Septuaginta

[858] Septuaginta (LXX., Alexandrinische Bibelübersetzung), griechische Übersetzung des Alten Testaments durch 72 Dolmetscher in Alexandria gefertigt; nach der Sage soll Demetrios Phalereus, der Bibliothekar der alexandrinischen Bibliothek, den König Ptolemäos Philadelphos gebeten haben für die Bibliothek auch eine Übersetzung des hebräischen Religionsbuchs anzuschaffen. Der König schickte deshalb den Aristeas u. Andreas, zwei Offiziere seiner Leibwache, an den Hohenpriester Eleazar nach Jerusalem mit der Bitte ihm einen Codex u. (72) Schriftgelehrte zu schicken. Diese sollen nun auf der Insel Pharos Wohnung erhalten, sich gemeinschaftlich berathen u. dann dem Demetrios die Übersetzung dictirt haben; in 72 Tagen sei das Werk vollendet gewesen; nach der gewöhnlichen Erzählung aber soll jeder der 72 in ein besonderes Cabinet eingeschlossen, eine Übersetzung für sich gefertigt u. endlich die 72 Übersetzungen wörtlich mit einander übereingestimmt haben. Wieviel an dieser Sage wahr ist, läßt sich nicht ermitteln. Jedenfalls war es für die griechisch redenden Juden in Alexandria, denen das Hebräische allmälig fremd geworden war, ein Bedürfniß die Bibel in einer ihnen geläufigen Sprache zu haben, u. daher wurde wahrscheinlich die S. unter Aufsicht des aus 72 Männern bestehenden Synedriums in Ägypten u. namentlich in Alexandria seit der Zeit des Ptolemäos Philadelphos nach u. nach gefertigt (nach der talmudischen Sage von 5 Afrikanern) Zuerst wurde wohl der Pentateuch übersetzt u. später die anderen Bücher, u. zwar von ganz andern Übersetzern. Am besten sind der Pentateuch, Hiob u. die Sprüchwörter übersetzt; schon von weniger Werth sind Jesaias, die kleinen Propheten u. Psalmen, aber am willkürlichsten der Prophet Daniel, weshalb davon auch von der ältesten Zeit in der Kirche nicht der Text der S., sondern der des Theodotion gebraucht wurde. Den meisten der Übersetzer mangelte außer der ordentlichen Sprach auch die nöthige Sachkenntniß; der Text der S. ist fast ebenso viel Bearbeitung als Übersetzung u. enthält nicht allein im hebräischen Codex nicht befindliche längere selbständige Zusätze zu Daniel u. Esther, sondern auch mehre ganze Bücher, welche theils übersetzt, theils ursprünglich griechisch abgefaßt waren, die sogenannten Apokryphen des A. T. (s.u. Apokryphen 2) a). Dennoch erlangte die S. großes Ansehen. Selbst Josephos u. die Schriftsteller des N. T. citiren fast alle Stellen des A. T. nach der S., u. eben so die alte Griechische Kirche, in welcher Grundtext u. S. gleiches Ansehen hatten. Da jedoch die Kirche in ihrer Polemik gegen die Juden oft durch die S. siegte, so wurden die Juden mißtrauisch gegen die S., u. endlich entwickelte sich ein förmlicher Haß derselben gegen diese Übersetzung, welcher so weit ging, daß man an dem Tag, wo sie gefertigt sein sollte, einen Fasttag feierte u. sie verfluchte. Da mit der Zeit durch Abschreiber Manches verunstaltet u. hinzugekommen, Anderes weggelassen worden war, so unterzog sich Origenes dem Geschäft u. stellte in seiner Hexapla u. Tetrapla die S. mit andern griechischen Übersetzungen u. dem hebräischen Text zusammen (in der Hexapla den hebräischen Text mit hebräischen u. griechischen Buchstaben u. die griechische Übersetzung des Aquila, Symmachos, der LXX u. des Theodotion, in der Tetrapla ohne den hebräischen Text) u. berichtigte[858] sie, aber nur durch Zeichen, nicht durch Änderung, Weglassung u. Zusätze, u. da man wieder in der Hexapla jene Zeichen wegließ, so fing die Verwirrung erst an recht groß zu werden, u. unsere jetzigen Ausgaben sind noch immer nicht sehr berichtigt. Zu den früher bekannten zwei Handschriften, nämlich der Vaticanischen u. Alexandrinischen, sind in neuester Zeit noch hinzugekommen ein pariser Palimpsest aus dem 5. Jahrh. u. der Friderico-Augustanus aus dem 4. Jahrh. von Tischendorf im Orient aufgefunden; Ausgaben: Vened. 1518, Fol., Bas. 1550; von Reineccius, Lpz. 1730; von J. Breitinger, Zür. 1730–1732, 4 Bde.; von J. E. Grabe, Oxf. 1707–20, 4 Thle., Fol. (von einem einem Andern fortgesetzt); von R. Holmes, ebd. 1798–1817, 2 Bde. (unvollendet); von Lambertus Bosius, 2 Bde.; Franecker 1709; L. van Eß u.a.; von Tischendorf, Lpz. 1850. Einzeln: Jeremias, herausgegeben von L. Spohr, Lpz. 1794, u. Daniel (aus der Tetrapla des Origenes) von Simon de Magistris, Rom 1772, von Michaelis, Gött. 1773 u. 1774, von Segaar, Utr. 1775, von Hahn, Lpz. 1845. Hülfsmittel zum Verständniß der Sprache der S. sind Tromms Concordantiae graecae in LXX, Amsterd. 1718, 2 Bde., Fol.; Biel, Novus thesaurus phil. etc., Haag 1779–80, 3 Bde. (herausgegeben von Mutzenbecher), Supplemente dazu von Schleusner (1784), Bretschneider (1805), Kreißig (Schneeberg 1809 ff., 6. Thl.); Schleusner, Novus thesaurus in LXX., Lpz. 1820 f., 5 Bde.; ein Specimen einer neuen Clavis zur S. gab E. G. A. Böckel, Lpz. 1820. Vgl. J. Vossius De LXX interpretibus, Haag 1661; E. Shotanus, De auctoritate LXX, Franecker 1663; H. Owen, An enquiry into the present state of the S. version of the O. T., Lond. 1769; J. F. Fischer, Prolusiones de versionibus graec. V. T., Lpz. 1772; Spittler, De usu versionis alex. apud Josephum, Gött. 1779; Studer, De versionis alex. origine, historia, usu et abusu crit., Bern 1823; J. Frankel, Vorstudien zu der S., Lpz. 1841.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 15. Altenburg 1862, S. 858-859.
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