Pactum

[549] Pactum (lat.), 1) im Allgemeinen jeder Vertrag; 2) nach Römischem Rechte eine formlose vermögensrechtliche Übereinkunft mehrer Personen, welche aber nicht geeignet war, eine klagbare Obligation zu Stande zu bringen, weil ihr die Voraussetzungen eines der nach Civilrecht allein als klagbar anerkannten Contractus (s.d.) abging. Derartige Übereinkommen erzeugten daher anfangs gar keine processalisch geltend zu machende Wirkung, später wurde aber dieser Grundsatz mehrfach durchbrochen. Zunächst wurde allen Pacta durch das Prätorische Recht die Wirkung beigelegt, daß demjenigen, welcher sich darauf berufen konnte, wenigstens eine Einrede wider die gegen ihn erhobene Klage gegeben wurde; später wurde, theils nach Prätorischem, theils nach Civilrecht gewissen Arten der Pacta auch ein Klagrecht beigelegt. Seitdem unterschied man zwischen P. nuda, welchen nur die Wirkung, eine Exception hervorzubringen, beiwohnte, u. sogenannte P. vestīta, bei denen auch eine Klage möglich war. Letztere zerfallen wieder in P. legitĭma, welchen das Klagrecht schon nach älterem Civilrecht, durch Gesetz od. Senatusconsult beigelegt war; P. praetorĭa, welche durch Prätorisches Recht klagbar gemacht wurden, u. P. conventa (P. adjecta), bei denen die Klagbarkeit auf dem durch die Jurisprudenz eingeführten Satze beruhete, daß bei den Negotia bonae fidei (z.B. Kauf, Miethe) die nach dem Willen der Parteien beigefügten besondern Verabredungen mit gleicher Klagbarkeit versehen seien, wie der Hauptvertrag. Nach heutigem Rechte kommt indessen auf den ganzen Unterschied zwischen Contractus u. Pacta Nichts mehr an, indem die ganze Beschränkung der Klagbarkeit auf die Contractus im Deutschen Rechte weggefallen ist, u. jede gewöhnliche Übereinkunft, wenn sie nur sonst ihrem Inhalt nach gültig ist, in allen Fällen eine klagbare Obligation hervorbringt. Von einzelnen Pacten, bei denen der Name als gewöhnlich sich erhalten hat, sind hervorzuheben: P. addictiōnis in diem, der Nebenvertrag, welcher bes. beim Kaufe häufig vorkommt, wodurch verabredet wird, daß der Vertrag rückgängig werden solle, wenn sich innerhalb einer bestimmten Frist ein besserer Contrahent finden würde u. der ursprüngliche Contrahent sich nicht durch Übernahme derselben Bedingungen in dem Vertrage erhalten will; P. antichretĭcum, wenn dem Pfandgläubiger beim Pfandvertrag gestattet wird, statt der Zinsen die Früchte der verpfändeten Sache zu ziehen. P commissorium (Lex commissoria), so v.w. Cassatorische Clausel, sd.; P. confraternitātis, der Erbverbrüderungsvertrag (s.d.); P. de contrahendo, der vorbereitende Vertrag, worin festgestellt wird, daß ein bestimmter Vertrag abgeschlossen werden soll, z.B. P. de mutuo, die Verabredung wegen eines zu gewährenden Darlehns; P. de ingrediendo, der Nebenvertrag, wodurch dem Gläubiger das Recht eingeräumt wird, sich eintretenden Falls auch ohne Klage in den Besitz des Pfandes zu setzen. P. de jurejurando, wenn zwei Parteien sich dahin vereinigen, die Entscheidung eines zwischen ihnen schwebenden Streites von der Ableistung eines außergerichtlich von der einen od. andern Partei zu schwörenden Eides abhängig zu machen. P. de non petendo, das Versprechen, wegen einer Forderung nicht klagen zu wollen. P. de non praestanda evictiōne, die Verabredung beim Kauf wonach der Käufer dem Verkäufer die Verbindlichkeit zur Gewährleistung für den Fall, daß die verkaufte Sache später als eine fremde evincirt werden sollte, erläßt. P. de quota litis, der bei Strafe verbotene Vertrag, wonach der Advocat von der Partei, welcher er dient, statt des Honorars sich einen Theil des Streitgegenstandes bedingt. Gleich verboten ist das P. de palmarĭo, wodurch der Advocat sich neben dem Honorar für den Fall des Sieges noch einen besondern Vortheil versprechen läßt. P. de retroëmendo, der Nebenvertrag beim Kauf, womit der Verkäufer sich verpflichtet, die Sache unter gewissen Bedingungen zurückzukaufen; P. de retrovendendo, wodurch der Käufer sich verpflichtet, dem Verkäufer die Sache zurückzuverkaufen; P. displicentĭae, wodurch einem Contrahenten die willkürliche Aufhebung[549] des Geschäftes für eine gewisse Zeit vorbehalten wird; ist nichts Anderes festgesetzt, so ist die Ausübung auf die Zeit von 60 Tagen beschränkt. P. dotale, so v.w. Ehe-, Heirathsvertrag; P. familiae, Familien-, Hausvertrag; P. protimisĕos, der Vertrag, wodurch der eine Contrahent sich das Vorkaufsrecht bedingt, wenn die Sache weiter verkauft werden sollte; vgl. Näherrecht: P. remissorium, so v.w. Nachlaßvertrag, vgl. Concurs; P. reservati dominii, reservatae hypothecae, wenn sich der Verkäufer, welcher den Kaufpreis creditirt, das Eigenthum der verkauften Sache od. wenigstens eine Hypothek an derselben bis zur Bezahlung des Kaufpreises vorbehält; P. spei, der Vertrag über eine ungewisse Sache, wenn überhaupt deren Existenz, P. rei speratae, wenn blos ihre Quantität u. Qualität in Ungewißheit beruht; P. successorium, so v.w. Erbvertrag, s.u. Erbrecht.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 549-550.
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