[96] Fälschung (lat. Crimen falsi, Falsum, Falsificatio), im Allgemeinen jede böswillige Entstellung der Wahrheit; im engeren Sinne diejenige criminell strafbare Täuschung, welche mittelst Nachbildung eines unechten od. Veränderung eines echten Gegenstandes geschieht, der nach den bestehenden Gesetzen u. der bestehenden Volksmeinung einen besonderen Glauben genießt. Im Römischen Rechte tritt das Crimen falsi als ein besonderes Verbrechen nach der Les Cornelia de falsis zunächst in Bezug auf de Testamente u. Münzzeichen hervor, daher dies Gesetz auch unter dem zweifachen Namen als Lex testamentaria u. L. nummaria vorkommt. In der späteren Zeit aber wurde der Begriff des Falsum durch an dieses Gesetz anschließende Verordnungen u. die römische Praxis auch auf F-en in Betreff anderer Objecte, bezüglich deren der Staat od. die bürgerliche Gesellschaft Wahrheit zu verlangen ein Interesse hat, ausgedehnt, ohne daß dabei gerade immer an eine äußerlich vorgenommene Nachbildung od. Veränderung zu denken ist (die sogen. Quasifalsa). So kommen als Arten der F. im Gemeinen Rechte vor: a) die Münzfälschung; b) die F. von öffentlichen, wie von Privaturkunden; c) falsche Zeugschaft, wenn Jemand vorsätzlich u. wider besseres Wissen vor dem Richter in gesetzlicher Form unwahre Thatsachen od. Erfahrungen (bei Sachverständigen, die in dieser Beziehung den Zeugen gleichstehen) behauptet od. seine eigentliche Wissenschaft voren hält; d) Unterschiebung eines Kindes, welches im frühesten Alter, wo es selbst noch keine Nachrichten von sich geben u. schwer von anderen unterschieden werden kann, für das Kind anderer Eltern ausgegeben wird; e) Maß-, Gewichts- u. Waarenfälschung; f) Grenzfälschung (Crimen termini moti). Neuere Gesetzgebungen haben diese Kategorien noch durch Hervorhebung g) der F. öffentlicher Stempel u. Siegel, h) die F. von Waarenstempeln, Etiquetten u. Fabrikzeichen, i) F. von Echtheitszeichen an Gold- u. Silbersachen vermehrt, während die falsche Zeugschaft u. die Unterschiebung eines Kindes in strengerer Festhaltung des oben angedeuteten charakteristischen Merkmals der F. nicht mehr als F., sondern als besondere Verbrechen aufgeführt werden. Jede F. setzt zu ihrem Thatbestand eine gewinnsüchtige Absicht voraus; eine fahrlässige F. existirt als eine criminell strafbare Handlung nicht. Allein es ist nicht gerade erforderlich, daß der beabsichtigte Gewinn ein pecuniärer u. in bestimmten Summen auszudrückender gewesen sei. Die Vollendung tritt (anders, als bei dem bloßen Betrug, s.d.) nicht erst dann ein, wenn der gewinnsüchtige Zweck wirklich erreicht worden ist, sondern wenn die F. nur schon so weit gediehen ist, daß daraus eine wirkliche Täuschung Anderer entstehen kann, ohne daß es noch in des Thäters Macht liegt, diese Wirkung zu verhindern. Daher müssen aber auch unter dem Begriff eines Versuchs der F. manche Fälle gestellt werden, welche sonst nur als Vorbereitungshandlungen gelten könnten, wie z.B. bei der Münzfälschung schon die Aufertigung der erforderlichen Formen etc. als Versuchshandlung zu betrachten ist. Die Strafe der F. war nach der Lex Cornelia ursprünglich Deportation[96] u. Confiscation des ganzen Vermögens; doch wurde sie später arbiträr. Das heutige Gemeine Recht wendet dafür willkürliche Freiheitsstrafen an. Mildernde Umstände sind vornehmlich Geringfügigkeit od. gänzlicher Mangel eines materiellen Schadens u. mit Rücksicht hierauf die Anwendung solcher Mittel, welche eine Entdeckung leicht machten. In den neueren Gesetzgebungen herrscht große Verschiedenheit. Im Ganzen sind die F-en in ihnen durchgängig mit härterer Strafe bedroht, als die bloßen anderen Betrügereien; unter den F-en werden die Münzfälschung u. hiernächst die F. an öffentlichen Urkunden, überhaupt F-en in Verhältnissen des öffentlichen Rechtes, wie namentlich die von Beamten in ihren Dienstfunctionen verübten, am härtesten bestraft. Dagegen lassen manche Gesetzgebungen bei F-en, welche nur zu dem Zwecke erleichterten Fortkommens an Reisepässen, Wanderbüchern etc. verübt wurden, eine sehr gelinde, zuweilen selbst nur eine polizeiliche Strafe eintreten. In geringeren Fällen ordnen manche Strafgesetzgebungen die Einleitung der Untersuchung auch nur auf Antrag des Verletzten an (s.u. Fabrikzeichen). Außerdem bestimmt sich das Strafmaß nach der Größe des im einzelnen Falle beabsichtigten u. des wirklich erreichten Schadens, wobei nicht selten dieselben Strafabstufungen gemacht werden, wie bei dem Verbrechen des Diebstahls, od. wohl gar auf die Diebstahlsstrafen verwiesen ist. Vgl. von Preuschen, Beiträge zur Lehre vom strafbaren Betrug u. der F., Gieß. 1837; Escher, Die Lehre vom strafrechtlichen Betrug u. der F., Zür. 1840.