Gehorsam (Subst.).
1. Aus Gehorsam gegen Gott sind die Mönche zur Herrschaft über die Menschen gekommen. – Klosterspiegel, 62, 24.
2. Das ist trewer gehorsam, der auss lieb vnd nicht auss furcht geschicht. – Lehmann, 249, 18.
3. Ein Gehorsam bringt den andern. – Körte, 1856.
Gehorcht der Fürst dem Gesetz und dem Recht, so wird auch das Volk ihm gehorchen.
4. Es ist ein schlechter gehorsamb, wenn man also gehorsambt, wie ein patient dem Fiber oder der Colic. – Lehmann, 249, 14.
Dän.: En slet lydighed, som naar den syge maa lyde feberen. (Prov. dan., 399.)
5. Gehorsam bringet Gutwilligkeit. – Petri, II, 327.
6. Gehorsam, der an Gottes wort henget, ist aller werck Adel vnd güete. – Henisch, 1701, 21; Petri, II, 327.
7. Gehorsam der Unterthanen macht leicht regieren.
8. Gehorsam gebiert wolfart. – Henisch, 1440, 64; Petri, II, 327.
9. Gehorsam gegen die Zunge schadet der Lunge. – Burckhardt, 403.
Wer seiner Zunge unbedingt folgt, wird sich dadurch manche Unannehmlichkeit zuziehen und viel Aergernisse bereiten, was der Brust, wofür Lunge als ein innerer Theil des Menschen steht, schaden wird.
10. Gehorsam ist aller tugent krone vnd ehre. – Henisch, 1440, 65; Petri, II, 327.
11. Gehorsam ist besser als Opfer. – 1 Sam. 15, 22; Müller, 22, 2; Schulze, 15; Simrock, 3168; Körte, 1855; Henisch, 1440, 66; Petri, II, 327.
Dän.: At lyde er bedre end offer. (Prov. dan., 5182.)
Frz.: Obéissance vaut mieux que sacrifice. (Gaal, 622; Kritzinger, 483; Lendroy, 1344.)
Holl.: Gehoorzamheid is beter dan offerande. (Harrebomée, I, 213.)
It.: Meglio è obbedire che sacrificare. (Pazzaglia, 358, 1; Gaal, 622.)
Lat.: Melior est enim obedientia quam victimae. (Seybold, 398; Faselius, 183; Philippi, II, 58; Schulblatt, 477.)
12. Gehorsam ist das gröste lob der vnterthanen. – Lehmann, 249, 24.
Nämlich der Gehorsam gegen das Gesetz, nicht der blinde. »Ein Mensch, welcher sich verpflichtet, jeder Gewalt blindlings zu gehorchen, ist nicht achtungswürdiger als ein Hund, der aus der Gosse frisst.« (Welt und Zeit, V, 247, 338.) Und Hippel: »Ein Bürger, der auf seinen Willen Verzicht leistet, hört auf ein Mensch zu sein. Ein Volk, das Gehorsam ohne alle Klauseln gelobt, ist kein Volk mehr; es ist lebendig todt.« (A. Ruge, Sämmtliche Werke, Manheim 1848, I, 123.)
Dän.: Lydighed er undersaatternes største lov. (Prov. dan., 399.)
Holl.: Gehoorzaamheid is de eerste pligt van een' soldaat. (Harrebomée, I, 213.)
[1441] 13. Gehorsam ist der Glückseligkeit (Tugend) Mutter. – Lehmann, II, 225, 28.
Nämlich ein vernünftiger Gehorsam; daher nennen die Dänen den Gehorsam ohne Verständniss Thorheit: Lydighed uden forstand er galskab. (Prov. dan., 399.)
Frz.: Obéissance est la mère de félicité. (Kritzinger, 483.)
14. Gehorsam ist des Glückes Mutter (oder: die Mutter der Glückseligkeit).
It.: La perfetta obbedienza è d'ogni bene la semenza. (Pazzaglia, 358, 2.)
15. Gehorsam ist die Grundfeste aller Ordnung. – Graf, 496, 57; Weingarten, I, 215.
16. Gehorsam ist ein zeichen eines löblichen guten regiments. – Lehmann, 248, 1.
Dän.: Lydighed er tegn til godt regimente. (Prov. dan., 399.)
17. Gehorsam macht Freund. – Lehmann, II, 225, 29.
18. Gehorsam macht fromb. – Henisch, 1440, 67; Lehmann, II, 214, 27; Körte, 1857; Simrock, 3169; Venedey, 104.
19. Gehorsam schaffet vil guts. – Henisch, 1440, 68; Petri, II, 327.
20. Gehorsam und Geduld wachsen nicht im Weibergarten. – Sailer, 379; Reinsberg II, 135.
Es ist eine Eigenthümlichkeit der Sprichwörter, das, was manchmal oder oft zutrifft, allemal eintreten zu lassen. Sie lieben runde Ausdrücke, wie Rechner runde Zahlen und Kaufleute runde Summen. Was den Gehorsam der Frauen betrifft, so lässt ein hindostanisches Sprichwort die Frau zum Manne sagen: Schneide mir Nase und Ohren ab, aber von meinen Gewohnheiten lasse ich nicht. (Reinsberg I, 7.)
Dän.: Hvor ingen lydighed er og ingen ære. (Prov. dan., 399.)
21. Gehorsamb der vnterthanen ist der Regenten Kron'. – Lehmann, 249, 22.
22. Gehorsamb, so auss der furcht herrüret, ist vngetrew. – Lehmann, 248, 5.
Dän.: Lydighed af frygt er aldrig troe. – Ret lydighed er af kierlighed. (Prov. dan., 399.)
23. Wo Gehorsam ist, da ist gut Regiment.
Dän.: Hvad magt ei kand, udretter lydighed. (Prov. dan., 399.)
24. Wo kein gehorsam, da ist kein ehr'. – Lehmann, 249, 11.
25. Wo kein Gehorsam ist, kann kein Regiment bestehen. – Graf, 496, 58; Hertius, 14.
*26. In den Gehorsam gehen. (Schles.)
Der Gehorsam heisst nach Adelung an manchen Orten das Verhaftslocal. »Ihr beyde sollet indessen in den Gehorsam gehen.« (Palm, 111, 5.)
27. Gehorsam ist des Christen Schmuck.
Aus Schiller's Kampf mit dem Drachen in den Volksmund übergegangen.
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