, der Priester selbst trägt den Kelch bis zum Eingange des Chors u. spricht: Jetzt u. immerdar u. in Ewigkeit! worauf die Gemeinde Amen! antwortet. Mit Gebet, Lob u. Danksagung wird die M. geschlossen u. das übriggebliebene Brod unter die, welche nicht communicirt haben, ausgetheilt. Die Protestanten verwerfen die M. im katholischen Sinne, weil sie glauben, daß die Annahme einer wiederholten unblutigen Opferung Christi ohne biblischen Grund sei. Doch wurde die ganze Abendmahlfeier Anfangs auch von den Protestanten noch M. genannt. 2) (Mus.) Die Composition der, während des katholischen Hochamts od. während der eigentlichen kirchlichen M. zu singenden Worte; sie besteht nach Angabe der Textesworte aus a) dem Kyrie eleïson, Christe eleïson; b) dem Gloria in excelsis Deo; c) dem Credo; d) dem Sanctus u. Osianna; e) dem Benedictus; f) dem Agnus Dei u. Dona nobis pacem; u. g) einigen Hymnen. Der eigentliche Kirchengesang, Choral in lateinischer Sprache (Cantus firmus), ist der Gregorianische, vom Papst Gregor d. Gr. (540–604) herrührend, wie er jetzt meistens gesungen wird u. im Meßbuche, dem Kyriale u. Antiphonarium enthalten ist. Die deutschen Lieder sind späteren Ursprungs. Im polyphonen Gesang zeichneten sich im 16 Jahrh. Palästrina (dessen Missa Papae Marcelli) u. Orlando di Lasso in Italien, Jakob Händl u. Leo Haßler in Deutschland aus. Von der ursprünglichen Einfachheit wurde mit der Zeit immer mehr abgewichen, bes. durch die Anwendung der Instrumentalmusik im 17. Jahrh. In diesem Sinne sind die neueren M. componirt von Haydn, Mozart, Beethoven, Sebastian Bach, Cherubini, Rossini, Naumann, Hummel, Eibler, Schuster, Vogler, Winter, Seyfried, Tomascheck, Schneider u.a.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 164-166.
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