Korfu

[721] Korfu (Korfus, im Alterthum Kerkhra od. Korkyra), 1) die nördlichste u. größte der Ionischen Inseln, 16, 69 QM., vom Ionischen u. Adriatischen Meere umgeben, der Küste von Albanien gegenüber gelegen, von derselben durch den Kanal von K. getrennt, 12 Meilen vom Italienischen Cap Otranto entfernt; gebirgig (Spitze S. Salvador, 1400 Fuß); Busen: z.B. Busen von K., Assiona, Nikolas, viele kleine Gewässer; Vorgebirge: Bianca, Drasti u.a.; Boden in den Thälern fruchtbar an Oliven, Südfrüchten, Feigen (Fraccazzani), Johannisbrod, Wein, Kastanien, Gewürzpflanzen, Eichen u.a. Waldbäumen, u. reich an Gyps, Schwefel etc. Im Jahre 1856: 67, 930 Einwohner; dieselben bauen Getreide, Öl, Wein, treiben Viehzucht (bes. Ziegen) u. Gewerke (Salzschlämmen). Handel (fast ganz in den Händen der Briten) vertreibt Öl, Salz, Liqueure, Töpferwaaren, u. bringt Getreide, Vieh, Kleider ein. Die Korfuoten reden neugriechisch, die Vornehmen italienisch. K. ist Sitz der Regierung der Ionischen Inseln. Eintheilung in die Bezirke Aleschimo, Mezzo, Agirn (bes. fruchtbar), Oros; 2) Hauptstadt u. starke Festung daselbst auf einer Erdzunge am Kanal von K., Sitz der Regierungsbehörden, des Britischen Lordobercommissärs u. eines griechischen Erzbischofs; hat Citadelle mit dem Palaste des Commissärs, Kasernen u. mehre Forts, von denen das auf der Insel Vido, zum Schutz des Hafens, stark ist, andere Forts sind Tenedos, Abraham u. St. Sauveur etc. u. trefflichen Hufen von 80 Fuß Tiefe, von der Citadelle der Insel Vido, der Klippe Conditanissi u. der Lazarethinsel gebildet; weniger gut ist die den Ost- u. Westwinden ausgesetzte Rhede zwischen Vido u. der Citadelle. K. hat 1 katholische Kathedrale, 5 andere katholische Kirchen, die griechische Kathedrale zu St. Spiridion mit den Gebeinen dieses Heiligen, 36 andere griechische Kirchen, unter ihnen die der Maria Spiliotissa; Arsenal, seit 1824 eine Universität von 4 Facultäten (einzige der Republik, mit Bibliothek, Botanischem Garten), die Vorlesungen werden Neugriechisch gehalten, Lyceum. Auf dem Marktplatz Säule als Denkmal des Grafen von Schulenburg, 1716 Vertheidiger der Stadt gegen die Türken. Außerdem hat K. Theater, Ionische Gelehrte Gesellschaft, Gesellschaft für Ackerbau, Handel u. Industrie; Gewerbe keine. Wasser fehlt gänzlich u. wird durch Cisternen u. durch, vom Fluß Potamo herbeigebrachtes Wasser ersetzt; 25,000 Ew.

K., bei den Byzantinern u. Türken Korfus, hieß in ältester Zeit Drepane wegen seiner sichel- od. halbmondförmig gedehnten Gestalt. Mehre Geographen verlegen auch das (von Homer e. dichtete) glückliche Scheria (s.d.) hierher. Später hieß die Insel Korkyra od. Kerkyra, angeblich nach der, von Poseidon hierher geführten Kerkyra, Tochter des Asopos u. der Metone, Mutter des Phäax. Hier soll Medea ihr Beilager mit Jason gehalten haben (s. Argonautenzug), deshalb wurden lange hier jährliche Opferfeste der Medea gefeiert. Im 7. od. 6. Jahrh. legte der Bakchiade Chersikrates eine korinthische Colonie in Kan, u. diese stellte sich frühzeitig der Mutterstadt Korinth als Nebenbuhlerin entgegen Aus dieser Rivalität entstand ein Krieg zwischen K. u. Korinth (Korinthisch-Kerkyräische Krieg), 432 v. Chr., in welchem die Korkyräer mit Athen ein Bündniß, schlossen, aber unglücklich waren; dieses Bündniß war die Veranlassung zum Peloponnesischen Kriege. Während desselben großes Blutbad auf K., in welchem die Demokraten die Aristokraten fast gänzlich ausrotteten. Doch hob sich die aristokratische Partei allmälig wieder. In der Folge wurde K. die Beute illyrischer Stämme aus der benachbarten Küste;[721] im 2. Jahrh. v. Thr. herrschte die illyrische Königin Teuta hier, deren Übermuth die Römer zur Eroberung der Insel herrief. Vergebens versuchte König Philipp von Macedonien sie ihnen zu entreißen. K. wurde zum Theil der Schauplatz des zweiten Macedonischen Krieges gegen Perseus. Hier lag M. Terent. Varro mit dem Geschwader gegen die Seeräuber u. im Bürgerkriege M. Bibulus mit 110 Schiffen, um Cäsars Bewegungen zu beobachten; hier versammelte Cato nach der Schlacht bei Pharsalos den Rest der Patrioten u. bewachte nach der Schlacht bei Philippi Dom. Ahenobarbus mit der Flotte das Ionische Meer. Bei der Theilung des Römischen Reiches kam K. zu dem Oströmischen Reiche, dessen Kaiser es im 11. Jahrh. zweimal an die Normänner verloren, an Bohemund I. u. Roger I.; aber die Insulaner entzogen sich deren Herrschaft wieder, u. bei der Theilung des Byzantinischen Reiches fiel K. den Venetianern zu. Zu Ende des 13 Jahrh. vertheilte es der Doge Ziana an edle Venetianer als Lehen; darauf kam es wieder unter neapolitanischem Schutz, u. Venedig kaufte es 1401 um 30,000 Ducaten von Neapel, nachdem sich K. schon 1385 an die Republik angeschlossen hatte. Als Vormauer gegen die Türken wurde K. nun stark befestigt. 1537 landeten 50,000 Türken auf K., welche die Insel verheerend durchstrichen u. die Festung belagerten, aber nach acht Tagen wieder abziehen mußten. 1717 versuchten die Türken eine neue Landung, aber Graf Schulenburg vertheidigte die Festung tapfer. Seit 1797 theilt sie das Schicksal der Ionischen Inseln (s. Ionische Republik, Gesch.). Vgl. Marmora, Historia di Corfu, Vened. 1674; Quirini, Primordia Corcyrae, Brix. 1738; Andr. Mustoxidi, Illustrazioni Corciresi, Mail. 1811; Goodisson, Hist. and topogr. essay of the islands Corfu, Ithaca etc., Lond. 1822; C. A. Müller, De Corcyraeorum republica, Gött. 1835.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 721-722.
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