[166] Messe. Im Mittelalter versammelten sich in den Städten, wo Kathedralen waren, an Tagen, wo bes. feierliche Messen gelesen wurden, eine große Menge Volks, u. Handelsleute fanden wegen dieses Zusammenflusses daselbst einen guten Markt. Bald wurde daher M. u. Jahrmarkt gleichbedeutend, u. bald überboten die M-n die Jahrmärkte noch an Bedeutsamkeit u. unterschieden sich später auch dadurch von ihnen, daß man die Jahrmärkte, die länger als eine Woche dauerten, u. auf denen nicht blos Verkehr zwischen Kaufleuten, Bürgern u. Landvolk Statt fand, sondern auch Verkehr von Kaufleuten mit Kaufleuten, die oft selbst aus nicht deutschen Ländern herkamen, den Hauptgegenstand ausmachten, M-n nannte, u. in dieser Bedeutung hat sich noch jetzt das Wort erhalten. Die religiöse M. ist jetzt ganz in den Hintergrund getreten, wird auch in den meisten Städten, wo M-n gehalten werden (Meßplätzen) gar nicht mehr gelesen u. nur das Ein- u. Auslauten verräth noch den kirchlichen Ursprung; dafür finden aber besondere Handelsprivilegien Statt, welche diesen Meßplätzen eigens von den Landesherren ertheilt worden sind. Meist bestehen diese Meßfreiheiten darin, daß jeder fremde Kaufmann (Fierant), seine Waaren ohne Rücksicht auf den Zunftzwang der Stadt auslegen u. verkaufen darf; daß Niemand gerichtlich während der M. zur Zahlung angehalten werden kann, es sei denn, daß er sich selbst der Meßfreiheit freiwillig begäbe, od. der beabsichtigten Entweichung verdächtig wäre, od. die Schuld erst während der M. contrahirt habe; daß Niemandes Waaren verkümmert werden können; daß jeder Bürger zur Zeit der M. Gastgerechtigkeit üben darf; ferner in Befreiung von. gewissen Abgaben, Zöllen, Weggeldern u. dgl. Die Meßzeit, d.i. die Dauer einer M., ist bei den größten M-n 23 Wochen, bei den kleinern 11/22 Wochen. Meist hat die M. eine Vorwoche (Böttcherwoche), eine eigentliche Meßwoche u. eine Zahlwoche, wo an einem bestimmten Zahltag (gewöhnlich Donnerstags) alle Zahlungsverbindlichkeiten erfüllt werden müssen. Ungeachtet dieser gesetzlich bestimmten Zeit u. ungeachtet das frühere Auslegen der Waaren u. das Aushängen von Meßfirmen bei Strafe verboten ist, werden doch die wichtigsten, bes. die Geschäfte en gros, schon in der Woche vor der Vorwoche gemacht. Bei kleinern M-n beschränken sich die Vor- u. Zahlwoche auf einige Tage. Die bedeutendsten unter den deutschen M-n sind die zu Leipzig (Neujahr-, Oster- u. Michaelismesse) u. Braunschweig (Lichtmesse u. Laurentiimesse) für den norddeutschen, die zu Frankfurt a. M. (Oster- u. Herbstmesse) für den süddeutschen, u. Frankfurt a. d. O. (Reminiscere-, Margarethen- u. Martinimesse) für den Handel in Polen u. Rußland. Minder bedeutend sind die M. zu Botzen, Breslau, Danzig, Kassel, Kiel (der Umschlag), Lüneburg, München (die Dulten), Offenbach, Triest u. Wien, während die M-n der übrigen deutschen Städte, selbst die früher nicht unbedeutende Naumburgs, mehr Jahrmärkte sind. Unter den außerdeutschen M-n zeichnen sich aus in Italien die M-n von Alessandria, Bergamo u. Sinigaglia; in Frankreich die von Beaucaire u. Lyon; in der Schweiz die von Zurzach; in Ungarn die zu Pesth; in Rußland die zu Nischnei-Nowgorod (sonst zu Makariew); in Polen die zu Warschau u. Kalisch; in der Türkei außer einigen weniger wichtigen die von Usundschowa in Rumelien. Außer Europa sind nennenswerth die von Tonta in Oberägypten, Timbuktu in Centralafrika, Kiachta an der Grenze vom asiatischen Rußland u. China gelegen mit starkem Tauschhandel zwischen beiden Ländern, Irbit in Sibirien, Mekka in Arabien u. Hurdwar in Ostindien. In neuerer Zeit ist den Meßgeschäften durch die Reisenden (s. Reisediener) der verschiedenen Handlungshäuser in vielen Geschäftsfächern Abbruch geschehen, indem jetzt dem Kaufmann die Proben der Waare in das Haus gebracht werden u. dem Käufer dadurch, daß er die bedeutenden Meßspesen (Reisekosten, Abgaben aller Art, Quartiermiethe etc.) ganz ersparen kann, Vortheil erwächst u. viele daher vorziehen, die M-n nicht mehr zu besuchen. Andrerseits haben dagegen die M-n wiederum außerordentlich an Umfang u. Bedeutung dadurch gewonnen, daß in Folge[166] der durch die Maschinenfabrikation vermehrten Production neue Artikel sich in erhöhtem Grade häufen u. die Mode darum rascher wechselt, daß ferner Sendungen von Proben für viele Modeartikel nicht ausreichen u. eine richtige Ansicht nur durch eine Anschauung des Ganzen zu erlangen ist, daß bei den von Jahr zu Jahr zahlreicher u. verschiedenartiger werdenden Artikeln ein Austausch der Ideen nothwendiger ist, als früher, daß eine große Anzahl von Artikeln auf die M. kommen, welche weder durch Reisende, noch in Proben, noch nach Modellen etc. angeboten werden können, daß Viele nur erst durch die M-n eine vollständige Kenntniß der gesammten Artikel für ihre Kundschaft erlangen können, daß auf der M. viele Artikel verkauft werden, welche ohne die M. liegen geblieben sein würden, u. wiederum Käufer unerwartet Artikeln begegnen, die sie mit Vortheil in ihren Geschäftskreis ziehen können, daß in Beziehung auf Mode- u. dgl. Artikel das große Publicum an der Ansicht festhält, nur die die M. besuchenden Händler vermöchten stets das Neueste zu bieten, daß bes. Orientalen viele Bedürfnisse nur auf den europäischen M-n befriedigen können u. daß es endlich für eine große Anzahl von Geschäften, welche zwar keinen directen Vortheil von den M-n haben, doch Ehrensache geworden ist, auf den bedeutenderen M-n zu erscheinen. Eine von dem der übrigen M-n verschiednen Charakter hat die Buchhändlermesse in Leipzig, welche keinen eigentlichen Handel, sondern Feststellung der gegenseitigen Verbindlichkeiten u. Zahlung der im vorhergehenden Jahre erwachsenen Schulden zum Zweck hat. Vgl. Philippi, Beiträge zur Geschichte u. Statistik der deutschen Messen, Frankf. a. d. O. 1857; Falle, Geschichte des deutschen Handels, Lpz. 1859 f.