1. Alle Herrschaft nimmt einmal ein End'.
Lat.: Nulla potentia longa est. (Ovid.) (Philippi, II, 51.)
2. Die Herrschaft das Fleisch, das Gesinde die Knochen.
Böhm.: Maso pánům, kosti sluhám. (Čelakovský, 378.)
3. Die Herrschaft ist ein lebendiges Gesetz und das Gesetz ist eine stumme Herrschaft.
Wenn es möglich wäre, sagt Luther, sollten Regenten und Hausväter eitel David, Abraham, Salomon, Josua sein. Denn der allerbesten und nützlichen Gesetze recht und wohl brauchen, ist nicht eine geringere Kunst, denn gute Gesetze geben oder machen. Darum haben auch die Heiden gesagt: Magistratus est viva lex, et lex mutus magistratus. (Heuseler, 294.)
4. Die Herrschaft ist ein Wirthshaus, aus dem kommen wenige nüchtern heraus.
»Geld und Gewalt, das ist eine bekannte Erfahrung, berauschen wie starker Branntwein.« (Welt und Zeit, V, 111, 49.)
5. Ein Herrschafl't, die das böss nicht strafft, ist eben so gut, als der es thut. – Lehmann, 729, 34.
6. Herrschaft duldet keine Gemeinschaft.
Lat.: Nulla fides regni sociis. (Lucanus.) (Binder II, 2278.) – Nulla regni societas. (Colum.) (Binder II, 2289.) – Nulla sancta societas nec fides regni est. (Binder II, 2292.) – Omnis potestas impatiens con sortis. (Lucanus.) (Binder II, 2417.) – Summa potestas non patitur plures. (Palingen.) (Kinder II, 3237.)
7. Herrschaft ohne Gnad gilt nicht in Gottes Rath.
Dän.: Naade-løs herskab er skiult for gud. (Prov. dan., 285.)
8. Herrschaft ohne Schutz, Reichthum ohne Nutz; Richter ohne Recht, Lotter1 und Spitzknecht2; Bäume ohne Frucht, Frauen ohne Zucht; Adel ohne Tugend, unverschämte Jugend; hochmüthige Pfaffen, Buben, so nur klaffen; unartig Kind, faul Gesind, geizige Platten3, der ist leicht zu entrathen. – Einfälle, 303; Luther's Tischr., 437.
1) Lotterbuben, d.i. faule, unnütze Buben.
2) Spitzbuben.
3) Mönche = Capite rasi.
9. Herrschaft ohne Verstand hat nicht lange Bestand.
Lat.: Male imperando summum imperium amittetur. (Philippi, I, 237.)
10. Herrschaft ûber Schafe bringt Wolle, aber keine Ehre.
»Je roher und dümmer die Völker sind, je weniger Ehre kommt bei ihrer Beherrschung heraus; denn was wäre für ein Unterschied zwischen dem Gebieter der Pescherähs und einem Viehhirten! Nur derjenige, welcher einem aufgeklärten, freien und tüchtigen Volke gebietet, hat ein Recht stolz auf seine Herrschaft zu sein.« (Welt und Zeit, V, 337, 162.)
11. Herrschaft und Liebschaft dulden keine Gemeinschaft.
Lat.: Nec regna socium ferre, nec taedae sciunt. (Seneca.) (Binder II, 2020.)
12. Herrschaft wird nicht gefunden.
Lat.: Nemo alten concedit imperium volens. (Philippi, II, 13.)
13. Herrschaften haben viel Augen und Ohren. – Simrock, 4670.
14. Herrschaften sind Hemden, die man nur mit der Haut ablegt. – Winckler, III, 91.
15. Ist die Herrschaft zu gelinde, schafft sie schlaff (faul) Gesinde.
16. Je grösser Herrschaft, je grösser Knechtschaft. – Gruter, III, 53; Lehmann, II, 282, 24.
[596] 17. Je reicher die Herrschaften, desto ärmer die Unterthanen. (Wend. Lausitz.)
18. Jede Herrschaft hat eine Grenze (ein Mass, ein Ende).
Daher die Russen: Die Herrschaft über das Meer gibt Gott dem Zar nicht.
19. Keine Herrschaft ist vollkommen. – Simrock, 4671.
20. Neue Herrschaft, neue Lehrzeit. – Simrock, 4668; Körte, 2817.
21. Schlimme Herrschaft hat auch ein End'.
Dän.: Ondt herskab faaer vel ende, men ikke en ond kornmark. (Prov. dan., 285.)
22. Versäumt die Herrschaft Jahr und Tag, so ist ihre Gerechtigkeit aus. – Graf, 124, 344.
Auf Rügen: Versümet de Herrschop Jahr und Dach, die gerechtigkeit diesfalls ist vthe. (Norman, 362, 33.) Drückt die kurze Verjährungsfrist für nicht erhobenen Zehnten aus. Was nach Ablauf eines Jahres nicht geleistet oder erhoben worden ist, soll verfallen sein, sodass bei fortgesetzter Versäumniss zuletzt die Ansprüche wol überhaupt hinfällig werden könnten.
23. Was hilft mir Herrschaft und alle List, wenn doch ein Floh mein Meister ist! – Bacmeister, 53.
24. Wenn die Herrschaft nicht zu Hause ist, halten Hund und Katzen Hof. – Gutzkow, Ritter vom Geist, I, 137.
25. Grosse Herrschaft, grosse Sorge.
Böhm.: Velike panování, velika starost. (Rybička, 336.)
26. Gute Herrschaft zieht gutes Gesinde.
It.: Buon padrone fa buon servo. (Giani, 1230.)
27. Wenig Herrschaft macht grossen Frieden.
Bei Tunnicius (679): Luttik underwinnes maket grôt vrede. (Pauca regens populo atque duci gratissimus omni.)
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