[277] Politische Parteien bezeichnen die innerhalb eines Staatsganzen sich praktisch geltend machenden Gegensätze in Beziehung auf mehr od. weniger allgemeine Verhältnisse des politischen Lebens; sie stellen den Antagonismus gleichzeitig vorhandener entgegengesetzter Principien u. Tendenzen innerhalb eines Staates dar. Gleichheit theoretischer Ansichten, so lange sie sich nicht praktisch geltend machen, ist noch nicht Partei, obwohl sie zur Parteibildung führen kann. Ebenso, wo der Gegensatz nur eine untergeordnete Bedeutung für kleinere Kreise hat, od. wo seine Kraft nicht groß genug ist, um praktischen Einfluß auszuüben, bleibt es bei bloßen Factionen, Cliquen etc.; ergreift aber der Parteigegensatz das Ganze des Staats, so daß diesem dadurch eine Veränderung als Ganzes droht od. widerfährt, so wird der Parteikampf Aufstand, Revolution, Bürgerkrieg, u. es können sich dann selbst neue Staaten bilden, wie z.B. beim Abfall der Niederlande von Spanien, der nordamerikanischen Colonien von England. Die Grenzen dessen, was man eine P. P. nennt, sind daher schwankend, u. es hängt oft von dem Verlauf der Ereignisse ab, ob der Antagonismus der Gegensätze hinter dieser Bezeichnung zurückbleibt od. sie überschreitet. P. P. können nicht wohl entstehen, wo nicht eine gewisse Gleichheit der entgegengesetzten Kräfte stattfindet u. die Constitution des Staats eine gewisse Freiheit der Bewegung u. Kraftäußerungen gestattet; despotisch regierte Staaten haben Hofintriguen, Verschwörungen u. Revolutionen, aber keine P. P., u. die Geschichte der Freistaaten ist an ihnen reicher, als die der beschränkten Monarchien. Die Veranlassung der Parteibildung u. die Objecte der Parteibestrebungen sind äußerst mannigfaltig; nicht nur die großen, sich immer wiederholenden Fragen, welche das Ganze der Staatsordnung u. die Interessen der einflußreichen Klassen seiner Mitglieder betreffen, sondern auch mehr vorübergehende Ereignisse u. Umstände können zur Entstehung P-r P. führen; im Laufe der Geschichte haben sie sich bald um die Prätendenten der Staatsgewalt, die Ansprüche einer Dynastie od. bestimmter zu ihr gehörigen Personen, bald um das Unrecht der Machtübung im Staate, bald um die Rechte u. das Verhältniß der einzelnen Stände, bald um die Grundsätze u. Maßregeln der Regierung u. Verwaltung, bald um Fragen des Staatsinteresses u. das Verhältniß des Staates zu andern Staaten gruppirt; auch die religiösen u. confessionellen Gegensätze, in so fern sie sich mit politischen Bestrebungen durchkreuzen u. die Kirchen u. Confessionen innerhalb des Staates auf einen bestimmten Einfluß Anspruch machen, sind Veranlassung dazu gewesen. Das Verderblichste u. Schmachvollste ist, wo P. P. ihre Stützpunkte bei auswärtigen Mächten suchen od. gar in deren Solde arbeiten, wie z.B. im 18. Jahrh. die der »Hüte« u. »Mützen« in Schweden für Frankreich u. Rußland. Das günstigste Verhältniß ist da vorhanden, wo wahrhaft patriotische Grundsätze u. die Durchführung vernünftiger Principien den Mittelpunkt der Parteibestrebungen bilden; aber die Geschichte lehrt, daß dieses Verhältniß nur in verhältnißmäßig seltenen Fällen stattgefunden hat; Leidenschaften aller Art haben sich vielfach in die politischen Parteikämpfe eingemischt u. sind häufig durch den Kampf der P-n P. entzündet u. gesteigert worden. Trotzdem ist das Vorhandensein P-r P., so lange sie nicht die Grundbedingungen des Staats untergraben u. ihn selbst (wie in Polen) der inneren Zerrüttung entgegenführen, Zeichen eines gesunden Staatslebens, u. der Gegensatz von P-n P., welche große u. durchgreifende Principien repräsentieren, wie die Patrizier u. Plebejer in Rom, die Guelfen u. Ghibellinen im Mittelalter, die Whigs u. Tories in England, die nationalen Parteien gegenüber den dynastischen, der Liberalismus u. Constitutionalismus gegenüber dem Conservatismus u. Absolutismus seit der Zeit der ersten Französischen Revolution, sind fähig, größeren historischen Perioden ihren Charakter aufzuprägen. Gewöhnlich haben P. P. bestimmte Parteinamen, welche meist von ihren Tendenzen, bisweilen auch von zufälligen Umständen hergenommen sind; manche derselben, wie z.B. Geusen, Sansculotten (s. b.), sind ursprünglich Spottnamen gewesen, welche die Partei als Ehrennamen acceptirt hat; ferner haben die P-n P. ihre Parteizeichen u. Symbole (sehr häufig bestimmte Farben, oft aber auch Hüte, Bänder, Cocarden, Blumen, Mützen etc.). Insofern die Partei ihren Zweck methodisch zu erreichen sucht, hat sie ihre Parteitaktik; die einflußreichen, an Intelligenz u. Willenskraft hervorragenden Mitglieder derselben sind die Parteiführer. Wird eine Partei unfähig, die Berechtigung der entgegengesetzten Partei anzuerkennen u. deren [277] Gründe unbefangen zu prüfen, so entsteht der Parteigeist; steigert sich derselbe zu dem leidenschaftlichen Bestreben die Gegenpartei um jeden Preis zu vernichten, so wird er Parteihaß u. Parteiwuth. Bisweilen kommen innerhalb derselben Parteien Verschiedenheiten der Ansichten u. Bestrebungen über Nebenpunkte zum Vorschein; die Repräsentanten derselben bilden eine Fraction der Partei; fangen diese Verschiedenheiten an, sich auf wichtige Punkte zu erstrecken, so zerfällt, zersetzt sich die Partei, u. dies findet häufig da statt, wo eine Partei den Sieg errungen hat, od. wo diejenigen ihrer Mitglieder, welche ihre Tendenzen am rücksichtslosesten verfolgen (die Ultras), die Gemäßigteren bedenklich u. zurückhaltend machen. Vgl. W. Wachsmuth, Geschichte der politischen Parteiungen alter u. neuer Zeit, Lpz. 1853 f., 3 Bde.; über die einzelnen P-u P. s. die betreffenden Artikel.
Brockhaus-1911: Politische Verbrechen und Vergehen · Politische Vereine · Politische Ökonomie · Historisch-politische Blätter · Politische Geographie
Herder-1854: Politische Vereine · Politische Verbrechen u. Vergehen · Politische Arithmetik
Meyers-1905: Politische Polizei · Politische Ökonomie · Politische Verse · Politische Verbrechen · Politische Korrespondenz · Historisch-politische Blätter · Abzeichen, politische · Politische Behörden · Politische Arithmetik
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