Beugung des Lichtes

[777] Beugung des Lichtes (Diffraktion, Inflexion), die zuerst von Grimaldi 1665 beobachtete, von Fresnel und Fraunhofer genauer studierte seitliche Ablenkung des durch schmale Spalten hindurchgehenden Lichtes, die sich in gleicher Weise bei dunkeln Wärmestrahlen und chemischen Strahlen sowie bei Hertzschen elektrischen Strahlen zeigt. Man beobachtet Beugungserscheinungen, wenn man blinzelnd nach einer etwas entfernten Kerzenflamme blickt, oder wenn man das helle Spiegelbildchen der Sonne auf einem Uhrglas durch die Fahne einer Sperlingsfeder betrachtet. Läßt man die durch eine schmale, lotrechte Öffnung mittels eines Spiegels ins dunkle Zimmer gelenkten Sonnenstrahlen durch einen engen Spalt gehen und fängt sie hinter diesem auf einem etwas entfernten Schirm auf, so erblickt man, falls die Öffnung mit einem roten Glas bedeckt wurde, auf dem Schirm zu beiden Seiten des hellen Lichtstreifens, der in der geradlinigen Richtung der einfallenden Strahlen sich zeigt, je eine Reihe abwechselnd schwarzer und heller Streifen (Fig. 1), welch letztere nach außenhin an Lichtstärke rasch abnehmen. Alle Punkte des Wellenstückes a c (Fig. 2), das, von der Öffnung im Fensterladen AB kommend, den Spalt ausfüllt, befinden sich in gleichem Schwingungszustand.

Fig. 1. Beugungsbild eines engen Spaltes.
Fig. 1. Beugungsbild eines engen Spaltes.

Jeder Punkt ist wieder als Ursprung einer Welle anzusehen, die sich um ihn hinter dem Spalt nach allen Seiten ausbreitet (Huygenssches Prinzip, s. Wellenbewegung), oder als Ausgangspunkt von Strahlen, die nach allen Richtungen von ihm ausstrahlen. Die seitliche Ausbreitung des Lichtes auf dem Schirm erklärt sich also unmittelbar aus dem Wesen der Wellenbewegung. Diejenigen unter diesen Strahlen (am, cn), welche die Fortsetzung der einfallenden Strahlen (xa, x'c) bilden, befinden sich wie diese in gleichen Schwingungszuständen; sie werden daher auf dem entfernten Schirm, wo sie alle gleichzeitig mit ihren Wellenbergen oder gleichzeitig mit ihren Wellentälern zusammentreffen, sich gegenseitig in ihrer Wirkung unterstützen und die erhöhte Lichtstärke in der Mitte des Beugungsbildes erzeugen. Betrachten wir dagegen das gebeugte Strahlenbündel a a', c e´, das nach einem seitlich gelegenen Punkte des entfernten Schirmes hinzielt, so haben die Strahlen desselben (man kann sie, weil dieser Punkt im Verhältnis zu der geringen Breite des Spaltes sehr weit entfernt ist, als unter sich nahezu parallel ansehen) von dem Wellenstück a c bis zum Schirmpunkt verschiedene Wege zurückzulegen und können daher dort nicht mit gleichen Schwingungszuständen anlangen.

Fig. 2. Erklärung der Beugung.
Fig. 2. Erklärung der Beugung.

Zieht man von c aus die Linie c d' senkrecht zum Strahl aa´, sa ist a d' die Strecke, um die der Randstrahl a a' hinter dem Randstrahl c c´ zurückbleibt. Beträgt nun dieser »Gangunterschied« a d' eine ganze Wellenlänge, so ist der mittlere Strahl b b´ des Bündels gegen den Strahl c e´ um eine halbe Wellenlänge b d verzögert; er erzeugt daher in dem Schirmpunkt ein Wellental, wenn dieser einen Wellenberg erzeugt, und umgekehrt. Diese beiden Strahlen befinden sich also vermöge ihres Gangunterschiedes von einer halben Wellenlänge in gerade entgegengesetzten Bewegungszuständen und heben ihre Wirkung gegenseitig auf; überhaupt läßt sich zu jedem [777] Strahl, welcher der Hälfte b c des Bündels angehört, in der andern Hälfte ab ein entsprechender Strahl finden, der gegen jenen um eine halbe Wellenlänge zurück ist. Die Strahlen dieses Bündels vernichten sich also paarweise, und an der Stelle des Schirmes, wo dieses Bündel hintrifft, muß Dunkelheit herrschen Beträgt für ein noch schrägeres Strahlenbündel, das nach einem noch weiter seitwärts gelegenen Punkte des Schirmes hingeht, der Gangunterschied der Randstrahlen zwei ganze Wellenlängen, so kann man das Bündel in zwei Hälften ab und bc geteilt denken, deren Randstrahlen je um eine ganze Wellenlänge verschieden sind, und die daher jede für sich verschwinden. So fortschließend, erkennt man, daß dunkle Streifen an allen jenen Stellen des Schirmes auftreten, für die der Gangunterschied der Randstrahlen einer Anzahl ganzer Wellenlängen gleich ist. An den dazwischenliegenden Stellen aber, für die der Unterschied der Randstrahlen ein andrer ist, werden sich die Strahlen nicht vollständig auslöschen können; zwischen den dunkeln Streifen erscheinen daher helle Rechtecke, deren Lichtstärke nach außenhin freilich rasch abnimmt. Läßt man weißes Licht durch die Öffnung des Fensterladens eintreten, so zeigt sich auf dem Schirm zu beiden Seiten der weißen Mitte eine Reihe von vielfarbigen Bändern, die durch lichtschwächere, ebenfalls gefärbte Streifen voneinander getrennt sind.

Fig. 3. Entstehung der Gitterspektra.
Fig. 3. Entstehung der Gitterspektra.

Macht man den Spalt nach und nach weiter, so werden die nämlichen Gangunterschiede bei immer kleinern Neigungen der gebeugten Strahlen eintreten, die Streifen rücken immer enger zusammen, bis sie endlich so sein werden, daß sie der Wahrnehmung verschwinden. Man muß daher, um Beugungserscheinungen wahrzunehmen, stets sehr enge Öffnungen anwenden; die Bilder sind je nach der Form der Öffnung mannigfach gestaltet und häufig von bewundernswerter Zierlichkeit. Betrachtet man z. B. durch eine rautenförmige Öffnung das glänzende Sonnenbildchen auf einem polierten Metallknopf, so erblickt man ein aus Rauten, die in den Regenbogenfarben erglänzen, zusammengesetztes schiefes Kreuz. Ist die Öffnung kreisrund, so sieht man ein von mehreren farbigen Ringen umgebenes Lichtscheibchen. Durch eine dreieckige Öffnung erblickt man einen sechsstrahligen Stern, in dessen Winkeln viele kleine Lichtbildchen flimmern, etc.

Die prachtvollsten Beugungserscheinungen liefern Gitter, die eine große Reihe paralleler schmaler Spalte enthalten. Diese erzeugt man, indem man seine Drähte in einem Rähmchen in gleichen Abständen nebeneinander spannt (Drahtgitter), oder auf einer berußten Glasplatte mit der Teilmaschine seine parallele Streifen zieht (Rußgitter), oder die Striche mit einem Diamanten auf eine Glasplatte ritzt (Glasgitter). Fällt auf ein solches Gitter einfaches Licht, z. B. rotes, das vorher durch einen Spalt gegangen ist, so wird eine hinter dem Gitter aufgestellte Sammellinse die geradeswegs durch seine Spalten gedrungenen Strahlen auf einem in geeigneter Entfernung angebrachten Schirm zu einem schmalen Bild O O (Fig. 3) des Spaltes vereinigen. Die Strahlen haben bis zum Bild O O alle den gleichen Weg zurückzulegen und treffen daselbst ohne Gangunterschied zusammen. Die gebeugten Strahlen bestehen, für jede Beugungsrichtung, aus ebenso vielen unter sich gleichen Strahlenbündeln, als Öffnungen im Gitter vorhanden sind; je zwei benachbarte Bündel haben unter sich einen um so größern Gangunterschied, je größer ihre Abweichung von den direkten Strahlen ist, oder je weiter die Stelle des Schirmes, wo alle zu dieser Richtung gehörigen Strahlen vereinigt werden, von der Mitte O O absteht. Nun muß es eine gewisse Beugungsrichtung geben, für die der Gangunterschied je zweier Nachbarbündel eine ganze Wellenlänge des roten Lichtes beträgt. In dieser Richtung müssen sich daher sämtliche Bündel gegenseitig verstärken, und an der entsprechenden Stelle des Schirmes wird ein schmales rotes Spaltbild R auftreten. Entfernt man sich aber nur sehr wenig aus dieser Richtung, so müssen sich, wenn das Gitter hinlänglich viele Striche enthält, sämtliche Strahlenbündel bei ihrer Vereinigung gegenseitig vernichten. Denn nimmt z. B. bei einem Gitter von 100 Strichen der Beugungswinkel nur um so viel zu, daß das erste Bündel um 1+1/100 Wellenlänge gegen das zweite verzögert ist, so bleibt es gegen das dritte um 2+2/100, gegen das vierte um 3+3/100 etc., gegen das 51 um 50+50/100 oder um 50+1/2 Wellenlänge zurück. Das 51. Bündel befindet sich also mit dem 1. in entgegengesetztem Bewegungszustand, ebenso das 52. mit dem 2., das 53. mit dem 3. etc., endlich das 100. mit dem 50. Daraus geht hervor, daß sich die gebeugten Strahlen in jeder Richtung vernichten, außer in jenen Richtungen, für die der Gangunterschied je zweier Nachbarbündel eine ganze Anzahl von Wellenlängen ausmacht. Das Beugungsbild auf dem Schirm wird sich daher für einfaches rotes Licht sehr einfach gestalten. In der Mitte erscheint das Bild O des Spaltes, dann folgt auf jeder Seite in einer Entfernung, die dem Gangunterschied einer ganzen Wellenlänge dieses roten Lichtes entspricht, eine schmale rote Linie R' dann in doppeltem Abstand, dem Gangunterschied von zwei Wellenlängen entsprechend, eine zweite rote Linie R' und weitere noch im dreifachen (R''), vierfachen etc. Abstand. Für blaues Licht würde man in gleicher Weise eine Reihe blauer Linien erhalten, die aber infolge der kürzern Wellenlänge dieser Lichtgattung dem Spaltbild O O näher, nämlich bei V, V', V'', liegen. Bei Anwendung von weißem Licht erscheint das mittlere Spaltbild weiß, weil hier alle Farben sich auseinanderlegen; die durch B. entstandenen verschiedenfarbigen Linien aber, die z. B. dem Gangunterschied von je einer Wellenlänge angehören, legen sich nach der Reihenfolge der Wellenlänge nebeneinander und bilden zu jeder Seite des weißen Spaltbildes ein prachtvolles Farbenband, das von außen nach innen die bekannte Reihenfolge der Regenbogenfarben: Rot, Orange, Gelb, Grün, Hellblau, Dunkelblau, Violett, zeigt, das erste Gitterspektrum VR; ebenso bilden die Strahlen höherer Gangunterschiede das zweite (V'R'), dritte (V''R'') etc. Gitterspektrum. In einem durch ein Prisma entworfenen Spektrum ist die verhältnismäßige Austeilung der Farben von dem Stoff des Prismas abhängig; in einem Gitterspektrum aber sind die einfachen Farben lediglich nach den Unterschieden ihrer Wellenlängen geordnet, also nach einem Merkmal.[778] das den Strahlen an und für sich eigen ist. Das Gitterspektrum ist daher als das normale oder typische Spektrum anzusehen. Bei Anwendung von Sonnenlicht zeigen sich auch im Gitterspektrum die Fraunhoferschen Linien (s. Farbenzerstreuung) jede an der Stelle, die ihr vermöge ihrer Wellenlänge zukommt. Beobachtet man das Gitterspektrum mittels eines auf einem geteilten Kreis drehbaren Fernrohrs, so kann man den Winkelabstand jeder Fraunhoferschen Linie vom mittlern Spaltbild (den Beugungswinkel) messen und daraus unter Berücksichtigung des bekannten Abstandes je zweier Gitterstriche die diesen bestimmten Strahlen zukommenden Wellenlängen ermitteln. Die folgende kleine Tabelle enthält die nach diesem Verfahren gefundenen Wellenlängen für die Fraunhoferschen Linien, ausgedrückt in Millionteln eines Millimeters:

Tabelle

Die Lichtwellen sind hiernach außerordentlich klein; auf die Länge eines Millimeters gehen 1315 Wellen des äußersten Rot (Linie A), 1698 Wellen des gelben Natriumlichts (D) und 2542 Wellen des äußersten Violett (H).

Die Erforschung des Normalspektrums wurde bedeutend gefördert durch die von Rowland hergestellten ebenen und konkaven Reflexionsgitter. Namentlich die konkaven Gitter, die den Gebrauch von Linsen entbehrlich machen, übertreffen alle frühern Gitter an Helligkeit und scharfer Zeichnung der Beugungsspektren. Auf der polierten Fläche eines Hohlspiegels aus Spiegelmetall von 3–5 cm Durchmesser und 1,5–6,5 m Krümmungsradius sind 14,000–100,000 seine Linien in gleichen Abständen mit einer durch eine Teilmaschine geführten Diamantspitze eingeritzt, etwa 400 bis 1700 Linien auf 1 mm. Fällt Licht durch einen mit den Strichen parallelen Spalt auf das Hohlgitter, so erscheinen die Gitterspektren der verschiedenen Ordnungen dort, wo die reflektierten gebeugten Strahlen mit Gangunterschieden von l, 2, 3 etc. Wellenlängen zusammentreffen. Diese Vereinigungspunkte der gebeugten Strahlenbündel, in denen sich die Spektren mit allen ihren Einzelheiten scharf abbilden, liegen auf einer bestimmten krummen Linie, der Fokalkurve. Befindet sich der Spalt irgendwo auf dem Umfang eines Kreises, der über dem Krümmungsradius des Gitters als Durchmesser beschrieben ist, so ist dieser Kreis selbst die Fokalkurve. Bringt man daher den Spalt in dem Durchschnittspunkt zweier zueinander senkrechter horizontaler Schienen an, und sind das Gitter und die Auffangfläche, auf der das Spektrum entworfen werden soll, an den Enden einer Stange befestigt, deren Länge gleich dem Krümmungsradius des Hohlspiegels ist, und die mittels an diesen Enden angebrachter Rädchen auf jenen Schienen rollt, so bleiben Spalt, Gitter und Auffangfläche automatisch stets auf dem Kreise, der die Stange zum Durchmesser hat, und sämtliche Spektren erscheinen gleichzeitig scharf, wie man auch die Stange und mit ihr Gitter und Auffangfläche verschieben mag. Da in einem Gitterspektrum die Abstände der verschiedenen homogenen Lichtarten den Unterschieden ihrer Wellenlängen proportional sind, so kann man längs der einen Schiene eine Skala anbringen und mit ihrer Hilfe die Mitte des Auffangschirms auf jede gewünschte Wellenlänge einstellen. Die Wellenlängen der beiden D-Linien z. B. wurden mit Hilfe der Rowlandschen Gitter mit früher nie erreichter Schärfe gefunden, und zwar für D1 0,5896156 Mikron (1 Mikron = μ = 0,001 mm) und für D2 0,5890188 a.

Wenn wir ein Musikstück aus verschiedenen Entfernungen anhören, so vernehmen wir doch stets dieselbe Harmonie; die hohen und tiefen Töne, die zu demselben Taktschlag gehören, erreichen immer gleichzeitig unser Ohr. Daraus folgt, daß alle Töne, hohe und tiefe, sich mit der gleichen Geschwindigkeit durch die Luft fortpflanzen. Bei der Fortpflanzung von Wellen entsteht aber aus jeder ganzen Schwingung des Erregungsmittelpunktes eine vollständige Welle; jeder tönende Körper erzeugt daher in einer Sekunde so viele aufeinander folgende Schallwellen, als die Zahl seiner Schwingungen in der Sekunde beträgt, und da sich der Schall während dieser Zeit um 340 m fortpflanzt, so muß die Gesamtlänge der in einer Sekunde erregten Schallwellen für alle Töne 340 m betragen. Um daher die Wellenlänge zu erfahren, braucht man nur zu untersuchen, wie oft die Schwingungszahl, und um die Schwingungszahl zu finden, wie oft die Wellenlänge in der Fortpflanzungsgeschwindigkeit enthalten ist. Nun weiß man, daß die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes 300,000 km beträgt und im freien Äther des Weltalls für alle Lichtarten die gleiche ist. Nachdem jetzt die Wellenlängen für die verschiedenen einfachen Lichtarten bekannt sind, lassen sich daher auch ihre Schwingungszahlen mit Leichtigkeit ermitteln; dieselben werden ausgedrückt durch die Anzahl von Wellenlängen, die je in der Strecke von 300,000 km enthalten sind. Für das äußerste Rot z. B., von dessen Wellen 1315 auf die Länge eines Millimeters gehen, findet man so die ungeheure Zahl von abgerundet 395 Billionen Schwingungen in der Sekunde. Je kleiner die Wellenlänge ist, desto größer muß die Schwingungszahl sein; in einem Strahl gelben Natriumlichts macht jedes Ätherteilchen während einer Sekunde 509 Billionen Schwingungen, und dem äußersten Violett entspricht eine Schwingungszahl von 763 Billionen.

Ein Ton erscheint uns um so höher, je größer seine Schwingungszahl ist. Wie das Ohr die Häufigkeit der Schallschwingungen als Tonhöhe vernimmt, so empfindet das Auge die Häufigkeit der Lichtschwingungen als Farbe. Damit in unserm Bewußtsein die Empfindung des Gelb der Natriumflamme entstehe, müssen in jeder Sekunde 509 Billionen elektrische Wellen in das Auge dringen und auf die Netzhaut treffen, nicht mehr und nicht weniger. Die Farbenfolge des Spektrums ist als eine Art Lichttonleiter anzusehen, die vom tiefsten unserm Auge vernehmbaren Farbenton, dem äußersten Rot, aufsteigt bis zum höchsten, dem äußersten Violett; doch besteht insofern ein wesentlicher Unterschied, als nicht jeder Schwingungszahl eine einfache Farbe entspricht, sondern z. B. Natriumlicht rot-gelb erscheint, d. h. ebenso wie eine Mischung von roten und gelben Strahlen. In der Musik nennen wir einen Ton die Oktave eines andern, wenn seine Schwingungszahl doppelt so groß oder seine Wellenlänge halb so groß ist wie die des letztern; übertragen wir diese Benennung auf das Gebiet der Farbentöne, so können wir sagen, daß das sichtbare Spektrum (von A bis H) nicht ganz eine Oktave ausfüllt. Betrachten wir das Spektrum in seinem ganzen Umfang, so treffen auf das Ultrarot etwa 61/2 Oktaven, auf das Ultraviolett etwa 2, so daß der ganze Bereich ungefähr 9 Oktaven umfaßt. Die Wellenlängen liegen etwa zwischen 0,061 mm (äußerstes Ultrarot, »Reststrahlen« nach Rubens) und 0,000125 mm (äußerstes Ultraviolett, nach Schumann).[779]

Die auslösende Kraft eines Beugungsgitters, d. h. die Möglichkeit, zwei sehr nahe liegende Spektrallinien zu trennen, ist um so größer, je größer die Gesamtzahl der Spalten und die Ordnung des Beugungsspektrums ist. Selbst mit guten gewöhnlichen Gittern ist nur das Spektrum IO. zu erhalten. Einen wesentlichen Fortschritt stellt deshalb das Stufengitter (Glasplattenstaffel, Stufenspektroskop, Echelonspektroskop) von Michelson (1898) dar, bestehend aus 20 planparallelen Glasplatten von 18 mm Dicke, die staffelförmig aufeinandergeschichtet sind, so daß die Breite jeder Stufe 1 mm beträgt. Infolge des Gangunterschiedes, den die Strahlen beim Durchgang durch die Glasplatten erhalten, werden Spektra sehr hoher Ordnung erhalten, die ermöglichen, Wellenlängen seiner Linien (insbes. von Kadmium) bis auf Milliontel Millimeter genau zu messen und damit die eingeführte willkürliche Längeneinheit durch eine absolut unveränderliche Einheit auszudrücken.

Wie die Reflexionsgitter, zeigen im zurückgeworfenen Licht überhaupt feingestreifte Oberflächen Farbenerscheinungen, die durch die Interferenz der gebeugten Strahlen entstehen. Die Perlmutter z. B. ist aus außerordentlich dünnen, von der Schnecke abgelagerten Kalkschichten zusammengesetzt, die schief zur Oberfläche stehen und daher auf ihr als seine Streifung zutage treten; daß nur diese Beschaffenheit der Oberfläche es ist, die das zarte Farbenspiel der Perlmutter verursacht, ergibt sich aus der Tatsache, daß, wenn man die Perlmutter auf schwarzem Siegellack abdrückt, auf dem Siegellack dieselben Farben sich zeigen. Auf ähnlichem Prinzip beruhen die von Wood durch treppenartige Aufschichtung von Glimmerblättchen hergestellten Stufengitter. Durch Eingravierung seiner Linien läßt sich ein perlmutterähnliches Farbenspiel, z. B. auf metallenen Knöpfen (Bartonische Irisknöpfe), hervorrufen (über Beugungserscheinungen durch Bärlappsamen und andre seine Körperchen s. Hof). Prachtvolle Farbenerscheinungen zeigen ferner flüssige Kristalle (s. d.) mit lamellarer Struktur, z. B. Cholesterylacetat oder Mischungen von Cholesterylbenzoat und Azoxyphenetol.

Eine besonders interessante Anwendung der Beugungserscheinungen ist Sorets Zonenplatte, bestehend aus konzentrischen ringförmigen Spalten. Wood stellte 1898 solche auf photographischem Wege nach dem Kaliumbichromatverfahren her. An Stelle der undurchsichtigen Zonen treten dabei durchsichtige, in denen das Licht eine Phasenverzögerung von 1/2 Wellenlänge erleidet. Solche Phasenumkehrungs-Zonenplatten wirken ähnlich wie Linsen. Wood konnte aus zwei derselben ein Beugungsfernrohr zusammensetzen, das je nach dem Abstande der Platten als Kepplersches oder Galileisches Fernrohr wirkte und sogar die Mondkrater zeigte. Ähnlich wirken rechtwinkelige Prismen mit versilberter Hypotenusenfläche, deren Silberschicht in elliptischen Zonen entfernt ist, weil Totalreflexion und Reflexion an der Silberschicht in der Phase verschieden sind. Vgl. Fraunhofer, Neue Modifikation des Lichtes (München 1821); Schwerd, Die Beugungserscheinungen aus den Fundamentalgesetzen der Undulationstheorie entwickelt (Mannh. 1835).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 777-780.
Lizenz:
Faksimiles:
777 | 778 | 779 | 780
Kategorien:

Buchempfehlung

Paoli, Betty

Gedichte

Gedichte

Diese Ausgabe fasst die vier lyrischen Sammelausgaben zu Lebzeiten, »Gedichte« (1841), »Neue Gedichte« (1850), »Lyrisches und Episches« (1855) und »Neueste Gedichte« (1870) zusammen. »Letzte Gedichte« (1895) aus dem Nachlaß vervollständigen diese Sammlung.

278 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon