Pilz

1. Bei Pilzen und Dichtern kommen auf einen guten zehn schlechte.


2. Ein Pilz hält nicht wie Filz.Eiselein, 510.


3. Ein Pilz mit hohem Stiel weiss sich viel.

Die Russen: Auch ein Pilz hält sich für eine Palme, wenn er einen hohen Stiel hat. – Der Pilz, der auf dem Ural wächst, nennt sich den Grossvater der Berge. – Der Pilz auf der Spitze des Berges meint, er mache den Berg. – Wenn der Pilz auf dem Maulwurfshaufen wächst, schreit er: Hurrah. (Altmann VI, 483, 506, 486 u. 424.)


4. Es gibt mehr Pilze als Eichen.

Die Russen: Es gibt mehr Grashalme als Aehrenhalme. (Altmann VI, 420.)


5. Es ist nicht jeder Pilz ein Fliegenschwamm.

Die Russen: Es sind nicht alle Pilze Giftpilze. (Altmann V, 124.)


6. Je giftiger der Pilz, je schöner die Kappe.


7. Je schöner der Pilz, desto grösser das Gift. Sprichwörtergarten, 160.

Die Russen: Traue den bunten Pilzen nicht. (Altmann V, 131.) – Schöne Pilze – Giftpilze. – Die schönsten Pilze sind die Giftpilze. (Altmann VI, 497 u. 507.)


8. Man muss die Pilze suchen, wenn sie im Walde wachsen. (Oberschles.)

Man muss die Gelegenheit ergreifen.


9. Nicht jeder Pilz ist essbar.


[1348] 10. Pilze schiessen über Nacht auf.

It.: In una notte nasce il fungo.

Lat.: Fungus una nocte nascitur. (Binder II, 1218; Eiselein, 513.) – Qui nullus hodie, cras erit vel maximus. (Aristophanes.)


11. Pilze und Gäste von drei Tagen sind gleich beliebt dem Magen. (Wend. Lausitz.)


12. Pilze wachsen schneller als Eichen.

Die Russen: Pilze wachsen schneller als Griken (Buchweizen). (Altmann V, 131.)


13. Pilzke êt öck, Pilzke schêt öck; als öck mi ömsach, Pilzke da lag. (Alt-Pillau.)


14. Was wie ein Pilz wächst, das vergeht auch wie ein Pilz.

»Geschlechter, welche wie Sommergewächse sich mit geilem Wuchse erheben, sterben in der Herbstzeit; der nächste Winter verweht ihre Spuren

It.: Presto fatto, presto disfatto. (Pazzaglia, 305, 1.)


15. Was zum Pilz geboren ist, wird keine Ceder.

Wer zum Knechte geboren ist, würde selbst auf dem Throne ein Knecht bleiben.

Böhm.: Tsi-li hřib, lez do krosny. (Čelakovský, 290.)

Poln.: Jeślis grzyb, leźže w kozub. (Čelakovský, 290.)


16. Wenn der Pilz neben der Palme wächst, hält er sie für seine Tante.


17. Wer alle Pilze brät, kann sich leicht vergiften.

Auch russisch Altmann V, 82.


*18. Dai maut enem de Bülten vom Hiärten schuwen. (Iserlohn.) – Woeste, 82, 14.

Der grosse Dieb hilft den kleinen einfangen und lenkt dadurch den Verdacht von sich ab.


*19. Der ist in die Pilze gegangen und sucht Schwämme. (Altenburg.)

Er ist mit Hinterlassung von Schulden durchgebrannt.


*20. Sie hat viel Pilze gegessen.

»Den Weibern ist der Schleyer auch darzu gegeben, damit sie das Maul verbinden müssten, denn sie haben viel Pültze gessen.« (Mathesy, 24a.)


*21. Wie Pilze über Nacht aufschiessen.Eiselein, 513.


[Zusätze und Ergänzungen]

22. Der hat die Pültze gemacht, der andere hat sie verschossen.

Diese Redensart befindet sich als deutsche Randschrift in Zubrodt, Adagia (S. 573) bei dem lateinischen Sprichwort: Hic telam texuit, ille diduxit. Der eine hat es angefangen, der andere hat es vollendet.


23. Kein Pilz gesünder ist, als der geworfen auf den Mist.

Die Polen sagen: Grzyby Miechowicine, um eine äusserst schädliche Sache zu bezeichnen. Der Arzt Miechowita war der Ansicht, man solle Pilze, damit sie nicht schaden, gut ausquetschen, pfeffern und säuern, und wenn sie gut zugerichtet wären, hinter den Zaun hinauswerfen. (Weryha-Darowski, 53.)


24. Nach Pilzen sucht man Lange.

Ein 1875 in Schlesien entstandenes sprichwörtlich gewordenes Wortspiel. Im Februar ging der bei der Direction [1658] der Berlin-Görlitzer Eisenbahn angestellte Kassirer Pilz mit einer grossen Summe davon und wurde steckbrieflich verfolgt. Ende April desselben Jahres ging der Postgehülfe Lange in Muskau ebenfalls unter Mitnahme von Geldbriefen fort und wurde verfolgt. Da sagte der Volksmund: Nach Pilzen sucht man Lange, um sowol auszudrücken, dass das Auffinden des Pilz lange Zeit in Anspruch nehme, als um zu sagen, dass inzwischen ein Zweiter, Namens Lange, gesucht werde. Als man den letztern festgenommen hatte, ohne dass der erstere ergriffen war, sagte der Volksmund: Lange fand man, (aber) Pilzen nicht. (Niederschles. Zeitung, Nr. 105 u. 121.)


*25. Möchte er giftige Pilze schlucken wie Claudius.

Lat.: Boletum, qualem Claudius edit, edas. (Mart.) (Philippi, I, 61.)


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873.
Lizenz:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Raabe, Wilhelm

Der Hungerpastor

Der Hungerpastor

In der Nachfolge Jean Pauls schreibt Wilhelm Raabe 1862 seinen bildungskritisch moralisierenden Roman »Der Hungerpastor«. »Vom Hunger will ich in diesem schönen Buche handeln, von dem, was er bedeutet, was er will und was er vermag.«

340 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon