Lüneburg

[608] Lüneburg, 1) Fürstenthum u. Provinz des Königreichs Hannover, 204 QM., 320.000 Ew. Den größten Theil der Provinz bildet die Lüneburger Heide, eine von Hügelketten hin u. nieder unterbrochene Sandfläche, da, wo sie nicht angebaut ist, mit Heide bedeckt, auch von großen Waldungen u. Mooren durchzogen, theilweise eine wahre Steppe, welche aber durch die Heideblüthe eine starke Bienenzucht möglich macht u. große Heerden kleiner gehörnter, meist schwarzwolliger Schafe (Heidschnucken) ernährt. Wald u. Heide liefern auch viele Heidel-, Preußel-, Erb-, Wacholder- u. andere Beeren, welche zum Theil Gegenstände des Handels sind. An der Elbe ist sehr fruchtbare Marsch, u. auch die Umgebungen der kleineren Gewässer bieten trefflichen Wiesenwachs dar, so wie denn die Heide selbst strichweise den besten Klei- (Lehm-) boden enthält. Die meisten Dörfer sind von großstämmigen Eichen u. Buchen umschattet. Die Bewohner sind weist gutmüthig, bieder, genügsam, sittlich, in der Cultur etwas zurück, wohlhabend, manche reiche[608] Gutsbesitzer; bes. wohlhabend u. reich sind die Marschbewohner; eigentliche Armuth kennt man meist gar nicht. Flüsse: Elbe, mit Jeetze u. Ilmenau, Aller, mit Ocker, Fuse, Örze, Böhme u.a.; an der Elbe ansehnliche Deiche. Man treibt bes. in den Marschgegenden Ackerbau, starke Viehzucht, viel Schafe (besser durch Fleisch als durch Wolle), Rindvieh, schöne Pferde, Bienen; gewinnt Salz, Kalk, Gyps, Thon; das Fabrikwesen hebt sich bedeutend (Harburg, Celle, Lüneburg); der Handel beschränkt sich auf Landesproducte u. wichtigen Transito. L. besitzt eine besondere Landschaft, welche auf dieselbe Art, wie die übrigen Landschaften Hannovers, organisirt ist. Die höchste Justizbehörde des ganzen Landes ist das Oberappellationsgericht in Celle. Vgl. Landtagsabschiede u. andere die Verfassung des Fürstenthums L. betreffende Urkunden, Hannov. 1794; v. Dnves, Versuch über die Landtage od. die landschaftliche Verfassung des Fürstenthums L., ebd. 1795; von Lenthe, Archiv für Geschichte u. Verfassung des Fürstenthums L., Celle 1854 ff. Die Geschichte des Fürstenthums s.u. Hannover; 2) Hauptstadt des Fürstenthums, an der Ilmenau (hier schiffbar) u. der Eisenbahn von Lehrte (Hannover-Braunschweig) nach Harburg (Hamburg), mit Wällen umgeben, aber nicht mehr Festung; Sitz einer Landdrostei, Obergericht, Amtsgericht, Kettenstrafanstalt, 4 Kirchen (Michaeliskirche, mit ehemaligem herzoglichen Begräbniß, sonst mit dem kostbaren, von Gold u. Edelsteinen strotzenden, von Nickel List geraubten Altarstück, die goldene Tasel), Schloß, Rathhaus (Albers Beschreibung des Rathhauses zu L., Lüneb. 1843), Kaufhaus, bedeutende Saline, deren aus drei Quellen kommende Soole ohne Gradirung versotten wird, mit Soda- u. Schwefelsäurefabrik, Soolbäder; vor der Stadt der Kalkberg (180 Fuß hoch, isolirt stehend, Gypsbrüche), außerdem Kalkbrüche; 4 Hospitäler, ehemaliges Kloster St. Michaelis (1655 säcularisirt, 1655 in eine Ritterakademie verwandelt, welche 1851 aufgehoben wurde, jetzt Klosterkammergut), Stadtbibliothek, Eisengießerei, Zuckerfabrik, Plüsch- u. Haartuchfabrik, Spielkartenfabrik etc., Linnenlegge, Handel, Spedition, Schifffahrt auf der Ilmenau u. Elbe (wichtig bes. für Waaren aus dem Süden, die für den Norden, bes. Rußland, bestimmt, auf Lübeck verladen werden); Freimaurerloge, Selene zu den drei Thürmen; 14,500 Ew.–. L. kommt als Burg urkundlich erst im 10. Jahrh. vor, wo Kaiser Otto I. Hermann, Sohn Hermann Billungs, zum Herzog in Sachsen bestellte. Neben der Burg auf dem Kalkberge entstand später die Stadt. 1106 kam L. an die Welfen, welche vom Kaiser Lothar auch das Herzogthum Sachsen erhielten. Durch die Zerstörung der Stadt Bardewik 1189 wuchs L. sehr. 1235 wurde es als einer der beiden Hauptorte der den Nachkommen Heinrichs des Löwen verbliebenen Allode u. bei der Theilung von 1267 als Hauptort der von Johann gestifteten Lüneburgischen Linie betrachtet; die ältere erlosch mit Wilhelm 1369, die mittlere wurde 1409 gegründet, bis 1589 die neuere mit Wilhelm entstand u. später zum Kurfürstenthum u. 1813 zum Königreich Hannover wurde, s. Braunschweig (Gesch.) u. Hannover (Gesch.). L. trat früh zur Hansa. 1371 wurde in einem Streit mit Herzog Magnus die Burg von den Städtern zerstört, die Stadt 1636 von den Schweden genommen u. 1637 wieder geräumt; 1651 das Schloß neu befestigt. 1810 wurde L. zum Westfälischen Departement Niederelbe geschlagen. Her am 2. April 1813 Gefecht zwischen den Franzosen unter General Morand u. den Verbündeten unter Dörnberg; im October 1843 Übungslager des 10. deutschen Armeecorps. Vgl. Manecke, Beschreibung u. Geschichte der Stadt L., Hannov. 1816; Volger, Die merkwürdigsten Begebenheiten des Jahres 1813, Lüneb. 1839; Derselbe, Lüneburger Neujahrs-, Oster- u. Pfingstblätter, 1855–1860 (eine Geschichte der Kirchen, Klöster, Stiftungen etc. der Stadt u. der Umgegend); 3) Grafschaften u. Orte in Nordamerika, s. Lunenburg.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 10. Altenburg 1860, S. 608-609.
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