Kaninchen

[277] Kaninchen (Lepus cuniculus L.), Art aus der Gattung Hase, halb so groß als der Gemeine Hase; furchtsam, lebt in Erdhöhlen, wirst viermal, in warmen Gegenden sogar 7–8mal des Jahres 4–6 Junge; Fleisch weiß, süßlich Varietäten: a) Wildes K. (L. cun. ferus), 11/2 Fuß lang, 6 Zollhoch u. 4–5 Pfund schwer; graugelblich, mit rostgelbem Fleck auf dem Nacken; Kehle u. Bauch weißlich; Ohrenspitzen schwarz; findet sich überall in Asien, Spanien, Italien, Deutschland, Holland, doch nicht nördlicher. Das K. ist noch scheuer als der Hase. Die K. graben sich Höhlen (Kaninchenbau) in Sand- u. Kalkboden mit verschiedenen Ausgängen u. wohnen da Paar- u. Familienweise. Zur letzten Kammer ist der Eingang so enge, daß der Fuchs nicht durchkann. Das Weibchen hat eine eigene Kammer zum Setzen, welches im März zum ersten Male erfolgt. Sie gehen erst kurz vor Sonnenuntergang aus dem Bau zur Asung aus. Die Jungen sind neun Tage blind u. pflanzen sich schon im achten Monat fort. Sie haben sämmtliche Raubsäugthiere u. Raubvögel, auch die Krähen, zu Feinden. Ist die Verfolgung zu stark, so wandert die ganze Familie aus. Die Kaninchenjagd gehört zur niederen Jagd, ist aber häufig, wo die K. zu vielen Schaden, bes. an Bäumen, anrichten, auf dem Grundeigenthum eines Jeden, auch mit Schlingen, frei gegeben. Man fängt die K. in Hauben (Kaninchenhauben) od. Decknetzen, die vor die Ausgänge ihres Baues gestellt werden, aus dem man die K. durch Schmauchfeuer vor dem Bau treibt, od. schickt Frettchen, am besten von Mitte October bis Ende Februar, in den Bau, Man umstellt den ganzen Bau auch mit Kaninchengarnen (enger als das Hasengarn) u. verstopft die Ausgänge des Baues, welche der angestellte Schütze nicht übersehen kann. Man schießt K. auch auf dem Anstande, Abends od. früh beim Baue od. auf Wechseln; in dickem Holze läßt man sie durch Dachshunde u. Treiber dem Baue zujagen; man hetzt sie mit kleinen Windhunden, indem ein Jäger sich mit Hunden bei dem Baue anstellt, ein anderer die Umgegend mit Hunden durchsucht, u. schießt sie endlich, mit dem Hühnerhund, in Kleefeldern etc. Wegen ihrer behenden Wendungen u. ihres zickzackförmigen Laufes sind sie schwer zu schießen. Ihre Felle werden zu Pelzwerk, die Kaninchenhaare zu Hüten benutzt, das Fleisch gebraten od. als Ragout mit einer Zwiebel- od. sauren Sauce verspeist. b) Zahmes K. (L. cun. domesticus), etwas größer als jenes, fast in allen Farben, mit rothen Augen bei den hellfarbigen, u. grauen od. braunen bei den dunkelfarbigen, kahlen Ohren; setzt jährlich 6–7mal 4–8 Junge, verstopft beim Ausgange das Nest der Jungen mit Erde, daß das Männchen sie nicht verzehre; werden gewöhnlich sehr kirr in Viehställen gehalten schaden aber den Gebäuden durch Wühlen, weshalb man den Boden mit Bretern ausfüttert; werden aber durch Haarabfallen u. Unrath unbequem; besser wohnen sie in eigens dazu gebauten Ställen, mit hölzernen Höhlen, od. in Kaninchenbergen (Erhöhungen in Gärten, Kaninchengärten), wo sie sich selbst Höhlen graben; Fleisch eßbar; Bälge (die besten aus England, Polen, Rußland; am gesuchtesten die schwarzen) geben Pelzwerk; Haare zu Hüten. In der neueren Zeit hat man die Kaninchenzucht sehr vervollkommnet, u. in England sind sogar sogenannte Kaninchenclubs, welche es sich zum Ziele gesetzt, eigenthümliche u. bes. schöne Varietäten, namentlich solche mit langen, herabhängenden Ohren zu erzielen. Der Handel mit K. ist bes. für Flandern sehr wichtig. Jährlich werden mehr als 21 Millionen K. aus den Hauptzuchtgegenden Gent, Enklov, Thiott, Ruysselede enthäutet nach England geschickt. Die Zubereitung u. das Färben der Felle beschäftigt in Gent mehr als 2000 Arbeiter, u. die Ausfuhr der Felle nach Amerika, Frankreich u. Rußland ist sehr bedeutend. c) Das Angorische K. (L. cun. angorensis) ist eine bekannte Abart mit sehr langen, seidenartigen Haaren, weshalb sie auch Seidenhase genannt wird. Sie ist erst seit etwa 60 Jahren nach Deutschland aus England verpflanzt worden, wohin sie aus Angora in Kleinasien gekommen sein sollen, woher auch die langhaarige Angorische Ziege u. Katze stammt. Man kämmt monatlich die 2–3 Zoll langen Haare aus[277] n. macht daraus Futter für Strümpfe, Handschuhe u. dgl.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 277-278.
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