Zins

1. Alle Zinsen fahren.Graf, 76, 84.

Bezieht sich auf die mittelalterliche Einrichtung, den Brauch der Grundherren, die Lehnsleute zu pünktlicher Zinsenzahlung zu veranlassen, indem die Verabsäumung der Zinsentrichtung durch die Rutscherzinsen geahndet wurde. Der Rutscherzins aber besteht darin, dass mit jedem Tage der Zahlungsverzögerung der Betrag des rückständigen Zinses sich verdoppelt. So oft die Sonne auf- und niedergeht, der Schilling doppelt. (Grimm, Weisthümer, III, 131.)

Mhd.: Alle zinss fharen. (Grimm, Weisthümer, II, 478.)


2. Bringst du Zins, bringst du Geld.Pistor., VIII, 75.


3. Der Eine berechnet die Zinsen, der Andere hat das Kapital.Altmann VI, 393.


4. Hüte dich vor aufgeschwollenen Zinsen, sie essen mit dir täglich aus der Schüssel.

Lat.: Nil est tam pravum, quod ad ullum non valet usum. (Sutor, 649.)


5. Man zahlt Zins, wenn der Bär im Moose liegt.Zeitschrift für germanische Rechtswissenschaft, II, 45.

D.h. erst im Winter oder im Spätherbst, nach dem die Feldfrüchte eingebracht sind, pflegt der Pachtzins abgetragen zu werden.


6. Rauss, was kein Zins geit, sagt der Schwabe, und schneuzt sich in die Hand. (Ulm.) – Birlinger, 565.


7. Wann der Zins versessen ist, wächst er alle Tage auf.Graf, 76, 86.


8. Was bringt mehr Zinsen als ein Pferd, gut gepflegt, und ein Acker, gut gedüngt!


9. Wenn zwei Zinse den dritten berühren, soll das Gotteshaus das Gut an die Hand ziehen. Graf, 76, 90.

Man hatte verschiedene Mittel, den Besitzer eines zinspflichtigen Gutes zur Erfüllung seiner Verpflichtung anzutreiben. Wer den Zins versessen, d.h. zur fälligen Zeit nicht bezahlt hatte, wurde einfach gebüsst. Dies war das mildeste Zwangsmittel. Ein schärferes Verfahren war – und dies ist im obigen Sprichwort gemeint –, dass das Zinsgut, wenn zweimal der Zins rückständig geblieben war, im dritten Jahr an den Grundherrn heimfiel. Der Lehnsmann wurde daraus vertrieben oder abgemeiert.

Mhd.: Vntz daz zwen zins den dritten berührtend, so soll das gotzhus das gut in sin hand siechen. (Blum, I, 46.)


10. Wer den Zins versitzt, verliert den Acker wie verstohlen Gut.Grimm, I, 339; Graf, 53.

Wer dem Grund- oder Schutzherrn nicht leistet, wozu er verpflichtet ist, wird gepfändet und, wenn dies den Zweck nicht erreicht, vom Gute vertrieben.

Lat.: Qui negligit censum perdit agrum. (Pertz, Monumenta Germaniae historica, legg. II, 392.)


[590] 11. Wer seinen Zins nicht zahlt, dem geht das Feld verloren.

Frz.: Qui ne paie son cens, doit perdre son champ. (Cahier, 1309.)


12. Zins hat schnelle Füsse, er läuft auf, ehe man sich umsieht.Simrock, 12122; Körte, 7141.

Gilt besonders von den Geldverhältnissen des Mittelalters, dessen ganze Finanzkunst keine andere war, als ein Uebel durch ein anderes zu heben, und das bei einem Zinsfuss von 10-50 Procent leicht den einzelnen, wie ganze Gemeinden zu Grunde richten konnte. (Vgl. den Aufsatz: Geldverhältnisse und Geldkrisen früherer Zeiten von Joh. Falke in Hausblätter, Stuttgart 1858, 19. Heft.)


13. Zins kann nicht Zins tragen.Graf, 269, 271; Kothing, 265.

Das deutsche Recht gestattete nicht von fälligen, aber noch nicht bezahlten Zinsen wieder Zins zu nehmen; sobald sie bezahlt waren, konnten sie auch an den Schuldner selbst wieder ausgeliehen werden gegen Zins; dann war sie Hauptsumme oder Kapital.


14. Zins und Miethe (Heuer) schlafen nicht. Hollenberg, I, 55; Simrock, 12123; Körte, 7142; Graf, 268, 257.

Sie laufen unausgesetzt fort.

Böhm.: Úroky mají bystré kroky. (Čelakovsky, 274.)

Frz.: A veine toulieu croit comme enragée. (Toulieu, impôt, redevance, avoine de redevance.) (Leroux, I, 38.)

Lat.: Citius usura currit, quam Heraclitus. (Faselius, 45.)


15. Zins und Zoll der Teufel hol!Schweiz, I, 192, 114.


16. Zinsen ässen mit aus der Schissel. (Waldeck.) – Curtze, 366, 640.


17. Zinsen fordern Hauptgeld.

Dän.: Rente ud kræver hoved-stoil. (Prov. dan., 472.)


18. Zinss frisst ein wie der Brand.Petri, II, 821.

Dän.: Rente er en gnavendes orm. (Prov. dan., 472.)


19. Zinss ist ein Holtzwurm.Lehmann, 913, 6.


20. Zinss ist ein nagender Krebs.Lehmann, 913, 6.


21. Zinss macht alt – jung.Gruter, I, 88; Petri, II, 821; Simrock, 12121.

Lat.: Prosperitas rerum series longinqua dierum.


22. Zinss schlefft nicht.Petri, II, 821.

Dän.: Renten groer og vaager, mens visove. (Prov. dan., 472.)


*23. Für Zinsen1 Wasser trugen. (Warschau.)

1) Jüdisch-deutsch: Var Rewuchîm. Wenn der Erfolg einer Sache den Opfern nicht entspricht.


*24. Von den Zinsen seiner Schulden leben.Altmann VI, 518.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 5. Leipzig 1880, Sp. 590-591.
Lizenz:
Faksimiles:
590 | 591
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Die Mappe meines Urgroßvaters

Die Mappe meines Urgroßvaters

Der Erzähler findet das Tagebuch seines Urgroßvaters, der sich als Arzt im böhmischen Hinterland niedergelassen hatte und nach einem gescheiterten Selbstmordversuch begann, dieses Tagebuch zu schreiben. Stifter arbeitete gut zwei Jahrzehnte an dieser Erzählung, die er sein »Lieblingskind« nannte.

156 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon