Delhi [2]

[816] Delhi (Gesch.). Auf der Stelle, auf welcher das beutige D. steht, stand das Indraprasta (Inderpuk), nach der Sage von Yudischtira gegründet u. Residenz der Pandus (s.d.). Mit dem Falle der Pandus ging ihre Residenz unter. Um 300 v. Chr. wurde D. nach der indischen Sage von einem Radscha gleiches Namens neu gegründet u. zur Residenz erhoben. Die Könige von D. waren nicht unbedeutend u. hatten das Schutzrecht des heiligen Orts Jahnesur. 1011 n. Chr. drang der Sultan Mahmud I. von Ghazna gegen D. vor, schlug den König, plünderte die Stadt u. machte das Land zur Provinz des Gaznavidischen Reiches; doch machten sich die Radschas von D. wieder nach u. nach unabhängig, bis Muhammed, Sultan von Ghuri, 1193 den Radscha Chawud Ray aus D. vertrieb, die Ghuridendynastie gründete u. in D. einen indischen Radscha einsetzte, der ihm tributpflichtig war. Diesen vertrieb der Ghuride Cnttab Eddin Eibek, ein Nabob Muhammed Ghuris, der ihn als Radscha von D. 1206 anerkannte. Mit ihm beginnt die 1. Afghanische (Ghuridische) Dynastie. Cuttabs Sohn, Aram, der ihm folgte, wurde 1211 von seinem Schwager, Sums Eddin Altmish, vertrieben; dieser unterwarf Bengalen, Malwa, Gwalior u.a. Staaten; als er 1236 st., folgte ihm sein Sohn Rokn Eddin Feroze, unter welchem Empörungen ausbrachen, Er räumte den Thron seiner Schwester Ruzia Begum, welche das empörte Reich beruhigte u. die Bersuche der Mongolen, nach D. vorzudringen, vereitelte. Ihre Herrschaft reichte vom Pendschab vis Bengalen. Ruzia wurde 1239 von den Großen, aus Eifersucht auf ihren Günstling Amir el Omrah, einen abyssinischen Sklaven, ermordet, ihr Bruder Beiram solgte, u. nach dessen Ermordung 1241 Ferozes Sohn, Masud, der 1246 wieder entsetzt wurde, worauf sein Oheim Nasr Eddin Mahmud König wurde; unter ihm wurde Ghazni wieder erobert. Sein Nachfolger war 1266 sein Wesir Ghias Eddin Bulbun; 15 mongolische Fürsten suchten bei ihm Schutz, u. mit ihnen kamen viele Große Asiens nach D., dessen Pracht u. Reichthum in großem Maße zugenommen hatte. Auch die Künste u. Wissenschaften blühten an dem Hofr des Königs, welcher 1286 starb u. das Reich seinem Enkel Kei Kobad hinterließ. Dieser wurde 1288 ermordet, u. nach ihm kam die 2. afghanische Dynastie, Gildschi, auf den Thron von D.; der erste derselben war Feroze; sein Neffe Ala Eddin, der zuerst Dekan angriff, ermordete ihn 1295 u. wurde König von D.; 1297–1303 schlug derselbe wiederholt die Mongolen, welche das Reich durch fortwährende Einfälle beunruhigten, u. st. 1316; sein Sohn Mubarik wurde 1321 von dem Usurpator von Malabar, Mullik Khusrow, ermordet. Mit Ghias Eddin Toghluk bestieg 1321 die 3. afghanische Dynastie (Toghluk, eigentlich türkischer Abkunft), nach ihm 1325 sein Sohn Mahomed Toghluk, den Thron von D.; unter diesem drangen die Mongolen 1327 wieder bis vor D., u. der König erkaufte ihren Rückzug mit Geld. Er hob ein ungeheures Heer aus u. zwang seine Unterthanen, Kupfergeld für Silber anzunehmen, um sich die Mittel zur Eroberung China's zu verschaffen, nachdem er fast ganz Dekan unterworfen hatte. Seine Unternehmung (1337) mißlang, u. gleich daran hatte ereine Empörung seines Neffen in Dekan niederzuwerfen. Er verlegte die Residenz von D. nach Devagiri (Daulatabad). Da sich aber der neuen Residenz von den empörten Radschas von Dekan bedroht sah, so sehrte er nach D. zurück. Darauf ging ihm das ganze Dekan u. [816] ein Theil Bengalens verloren. Nach seinem Tode folgte ihm 1351 sein Vetter, Feroze Toghluk, welcher namentlich durch Kanalbauten u. Colonisationen den Wohlstand des Reiches hob. Wegen der fortdauernden Empörungen endlich der Herrschaft überdrüssig, resignirte er 1386 zu Gunsten seines Sohnes Mahommed Toghluk II.; dieser wurde 1388 gestürzt, sein Sohn u. Nachfolger aber, Ghias Eddin Toghluk II., 1389 ermordet; darauf bestieg Mahommed Toghluk II. wieder den Thron u. regierte bis 1394, wo er starb. Die völlige Anarchie, welche nun über das Reich hereinbrach, benutzte der Tartarenfürst Timur, um gegen D. vorzudringen. Er eroberte 1398 die Stadt, plünderte sie u. ließ sie fast bis zum Grunde niederbrennen. Nach Timurs Abzug bemächtigte sich Yekbal D-s, u. nachdem dieser 1405 gestorben war, setzte sich Mahmud auf den Thron, mit dessen Tode 1412 die Dynastie Toghluk endigte. Nach ihm bemächtigte sich Khizr Khan, König von Multan, als Vasall von Timur, des Thrones; unter Syud Mahommed (1435–1445) wurde D. zweimal von Nachbarfürsten belagert; unter dessen Sohne Synd Ala Eddin bestand das Kaiserreich nur noch aus D. u. der Umgegend; 1450 vertrieb ihn Bhcitole Lodi Khan, mit dem die Dynastie Lodi den Thron bestieg; er unterwarf mehrere abgefallene Vasallen; 1488–1517 folgte ihm sein Sohn Sikunder Lodi; dessen Sohn, Ibrahim Lody, reizte durch seinen Übermuth die Statthalter zur Unzufriedenheit; der von Lahore, Dowlaf Khan, lud den König Baber von Kabul zur Rache gegen Ibrahim ein; Baber, ein Enkel Timurs, schlug Ibrahim 20. April 1526 bei Paniput u. bestieg den Thron von D.; er war der erste der Großmoguls, u. D. wurde Anfangs Residenz des Großmogulischen Reichs, s.d. (Gesch.). Die Nachfolger Babers verlegten den Regierungssitz jedoch an andre Orte, u. D. verödete mehr u. mehr, bis 1031 der Schah Jehan Ghir neben den Ruinen der alten Stadt auf dem WUfer der Jumna daz neue D. (nach dem Gründer Schah Jehan-Abad genannt) erbaute u. es zur kaiserlichen Residenz erhob. 1738 besiegte Nadir Schah den Mogul bei D. u. brannte die Stadt nieder; 1755 wurde D. von den Afghanen unter Abdallah geplündert, 1756 von des Kaisers Vezier erobert; 1759 Sieg Achmed Abdallas bei D. über die Mahratten; 1772 wurde D. von den Mahratten vorübergehend erobert; 1803 schlugen die Engländer die Mahratten unter dem Sindia bei D. u. Lord Lake verlangte als Preis für die Rettung des Kaisers Alum die Abtretung des ganzen Landes gegen eine bestimmte Revenue. Dies geschah durch den Vertrag von Serjee-Anjengaum am 30. Decbr. 1803. Seitdem blieben die Engländer, die auch den Nachkommen Alums den Titel u. Rang eines Schahschahi u. D. als Residenz ließen, im Besitze der Stadt u. des Districts, bis 1857 die Empörung der Sepoys ausbrach, für welche D. ein Hauptbollwerk wurde. Nach mehrmonatlicher Belagerung begann am 14. Sept. auf die gut geschützte Stadt, die nach 6 blutigen Tagen vollständig in die Händeder Briten gelangte. Viele Glieder der äußerst zahlreichen Familie des Großmoguls wurden wegen Theilnahme an dem Aufstand hingerichtet u. der Großmogul Mohammed-Behadur (seit 1837 Nachfolger Akbar's, Sohnes von Schah-Alum, der 1806 starb) nach den Andamaneninseln verbannt, s. Indien (Gesch.).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 816-817.
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