Erbrecht

[816] Erbrecht (Rechtsw.), 1) im objectiven Sinne der Inbegriff der gesetzlichen Vorschriften über die Succession in das Vermögen eines Verstorbenen, über die Erwerbung, den Verlust u. die Vertheilung von Erbschaft (Jus hereditarium); 2) im subjectiven Sinne das Recht einer gewissen. Person, in den Nachlaß eines Verstorbenen als Erbe einzutreten (Erbfolgerecht, lat. Jus successionis, Jus succedendi, Hereditas): zuweilen auch 3) rein sachlich der Nachlaß des Verstorbenen selbst, wiewohl dafür mehr der Ausdruck Erbschaft, bei Mehreren der Ausdruck Erbtheil, Erbportion gebräuchlich ist. Der Verstorbene selbst, um dessen Nachlaß es sich handelt, heißt Erblasser (Defunctus), der Succedirende Erbe (Heres), wiewohl dieser Ausdruck im Römischen Recht (s. unten) noch eine beschränktere Bedeutung hat. Bei allen Völkern steht das E. in einer natürlichen Verbindung mit dem Familienrecht. Es ist im Wesen der Familienverbindung selbst begründet, daß den Verwandten, welche mit dem Verstorbenen durch Bande des Bluts verbunden sind, das nächste Anrecht auf die Güter des Verstorbenen eingeräumt wird. Verwandtschaft bildet daher nach allen älteren u. neueren Rechten den nächsten u. ursprünglichsten Erwerbgrund für das E. In Deutschland gab es sogar in der älteren Zeit (Tacit. German., c. 20) kein anderes, als Familienerbrecht. Allein neben dem Familienerbrecht zeigt sich bei den Römern schon sehr frühzeitig auch ein E. auf den Grund eines letzten Willens ausgebildet; das E. durch Testament (Hereditas testamentaria) u. Legat od. Fideicommiß, welches dann nicht allein auf Deutschland überging, sondern auch daselbst noch eine Erweiterung durch das System der Erbverträge (Pacta successoria) erhielt. Auch bei diesen letztwilligen Dispositionen ist jedoch der Einfluß der Familienverbindung von wesentlichem Einfluß geblieben, indem durch die Bestimmungen über die Rechte der Notherben u. Pflichttheilsberechtigten dafür gesorgt ist, daß der Testirende nicht in reiner Willkür u. ohne Grund die nächsten Verwandten ganz übergehe. Über die hierauf bezüglichen Rechtsgrundsätze sind die speciellen Artikel Testament, Legat, Fideicommiß, Vermächtniß, Erbvertrag, Notherbenrecht etc. zu vergleichen. Hier ist über das E. im Allgemeinen u. dasjenige E., welches im Besonderen ohne die Voraussetzung einer letztwilligen Disposition, nach gesetzlicher Vorschrift (Hereditas legitima, ab intestato, Gesetzliches od. Intestaterbrecht) eintritt, Folgendes zu bemerken:

I. Das Römische Recht, welches in der Ausbildung, die es durch Justinian empfing, noch jetzt zugleich auch in dieser Lehre die Gründlage des gemeinen Deutschen Rechtes bildet, geht A) von dem Grundsatz aus, daß das gesammte Vermögen eines Verstorbenen, in so weit es aus Rechten u. Verbindlichkeiten besteht, welche eine von dem Leben der Person unabhängige Dauer haben, fortwährend als Träger der Persönlichkeit des Verstorbenen betrachtet wird, welche dann mit dem Antritte der Erbschaft durch den Erben auf diesen übergeht. Der Erbe tritt daher nicht in die einzelnen Güter u. Rechte des Verstorbenen kraft einer Singularsuccession ein, er ist vielmehr Universalsuccessor (Successor in universum jus defuncti) u. nimmt daher als solcher gleichmäßig Rechte, wie Verbindlichkeiten des Erblassers, ohne daß es für jedes einzelne Stück einer besonderen Erwerbsart bedarf, in sich auf. Nur ein solcher Universalsuccessor heißt Heres (Quasi herus); eine Singularsuccession in einzelne Rechte kann daneben in Folge eines Legatum, Fideicommissum od. einer Donatio mortis causa zwar auch vorkommen, sie setzt aber dabei das Vorhandensein einer Universalsuccession u. eines Heres immer voraus, durch dessen Vermittelung dann meist erst der Übergang des einzelnen Rechtes auf den Bedachten stattfindet. Der Begriff der Universalsuccession hindert aber keineswegs, daß auch mehrere zugleich als Erben neben einander succediren können. Jeder der Miterben (Coheredes) ist dann Universalsuccessor zu seinem entsprechenden Antheil u. wird pro rato Miteigenthümer der Erbschaftssachen, Mitberechtigter bei den Erbschaftsforderungen u. Mitverpflichteter hinsichtlich der Erbschaftsschulden. Wer als alleiniger Erbe succedirt, heißt Heres ex asse (im gewöhnlichen Leben Universaleebe, obwohl dies nach dem eben Bemerkten ein unrichtiger Ausdruck ist):[816] aus Miterben werden die einzelnen aliquoten Theile der Erbschaft quellenmäßig meist nach den 12 Unzen des As (Heres ex uncia, d.i. Erbe zu 1/12 etc.) bezeichnet. Tritt der Erbe unmittelbar an die Stelle des Erblassers, so wird er directer Erbe (Heres directus) u. dessen Erbfolge die directe genannt; erhält er aber die Erbschaft durch einen Anderen ausgeantwortet, welcher rechtlich als eigentlicher Erbe zu gelten hat (Heres fiduciarius), so ist dies eine fideicommissarische Erbfolge u. der Erbe heißt Heres fideicommissarius.

B) Der Erwerb des E-s setzt dreierlei voraus: Erbfähigkeit im Allgemeinen, d.i. die Fähigkeit, eine angefallene Erbschaft zu erwerben; Delation des E-s u. Acquisition desselben. a) Erbunfähig sind nach Römischem Rechte: aa) alle juristischen Personen, ausgenommen die Kirchen u. kirchlichen Institute, die Milden Stiftungen, der Staat u. die Gemeinden, sowie diejenigen Corporationen, welchen durch specielle Concession die Erbfähigkeit verliehen worden ist; bb) von den physischen Personen Abtrünnige u. Ketzer, Söhne eines Hochverräthers, die zu einer Capitalstrafe Verurtheilten u. die Wittwe, welche das Trauerjahr verletzt hat, Letztere jedoch nur in so weit, daß sie als gesetzliche Erbin nur Verwandte bis zum dritten Grade zu beerben fähig ist. In dem heutigen Rechte sind diese Successionsunfähigkeiten gewisser physischer Personen durch Gesetz u. Praxis ganz verschwunden u. nur die Successionsunfähigkeit der juristischen Personen in der früheren Weise stehen geblieben. Die Erbfähigkeit muß schon zur Zeit der Berufung vorhanden sein u. von da an ununterbrochen bis zur wirklichen Erwerbung fortgedauert haben; bei Testamentserben wird dieselbe außerdem auch für die Zeit der Errichtung desselben gefordert.

b) Die Delation ist die Eröffnung der rechtlichen Möglichkeit für eine bestimmte Person, in das Vermögen eines Verstorbenen als Erbe einzutreten. Als Gründe der Delation kennt das Römische Recht aber nur die zwei des Testamentes u. des Gesetzes. Beide Delationsgründe schließen sich dabei gegenseitig aus, so daß Testamentserben u. Intestaterben nicht neben einander deserirt werden kann. Die gesetzliche Erbfolge tritt nur ein, wenn keine Delation aus einem Testament stattfindet, u. wenn daher von mehreren durch Testament berufenen Miterben einer wegfallen od. der Testator nicht Alles im Testament verweilt haben sollte, so fällt der vacante Theil nicht auf die Intestaterben, sondern wächst vielmehr den anderen Testamentserben vermöge des Anwachsungsrechtes (Accrescenzrecht, s.u. Accrescenz) zu. Auch bei der Intestaterbfolge aber kommen nicht alle Personen, welche ein gesetzliches E. haben, zugleich u. ohne Unterschied zur Succession, sondern nach einer durch Gesetz aufgestellten Reihenfolge in verschiedenen Graden u. Ordnungen (Erbfolgeordnung, Ordo succedendi). Diese Erbfolgeordnung war in den verschiedenen Zeiten bei den Römern selbst verschieden bestimmt. Nach dem ältesten Civilrecht, welches auf die 12 Tafeln gestützt wurde, wurden die Erbberechtigten in drei Klassen berufen: a) die sui heredes, d.h. alle Diejenigen, welche zur Todeszeit des Erblassers in der unmittelbaren väterlichen Gewalt od. in der Manus desselben sich befanden u. durch seinen Tod die Selbständigkeit erlangten (sui juris wurden). Waren mehrer solche sui heredes vorhanden, so wurde die Erbschaft nach Stämmen (in stirpes), d.h. so getheilt, daß auf jeden Stamm ein gleicher Theil gerechnet wurde; b) nach den Sui kamen die nächsten Agnaten (Proximus a gnatus familiam habeto), d.h. Diejenigen, welche in der Agnatenfamilie dem Erblasser dem Grade nach am nächsten standen; bei mehreren Gleichnahen erfolgte hier immer die Theilung in capita. d.h. nach Köpfen; c) nach dem Proximus agnatus kamen die Gentiles, d.h. die Mitglieder der Gens, zu welcher die Familia des Verstorbenen gehörte. Diese Erbfolgeordnung wurde aber hierauf durch das Prätorische Edict wesentlich geändert. Die geringe Zahl von Personen, welche nach dem älteren Civilrecht zur Erbschaft gerufen wurden, bedurfte einer Erweiterung. Diese führte der Prätor durch die Bonorum possessio herbei, durch welche er den berufenen Personen zwar nicht das volle E., wohl aber einen mit der Zeit alle wesentlichen Befugnisse des Erben in sich aufnehmenden Besitz der Erbschaft verlieh. Die Berufung fand hierbei nunmehr für die Verlassenschaft eines Freigeborenen in vier Klassen Statt: a) zunächst an die Liberi, worunter jetzt nicht blos die eigentlichen Sui, sondern auch alle Diejenigen begriffen wurden, welche als Sui zu betrachten gewesen sein würden, wenn sie nicht durch Emancipation aus der väterlichen Gewalt des Erblassers herausgetreten wären. Die Vertheilung bei ihnen geschah nach denselben Grundsätzen, wie bei den Sui des Civilrechts, nämlich in stirpes; b) Legitimi, hier wurden alle Diejenigen zur Bonorum possessio gerufen, welche bereits nach Civilrecht als Erben gerufen waren; c) Cognati. d.h. alle Blutsverwandten ohne Rücksicht auf Agnation od. Geschlecht bis zum sechsten Grade u. Aus dem siebenten der Sobrino sobrinave natus. Die Berufung erfolgte hier nach Gradesnähe, u. die Theilung geschah immer nur nach Köpfen; zuletzt d) Vir et uxor, der überlebende Ehegatte. Über die Reihenfolge u. das Verhältniß der einzelnen Klassen bestimmte dabei noch das Successorium edictum, daß jede Bonorum possessio innerhalb einer Frist von 100 Tagen, bei Descendenten u. Ascendenten binnen einem Jahre nachgesucht werden müsse. Geschah das Gesuch in dieser Frist nicht, so ging die Delation zuerst in der nämlichen Klasse auf den zunächst stehenden Grad u. dann erst auf die folgende Klasse über (Successio ordinum et graduum). Stand dieselbe Person in mehreren Klassen, so konnte sie noch immer nach Versäumung der ersten Berufung aus der nachfolgenden Delation eintreten. In der Kaiserzeit wurde dies System der Bonorum possessio immer mehr ausgebildet u. mit dem Systeme der altcivilen Hereditas allmählig verschmolzen, indem durch verschiedene Senatusconsulta u. kaiserliche Constitutionen auch bloßen Cognaten ein civiles Erbrecht eingeräumt u. die Bonorum possessio in ihren Wirkungen dem altcivilen Erbrecht gleichgestellt wurde. Dies geschah bes. für die Mutter gegenüber den Kindern durch das Senatuscons ultum Tertullianum unter Hadrian, wonach der Mutter gleich nach den eigenen Descendenten des verstorbenen Kindes, dem Vater u. den vollbürtigen Brüdern ein civiles E. eingeräumt wurde; u. für die Kinder gegenüber der leiblichen Mutter durch das Senatuscons. Orphitianum unter Marc Aurel u. Commodus, indem hiernach auch umgekehrt die Kinder gegenüber der[817] Mutter u. zwar vor allen Agnaten ein civiles E. erhielten. Endlich wandelte Justinian durch seine Novelle 118 vom Jahre 543 n.Chr., wozu dann in Novelle 127 vom Jahre 547 von ihm noch ein Nachtrag gegeben wurde, die Erbfolgeordnung ganz nach dem Princip der reinen Cognation um. Nach diesen neuesten Gesetzen wird das E. den Blutsverwandten des Erblassers nach einander in folgenden vier Klassen deserirt: a) den Descendenten nach Stämmen, aber ohne weitere Rücksicht auf Gradesnähe; b) den dem Grade nach nächsten Ascendenten, den vollbürtigen Geschwistern u. den Söhnen u. Töchtern der vor verstorbenen vollbürtigen Geschwister des Erblassers; c) den halbbürtigen Geschwistern u. den Kindern solcher verstorbenen halbbürtigen Geschwister; d) allen übrigen Seitenverwandten je nach Gradesnähe. In der letzten Klasse wird dann bei Vorhandensein mehrerer gleichnahen Verwandten die Vertheilung stets nach Köpfen, in der zweiten u. dritten Klasse, wenn nur Geschwister od. Geschwister u. Ascendenten erben, desgleichen, dagegen wenn neben den Ascendenten u. Geschwistern auch Geschwisterkinder od. nur Geschwisterkinder erben, nach Stämmen, endlich wenn blos Ascendenten zur Berufung gelangen, nach Linien (in lineas), d.h. so bewirkt, daß die väterlichen Ascendenten die eine u. die mütterlichen die andere Hälfte des Nachlasses erhalten. In Mangel aller Seitenverwandten kann die Erbschaft zuletzt Auch an den überlebenden Ehegatten u., wenn auch ein solcher nicht vorhanden sein sollte, an gewisse Corporationen, wenn der Verstorbene deren Mitglied war, wie z.B. an gewisse Zünfte, die Regimentskassen, Universität etc., gelangen. Sind aber gar keine erbberechtigten Personen vorhanden, so wird das Vermögen als Bonum vacans (erbloses Gut) dem Fiscus zugesprochen, welcher davon zunächst die etwa aufhaftenden Schulden zu berichtigen hat u. den Rest als sein Eigenthum an sich nehmen darf. Doch muß er dies Recht binnen vier Jahren geltend machen, widrigenfalls das erblose Gut von Jedem an sich genommen werden kann, wer es will.

Nicht schon die Delation, welche für einen Intestaterben mit dem Tode des Erblassers eintritt, gewährt indessen das Recht, die Rechte des Erben auszuüben. Hierzu muß regelmäßig noch c) die Acquisition kommen, welche in einer Handlung des Delaten besteht, durch die er seine Berufung zum Erben annehmen zu wollen erklärt. Nur die necessarii heredes, d.h. die sui heredes u. die eigenen Sklaven des Testators, wenn sie cum libertate instituirt sind, machen hiervon eine Ausnahme, indem sie die Erbschaft ihres Herrn od. Hausvaters ipso jure mit dem Augenblicke der Delation, selbst wider ihr Wissen u. ihren Willen, erwerben. Alle übrigen Erben dagegen (deshalb Heredes voluntarii od. extranei genannt) müssen die Erbschaft entweder durch ausdrückliche Erklärung, früher bei Testamenten mit feierlichen Worten (Cretio), antreten (Hereditatis aditio), od. durch concludente Handlungen (pro herede gestio) ihren diesfallsigen Willen zu erkennen geben. Für die Abgabe dieser Erklärung ist eine bestimmte Zeit nicht festgestellt. Nur muß sie, um wirksam zu sein, nach bereits erfolgter Delation u. durch den berufenen Erben selbst geschehen, indem das aus der Delation gegebene Recht zur Antretung der Erbschaft wenigstens der Regel nach (Ausnahmen bilden die sogenannten Transmissionsfälle, s.u. Transmission) nicht auf die Erbes-Erben übergeht. Außerdem können auch Gläubiger u. Legatare, welche dabei interessirt sind, daß die Entscheidung über den Erwerb der Erbschaft baldigst erfolge, chei der Obrigkeit eine Fristsetzung für den Erben verlangen, od. der berufene Erbe selbst kam sich eine solche (Spatium deliberandi) erbitten, die ihm dann auf neun Monate vom Richter, vom Regenten selbst auf ein Jahr gegeben werden soll, damit er während derselben Einsicht von dem Bestande des Vermögens nehme u. sich dann über Antretung od. Ausschlagung der Erbschaft erkläre.

C) So lange zwar die Erbschaft deserirt, aber noch nicht von einem Erben erworben ist, wird von ihr gesagt, sie liege (Hereditas jacens). Die ruhende Erbmasse wird hierbei durch die Fiction zusammengehalten, daß die Persönlichkeit des Erblassers gewissermaßen als sich in ihr fortsetzend gedacht wird. Die Erbmasse ist daher in so weit selbst zu Erwerbungen u. zu Verpflichtungen fähig; nur solche sind ausgeschlossen, welche eine eigene Willenshandlung erfordern würden, indem es zu einer solchen bei dem Mangel einer physischen Vertreterin der Persönlichkeit natürlich nicht kommen kann. Mit eingetretener Acquisition aber tritt der Delat vollständig in die Persönlichkeit des Erblassers ein. Die Succession wird nunmehr auf den Tod des Erblassers zurückbezogen. Der Erbe erhält alle dinglichen Rechte, wie sie der Erblasser besaß, er tritt activ u. passiv in die Obligationen desselben ein u. mußdarnach, insofern er nicht von dem Beneficium inventarii (s.u. Beneficium) Gebrauch macht, selbst über die Kräfte der Erbschaft hinaus haften. Gegenseitige Verbindlichkeiten, welche zwischen dem Erblasser u. Erben bestanden, erlöschen in Folge der eintretenden Verschmelzung der beiden Persönlichkeiten in Eine. Zum Schutz aller durch die Erbschaftsantretung erworbenen einzelnen Rechte sind dem Erben zunächst alle diejenigen Klagen gegeben, welche auch der Erblasser hatte. Außerdem hat er aber auch noch als eigentliche Erbschaftsklage die Hereditatis petitio, mit welcher er sein E. als solches gegen Dritte geltend machen kann. Die Klage heißt Hereditatis petitio universalis, wenn sie darauf gerichtet ist, daß der Erbe als Alleinerbe anerkannt werde; Hereditatis petitio partiara, wenn sie nur darauf geht, daß der Kläger als Miterbe betrachtet u. ihm die Erbschaft zu seinem betreffenden Theil ausgehändigt werde; ist zugleich mit ihr die Anfechtung eines Testamentes verbunden, so wird sie Hereditatis petitio qualificata genannt. Beklagter ist, wer erbschaftliche Gegenstände entweder pro herede, d.h. mit dem Vorgeben, daß er selbst Erbe sei, od. pro possessore, d.h. ohne irgend einen Grund seines Besitzes angeben zu können, an sich genommen hat. Das Ziel derselben ist, insbesondere in Folge der durch ein Senatusconsultum Juventianum unter Hadrian erlangten näheren Festsetzung, daß der Beklagte nicht blos Alles herauszugeben hat, was er von der Erbschaft in Händen hat, sondern daß er auch jeden Vortheil restituiren muß, welchen er sonst aus dem Besitz der Erbschaft zog. Sind mehrere Miterben vorhanden, so entsteht unter ihnen in Bezug auf das Erbvermögen eine Communion, auf deren Auflösung von jedem Miterben mittelst der Actio familiae erciscundae angetragen[818] werden kann. Zur Erlangung des Besitzes erbschaftlicher Sachen ist das Interdictum quorum bonorum gegeben.

II. Das Deutsche Recht kannte in der älteren Zeit die Idee einer Universalsuccession für die Beerbung eines Verstorbenen durchaus nicht. Die Succession fand nur in die einzelnen Güter des Verstorbenen statt, wobei meist noch zwischen den Liegenschaften u. dem Mobiliarnachlaß unterschieden wurde. Von dem Mobiliarnachlaß fiel die Gerade, d.h. das, was unter der besonderen Obhut u. Verwaltung der Frau stand, an den nächsten weiblichen Verwandten (Niftel); das Heergeräthe aber, wozu man bes. die Ausrüstungsgegenstände (Schwert, Harnisch, das beste Pferd, einen Heerpfühl etc.) rechnete, an den nächsten männlichen Verwandten (Schwertmagen); das Mußtheil, d.i. alle übrig gebliebenen Speisevorräthe, erhielt die überlebende Frau. Die Liegenschaften sammt dem, was zur Bewirthschaftung derselben gehörte, sowie die Forderungsrechte, vererbten dagegen auf die nächsten Blutsverwandten, meist jedoch in der Weise, daß der Mannsstamm (Schwertmagen) vor den Frauen u. den nur in weiblicher Linie Verwandten (Spillmagen) einen, freilich im Einzelnen sehr verschieden geordneten Vorzug hatten. Für die Schulden haftete der Erbe nicht allgemein, sondern immer nur bis zum Betrag des Nachlasses. Der Erwerb der Erbschaft erforderte auch nicht erst besondere Erwerbshandlungen; Delation u. Acquisition waren demnach nicht geschieden, sondern die Erbberechtigung trat sofort mit dem Tode des Erblassers von selbst ein (franz. Le mort saisit le vif, d.h. der Todte erbt den Lebendigen). Alle diese Grundsätze wurden jedoch mit der Verbreitung des Römischen Rechts mehr u. mehr verdrängt. Das alte E. wurde dadurch in seinem innersten Wesen umgestaltet. Mit dem Römischen Recht kamen zugleich die dem früheren Deutschen Recht ganz fremden Testamente; in den Erbverträgen (s.d.) entstand eine ganz neue Schöpfung. Nur in Einzelheiten konnten sich daher die früheren Rechtssätze erhalten, während in den Grundanschauungen überall das Römische Recht obgesiegt hat. Demnach entscheidet sich sowohl A) die Successionsfähigkeit, als auch B) die Successionsordnung für den Intestaterbfall gemeinrechtlich nach Römischen Rechte; allein in den Particularrechten ist die letztere nach den Grundsätzen, welche das Deutsche Recht über Berechnung der Verwandtschaft aufstellt, vielfach modificirt worden. Diese Berechnung gründet sich auf die sogenannte Parentelen- od. Linealgradualfolge, wonach Alle, welche mit dem Erblasser den nächsten gemeinschaftlichen Stammvater haben, den Vorzug vor denen genießen, welche mit dem Verstorbenen gemeinschaftlich von einem entfernteren abstammen, u. innerhalb jeder Parentel die Nähe des Grades entscheidet. Auf diese Grundsätze der deutschen Parentelenordnung ist insbesondere die Successionsordnung des Österreichischen Gesetzbuches gebaut, während das Preußische, sowie auch das Badische Landrecht das Römische Intestaterbrecht nur mit Bezug auf die deutschrechtlichen Grundsätze in einzelnen Bestimmungen modificirt haben. Eine solche Modification bildet namentlich der sogenannte Schooßfall, d.h. die Bestimmung, daß die Eltern, oft auch weitere Ascendenten, alle Seitenverwandten unbedingt ausschließen, sowie die Regel, daß die halbbürtigen Verwandten den vollbürtigen immer um einen Grad nachstehen, od. daß sie doch wenigstens kleinere Theile als die letzteren erhalten. C) In manchen Ländern werden als besondere Bestandtheile des Nachlasses die Güter gesondert, welche der Verstorbene von väterlicher od. mütterlicher Seite geerbt hat, u. es fallen dieselben, wenn die Erbschaft an Seitenverwandte gelangt, wieder an die Linie zurück, aus welcher sie stammen (sogenanntes Fallrecht, Jus recidentiae s. revolutionis). Auch ist das E. der Ehegatten meist im Anschluß an das besondere deutsche eheliche Güterrecht eigenthümlich gestaltet. Nach manchen Landesgesetzen erhält der überlebende Ehegatte gewisse bewegliche Vermögensstücke als sogenanntes Voraus, welche er dann, abgesehen von allen anderen Zuwendungen, als ein ihm gesetzlich gebührendes Präcipuum fordern kann. Nach Andern wird bei kinderloser Ehe dem überlebenden Ehegatten bald der ganze Nachlaß des Verstorbenen (nach der Parömie "längst Leib, längst Gut"), bald nur eine Quote, bei dem Zusammentreffen mit Kindern häufig in einem Kopftheil bestehend, zugesprochen. Diese Quote heißt die statutarische Portion (Portio statutaria), die freilich selbst wieder unter sehr verschiedenen Modalitäten vorkommt. Zuweilen steht dem überlebenden Gatten daran nur ein Nießbrauchsrecht zu, zuweilen hat er, um zum Genuß derselben zu gelangen, auch sein eigenes Vermögen einzuwerfen. Wo die Portion mit dem vollen Eigenthumsrecht gewährt wird, gehen bei einer zweiten Verheirathung nach manchen Landesgesetzen nur die Vortheile des Nießbrauchs, nicht aber auch das einmal erworbene Eigenthum verloren; in anderen dagegen muß alsdann, bes. wenn eheliche Gütergemeinschaft od. Einkindschaft besteht, der zur zweiten Ehe schreitende Gatte vorher eine völlige Abschichtung (s.d.) mit den Kindern erster Ehe vornehmen. Siehe die einzelnen Particularrechte.

D) Hinsichtlich des Erwerbes der Erbschaft hat sich in sehr vielen Particularrechten die ältere deutsche Ansicht: Le mort saisit le vif (s. oben) erhalten, so daß also Delation u. Acquisition, wie bei den römischen Necessarii heredes, zusammenfallen. In Verbindung damit ist dann auch die Haftung des Erben der Regel nach nur auf die Kräfte der Erbschaft beschränkt. Eine besondere Bestimmung ist in den Ländern des Sächsischen Rechtes noch, daß bis zum Ablauf des dreißigsten Tages nach dem Tode des Erblassers, bis zu welchem derselbe gewissermaßen als noch fortlebend betrachtet wird, der Erbe sich aller Einmischungen in die Erbschaft enthalten muß, wofür er dann aber auch gegen alle Klagen der Erbschaftsgläubiger auf so lange gesichert ist.

E) Am reinsten finden sich endlich die Grundsätze des älteren Deutschen Rechtes noch in der Lehnerbfolge u. der besonderen Succession in die Stamm- u. Fideicommißgüter; beide beruhen auf der Anschauung, daß das Erbfolgerecht nicht aus der Verwandtschaft mit dem jedesmaligen letzten Besitzer des Lehn- od. Fideicommißgutes, sondern aus der Abstammung von dem ersten Erwerber desselben als eine Successio ex pacto et providentia majorum herzuleiten ist. Das Nähere s.u. Lehn u. Fideicommiß.

III. Von den erbrechtlichen Grundsätzen anderer Völker kann, da dieselben bisher nur wenig behandelt worden sind, hier nur noch das E. der Inder, [819] Chinesen, Juden u. alten Griechen kurz erwähnt werden. A) Über das E. der Inder erhalten bes. die Gesetze Menu's zahlreiche Vorschriften, die aber, weil sie zum größten Theil mit religiösen Satzungen zusammenhängen, nicht immer als kategorisch verbindend zu betrachten sind. Das Indische Recht kennt hiernach theils eine Intestaterbfolge, theils aber auch, wenigstens bei dem Tode des Hausvaters, eine letztwillige Vertheilung; im ersten Falle sollen die Hinterbliebenen in gemeinschaftlichem Besitze bleiben, so lange die Mutter lebt; nur wenn auch diese verstorben ist, ist es den Söhnen erlaubt, zu einer Theilung zu schreiten, obwohl es für löblicher gehalten wird, daß auch dann noch die Geschwister unter dem ältesten Bruder die Wirthschaft gemeinschaftlich fortführen; wird die Trennung aber beschlossen, so erhält der älteste Bruder den 20. Theil od. die beste Sache des, Nachlasses vorweg. Nach dieser Vorwegnahme geschieht die Theilung zunächst unter den Söhnen, Enkeln u. Urenkeln von Söhnen nach Stämmen, sind nur Enkel od. Urenkel vorhanden, nach Köpfen; nach den Urenkeln erbt die Frau, dann die unverheiratheten Töchter u. Töchtersöhne, nach diesen die nächsten Ascendenten u. Collateralen, die hiernach als näher berechtigt gelten, als die über den Urenkel vom Sohn u. die Töchtersöhne hinausgehende Descendenz. Will aber der Hausvater vor dem Tode selbst vertheilen, so wird zwischen selbsterworbenem u. ererbtem Familiengute insofern unterschieden, als der Vater das erstere immer vertheilen darf, das letztere aber nur dann, wenn er keine Hoffnung mehr hat, noch Kinder zu erhalten. B) Nach dem Rechte der Chinesen ist es dem Hausvater zwar ebenfalls gestattet, einen letzten Willen für seine Nachkommen zu hinterlassen; allein er ist nach dem Gesetzbuch des Ta-tsing-leu-lee gehalten, bei Wahl des Erben sich im Wesentlichen an das gesetzliche feststehende Recht zu halten; dies letztere beruht aber auf möglichst fortgesetzter Gemeinschaft der Familien, so daß auch nach dem Tode des Familienoberhauptes die übrigen Familienglieder in gemeinsamer Wirthschaft bleiben sollen. Das eigenmächtige Auseinandergehen der Einzelnen ist daher mit harten Strafen verpönt. In der Regel übernimmt der älteste Sohn die Leitung, die anderen Geschwister haben ihre Antheile, wenn dennoch schließlich zu einer Trennung geschritten wird, von diesem zu fordern. Zunächst erben dann die Söhne zu gleichen Theilen; Kinder verstorbener Geschwister erhalten den Antheil des Vaters; sind keine Descendenten vorhanden, so geht das E. auf den Vater des Verstorbenen, dann auf die Geschwister u. deren Descendenz über; die Töchter erhalten nie eine eigentliche Erbportion, sondern nur eine Abfindung. C) Das E. der Juden läßt, wenn ein Mann stirbt, zuerst die Söhne erben, so daß der Erstgeborene den doppelten Theil erhält; erst in Ermangelung der Söhne kommen die Töchter an die Reihe; doch sollen solche Erbtöchter immer dann innerhalb des eigenen Stammes heirathen; fehlen Descendenten, so erben die Brüder, u. wenn auch solche nicht existiren, die Brüder des Vaters des Erblassers. Das Vermögen der in der Ehe lebenden Ehefrau erbt allein der Ehemann, mit Ausschluß aller Erben der Frau. D) Von dem Griechischen E. ist nur das der Athenienser näher bekannt; das E. konnte hier sowohl nach Gesetz, als durch letzten Willen erworben werden. Bei der Intestaterbfolge wurden zunächst die Descendenten, leibliche (Gnesiol), wie Adoptivkinder (Poietoi) zu gleichen Theilen berufen; nur Kinder von einem Kebsweib (Nothoi) waren ausgeschlossen; nach ihnen kamen die Collateralerben, zunächst die Brüder von Vatersseite, ihre Kinder u. Kindeskinder, dann die Schwestern u. deren Kinder. Ein E. der Ascendenten kannte das Attische Recht nicht. Die Ernennung eines Erben durch Testament geschah in der Form einer Adoption; allein eine solche Adoption war nur erlaubt, wenn der Testirer keine Söhne hatte; hatte der Testirende Töchter, so konnte er wohl adoptiren, aber er mußte dann den Töchtern doch bestimmte Theile hinterlassen. Abgesehen hiervon stand es aber frei, selbst bei Vorhandensein von erbberechtigten Söhnen, Legate zu machen, welche als einfache Geschenke betrachtet wurden. Solche Legate waren bes. für die Erstgeborenen (Presbeia) u. für die Nothoi (Notheia) gewöhnlich; doch durfte dem Nothos kein Legat hinterlassen werden, welches die Summe von 1000 Drachmen (etwa 250 Thlr.) überstieg. Vgl. Gans, Das E. in weltgeschichtlicher Entwickelung, Berl. 1824–35, 4 Bde.; Mayer, Die Lehre von den; E. nach heutigem römischem Recht, ebd. 1830; Roßhirt, Einleitung in das E. u. Darstellung des ganzen Intestaterbrechtes, Landsh. 1831; Derselbe, Das testamentarische E., Heidelb. 1840, 2 Abtheil.; Hartitzsch, Das E. nach heutigem u. römischem Recht, Lpz. 1827; Hunger, Das römische E., Erl. 1835; Köppen, Die Erbschaft, Berl. 1856; über Particularrechte: Hänsel, Das im Königreich Sachsen geltende E., Lpz. 1837; Witte, Das preußische Intestaterbrecht, ebd. 1838.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 816-820.
Lizenz:
Faksimiles:
816 | 817 | 818 | 819 | 820
Kategorien:

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Geistliche Oden und Lieder

Geistliche Oden und Lieder

Diese »Oden für das Herz« mögen erbaulich auf den Leser wirken und den »Geschmack an der Religion mehren« und die »Herzen in fromme Empfindung« versetzen, wünscht sich der Autor. Gellerts lyrisches Hauptwerk war 1757 ein beachtlicher Publikumserfolg.

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon