Polarisation des Lichtes

[76] Polarisation des Lichtes (hierzu Tafel »Polarisationsapparate«, mit Text), Zurückführung der Schwingungen eines Lichtstrahls auf eine Ebene. Elektromagnetische Wellen, die mit einem Hertzschen Oszillator erzeugt werden, sind stets polarisiert, insofern die elektrischen Schwingungen stattfinden in einer Ebene, die durch die Achse des Oszillators geht, die magnetischen in einer dazu senkrechten Ebene. Die Lichtwellen unterscheiden sich davon einesteils durch ihre Länge, andernteils dadurch, daß sie nicht von einem einzigen Oszillator ausgehen, sondern von außerordentlich vielen von molekularer Größe (Molekülen. mit schwingenden Elektronen), deren Achsen alle möglichen Richtungen haben. Bei dem sogen. natürlichen Licht kann deshalb keinerlei Einseitigkeit beobachtet werden, die auf das Vorhandensein einer bestimmten Schwingungsrichtung hindeuten würde. Bringt man nun in den Weg elektromagnetischer Strahlen ein Drahtgitter, d. h. einen mit parallelen Drähten bespannten Rahmen, so gehen die Wellen ziemlich ungehindert hindurch, wenn die elektrischen Schwingungen senkrecht zu den Drähten erfolgen, sie werden dagegen aufgehalten (reflektiert und absorbiert), wenn sie den Drähten parallel sind. Bei schiefer Richtung gilt gleiches für die beiden Komponenten senkrecht und parallel zu den beiden Drähten, in dem man nach dem Kräfteparallelogramm die tatsächlichen Schwingungen zerlegen kann. Würde man also ein Gemisch verschieden orientierter elektrischer Strahlen auf ein Drahtgitter ausfallen lassen, so würde dieses Gemisch durch das Drahtgitter polarisiert, d. h. die Schwingungsebene der das Gitter durchdringenden Strahlung wäre für die elektrischen Schwingungen senkrecht zu den Drähten, für die magnetischen parallel zu diesen. Eine ähnliche Polarisation kann man auch bei Licht bewirken. Das einfachste Mittel hierzu ist eine parallel zur Säulenachse geschliffene Turmalinplatte. Geht Licht durch eine solche Platte, so zeigt es dem bloßen Auge keine andre Veränderung, als daß es (durch Absorption) die braune oder olivengrüne Färbung, die dem Kristall eigen ist, angenommen hat.

Fig. 1 u. 2. Turmalinplatten mit parallelen und rechtwinklig zueinander stehenden Kristallachsen.
Fig. 1 u. 2. Turmalinplatten mit parallelen und rechtwinklig zueinander stehenden Kristallachsen.

Legt man nun auf die erste Turmalinplatte eine zweite und zwar zunächst so, daß die Kristallachsen der beiden Platten zueinander parallel, z. B. beide von unten nach oben (Figur 1), gerichtet sind, so geht das aus der ersten Platte tretende Licht auch durch die zweite u. nimmt nur wegen der größern Dicke, die es jetzt zu durchlaufen hat, eine etwas tiefere Färbung an. Dreht man aber die zweite Platte in ihrer Ebene, so wird das durch beide Platten gegangene Licht immer dunkler und verschwindet endlich ganz, wenn die Achsen der beiden Kristalle zueinander senkrecht stehen (Fig. 2); dreht man noch weiter, so erscheint das Licht allmählich wieder und erreicht die ursprüngliche Helligkeit, wenn die Kristallachsen wieder parallel stehen. Ein natürlicher, unmittelbar von einer Lichtquelle ausgehender Lichtstrahl würde von der zweiten Turmalinplatte in jeder ihrer Stellungen mit der gleichen Lichtstärke durchgelassen werden; der durch die erste Turmalinplatte gegangene Lichtstrahl verhält sich also nicht mehr wie natürliches Licht, denn er wird von der zweiten Platte nur dann ungeschwächt durchgelassen, wenn ihre Kristallachse parallel zur Achse der ersten Platte gerichtet ist; er wird dagegen nicht durchgelassen, wenn die Achse der zweiten Platte mit der Achse der ersten Platte sich rechtwinklig kreuzt. Während also ein natürlicher Lichtstrahl das gleiche Verhalten zeigt, welche der verschiedenen in Fig. 3 A (in dieser Figur denke man sich den Lichtstrahl wie in den vorigen senkrecht aus der Ebene der Zeichnung gegen das Auge des Beobachters kommend) angedeuteten Stellungen man der Achse der Turmalinplatte, mit der man ihn prüft, auch geben mag, und sonach in allen zu seiner Fortpflanzung senkrechten Richtungen gleich beschaffen ist, ist bei dem durch eine erste Turmalinplatte gegangenen polarisierten Lichtstrahl unter allen diesen Richtungen eine, nämlich die mit der Achse des ersten Turmalins parallele, besonders ausgezeichnet (Fig. 3 B), indem der Lichtstrahl durch eine zweite Turmalinplatte durchgeht oder nicht durchgeht, je nachdem diese Richtung zur Achse dieser Platte parallel oder senkrecht steht.

Fig. 3. Querschnitte von Lichtstrahlen.
Fig. 3. Querschnitte von Lichtstrahlen.

Darüber, ob die elektrischen oder magnetischen Schwingungen parallel der Achse der Turmalins erfolgen, war man lange Zeit im unklaren. Die Entscheidung wurde herbeigeführt durch die Entdeckung stehender Lichtwellen. Läßt man nämlich einen Zug elektromagnetischer Wellen an einer spiegelnden Platte normal reflektieren, so bildet sich durch Interferenz der ankommenden und reflektierten Wellen vor der Platte eine stehende Wellenbewegung aus und zwar derart, daß die Knotenpunkte der elektrischen Schwingungen sich in 1, 2, 3... halben Wellenlängen von der Oberfläche des Spiegels befinden, die der magnetischen mitten zwischen denselben.

Fig. 4 u. 5. Versuch zur Ermittelung der Schwingungsrichtung.
Fig. 4 u. 5. Versuch zur Ermittelung der Schwingungsrichtung.

Erzeugt man nun solche stehende Schwingungen bei Licht, in der empfindlichen Gelatineschicht einer photographischen Platte, so bilden sich durch Zersetzung des Silbersalzes dunklere Schichten in Entfernungen von 1, 3, 5... Viertelwellenlängen von der spiegelnden Fläche. Dort befinden sich aber die Schwingungsbäuche der elektrischen Schwingungen, d. h. die elektrischen Schwingungen müssen die chemisch wirksamen sein. Da nun ferner die Lichtwirkung im Auge höchstwahrscheinlich ebenfalls auf chemischen Wirkungen beruht, so müssen diejenigen Schwingungen, die als Licht empfunden werden, die elektrischen sein. Auf gleiche Weise läßt sich zeigen, daß die elektrischen Wellen diejenigen sind, die Fluoreszenz erregen. Dreht man nun eine Turmalinplatte a b c d (Fig. 4), während man durch dieselbe in der Richtung o n nach einer weißen Fläche[76] blickt, um eine zur Kristallachse parallele Umdrehungsachse f g in die Lage a' b' c' d', so bleibt die Helligkeit des Gesichtsfeldes fast ungeändert. Neigt man aber die Platte derart gegen die Strahlenrichtung n o (Fig. 5), daß die zur Kristallachse senkrechte Linie h i die Umdrehungsachse bildet, so wird das Gesichtsfeld bedeutend dunkler. Nun ist es höchst wahrscheinlich, daß eine Änderung der Helligkeit nur dann eintreten kann, wenn der Winkel, den die Schwingungsrichtung mit der Kristallachse bildet, ein andrer wird. Aus dem Umstande, daß bei der ersten Art zu drehen (Fig. 4) die Helligkeit keine Änderung erfuhr, dürfen wir daher schließen, daß in diesem Falle die Richtung der Kristallachse in bezug auf die Schwingungen dieselbe blieb, mochte nun die Platte in der Stellung a b c d oder in der Stellung a' b' c' d' sich befinden. Die Richtung der elektrischen Schwingungen würden hiernach diejenige der Kristallachse f g sein, die in diesem Fall als Drehungsachse diente. Die Ebene der elektrischen Schwingungen des aus der Turmalinplatte austretenden polarisierten Strahles wäre demnach zur Kristallachse parallel, wie durch Fig. 6 noch besonders veranschaulicht wird.

Fig. 6. Lage der Schwingungsebene.
Fig. 6. Lage der Schwingungsebene.

Betrachtet man das von einer ebenen Glasplatte oder irgend einer andern nichtmetallischen Oberfläche zurückgeworfene Licht durch eine Turmalinplatte, so erscheint es, wenn man die letztere in ihrer Ebene um den zurückgeworfenen Strahl als Achse dreht, bald heller, bald dunkler, verschwindet jedoch (im allgemeinen) bei keiner Stellung der Turmalinplatte vollständig. Am hellsten erscheint es, wenn die Kristallachse des Turmalins zur Zurückwerfungsebene oder Einfallsebene (s. Spiegelung) senkrecht steht, am dunkelsten, wenn sie in diese Ebene zu liegen kommt. Das von der Glasplatte zurückgeworfene Licht ist sonach weder natürliches, noch ist es vollständig polarisiert, sondern verhält sich so, als ob es aus natürlichem und aus polarisiertem Lichte, dessen Schwingungen zur Reflexionsebene senkrecht stehen, gemischt wäre; man bezeichnet es daher als teilweise polarisiert.

Fig. 7. Polarisation durch Reflexion.
Fig. 7. Polarisation durch Reflexion.

Das Verhältnis des polarisierten Anteils zum nichtpolarisierten ändert sich mit dem Einfallswinkel. Bei senkrechtem Einfallen z. B. enthält das zurückgeworfene Strahlenbündel gar kein polarisiertes Licht; beträgt aber der Einfallswinkel 57°, oder bildet der einfallende Strahl (a b, Fig. 7) einen Winkel a b h von 33° mit der Glasplatte, so fehlt der unpolarisierte Anteil ganz. Bei diesem Einfallswinkel, welcher der Polarisationswinkel genannt wird, ist also das von der Glasplatte zurückgeworfene Licht (b c) vollständig polarisiert, und zwar erfolgen seine Schwingungen senkrecht zur Polarisationsebene, wie die Zurückwerfungsebene a b c in diesem Fall auch genannt wird. Diese Lage der Schwingungsebene (d f i m) wird durch Fig. 7 versinnlicht. Statt das von der Glasplatte zurückgeworfene Licht mittels einer Turmalinplatte zu untersuchen, kann man es auch unter demselben Winkel auf einer zweiten Glasplatte auffangen (Fig. 8); stehen die beiden Platten, wie in der Figur, zueinander parallel, so fallen ihre Reflexionsebenen zusammen, und der an der ersten Platte polarisierte Strahl b c, dessen Schwingungen zur gemeinschaftlichen Reflexionsebene senkrecht sind, wird an der zweiten Platte nach c d zurückgeworfen.

Fig. 8. Polarisationsspiegel.
Fig. 8. Polarisationsspiegel.

Dreht man aber die zweite Platte, während sie mit dem Strahl b c stets den Winkel 33° bildet, aus dieser Stellung heraus, so wird das von ihr zurückgeworfene Licht immer schwächer und verschwindet endlich ganz, wenn die beiden Reflexionsebenen senkrecht auseinander stehen, weil bei dieser gekreuzten Stellung die Schwingungen des Strahles b c in die Reflexionsebene der zweiten Platte zu liegen kommen, die Platte aber unter diesem Einfallswinkel nur solche Schwingungen zurückzuwerfen vermag, die zu ihrer Reflexionsebene senkrecht erfolgen. Zu diesem Versuch werden die Platten gewöhnlich auf der Rückseite geschwärzt, oder sie sind aus schwarzem Glas verfertigt, um das sonst durch sie hindurchgehende unpolarisierte fremde Licht auszuschließen.

Auch das von einer Glasplatte unter schiefem Winkel durchgelassene Licht erweist sich, mit einer Turmalinplatte untersucht, als teilweise polarisiert, und zwar liegen die Schwingungen des polarisierten Anteils in der Einfallsebene, oder das durchgelassene Licht ist senkrecht polarisiert zum zurückgeworfenen. Wie Arago gezeigt hat, sind bei jedem Einfallswinkel die zueinander senkrecht polarisierten Lichtmengen im zurückgeworfenen und gebrochenen Strahl einander gleich. Der gebrochene Strahl ist niemals vollständig, sondern immer nur teilweise polarisiert, welchen Einfallswinkel man auch wählen mag. Gleichwohl läßt sich eine nahezu vollständige Polarisation der durchgegangenen Strahlen erzielen, wenn man statt einer einzigen Glasplatte eine Schicht von hinlänglich vielen Platten oder eine sogen. Glassäule (Fig. 9) anwendet.

Fig. 9. Glassäule.
Fig. 9. Glassäule.

Fällt nämlich auf eine solche Plattenschicht unter dem Polarisationswinkel ein natürlicher Lichtstrahl, und denken wir uns denselben zerlegt in zwei gleich helle Strahlen, deren einer in die [77] Einfallsebene, der andre senkrecht dazu schwingt, so geht der erstere, weil er vermöge seiner Schwingungsrichtung nicht zurückgeworfen werden kann, durch sämtliche Platten ohne Verlust hindurch; der letztere dagegen erleidet an jeder Fläche eine teilweise Zurückwerfung und wird dadurch bis zur Unmerklichkeit geschwächt. Die Glassäule läßt daher unter dem Polarisationswinkel nur solche Strahlen durch, deren Schwingungen parallel zur Einfallsebene vor sich gehen. Der Polarisationswinkel ist für verschiedene Substanzen verschieden; er wächst mit dem Brechungsverhältnis wie schon Malus, der Entdecker der Polarisation durch Spiegelung (1810), erkannt hatte, und beträgt z. B. für Wasser 53°, für Schwefelkohlenstoff 59°, für Flintglas 60° etc.

Fig. 10. Polarisationswinkel (Brewsters Gesetz).
Fig. 10. Polarisationswinkel (Brewsters Gesetz).

Die gesetzmäßige Beziehung zwischen Polarisationswinkel und Brechungsverhältnis wurde 1815 von Brewster aufgedeckt, der zeigte, daß der Polarisationswinkel derjenige Einfallswinkel ist, für den der zurückgeworfene Strahl (Fig. 10, b c) mit dem gebrochenen (b d) einen rechten Winkel bildet, oder mit andern Worten, dessen Tangente gleich dem Brechungskoeffizienten ist. Auf dieses Gesetz gründet sich eine Methode zur Bestimmung der Brechungsverhältnisse, die besonders bei Körpern von geringer Durchsichtigkeit, auf welche die prismatische Methode (s. Prisma) nicht angewendet werden kann, willkommen ist. Wie man nämlich vermöge des Brewsterschen Gesetzes von dem bekannten Brechungsverhältnis auf den Polarisationswinkel schließen kann, so läßt sich auch umgekehrt aus dem beobachteten Polarisationswinkel das Brechungsverhältnis ableiten. Die Brechungskoeffizienten der Steinkohle (1,701), des Hornes (1,565), des Menilits (1,482) und andrer Körper von ähnlicher Beschaffenheit sind auf diesem Weg ermittelt worden. Da die Brechungskoeffizienten der verschiedenfarbigen Strahlen nicht gleich sind, so kann weißes Licht durch Spiegelung oder Brechung niemals vollständig polarisiert werden, sondern immer nur eine seiner homogenen Farben, während die übrigen der vollständigen Polarisation nur nahekommen. Selbstverständlich lassen sich auch die dunkeln Wärmestrahlen und chemischen Strahlen durch Spiegelung polarisieren.

Über kreisförmige und elliptische P. s. Zirkularpolarisation.

Von natürlichem Licht läßt sich polarisiertes ohne weiteres kaum unterscheiden, immerhin bemerkt man in einem mit polarisiertem Licht erleuchteten Gesichtsfeld, z. B. bei der Spiegelung des Tageslichts auf einer polierten Tischfläche, ein blasses, farbiges Kreuz mit büschelartig sich verbreiternden Armen, bestehend aus einem bläulichen und einem gelben Balken, die sogen. Haidingerschen Büschel. Der bläuliche Balken gibt die Schwingungsrichtung der elektrischen, der gelbliche die der magnetischen Wellen. Besser läßt sich polarisiertes Licht von natürlichem unterscheiden mittels eines Polariskops oder Analysators, als welcher eine Turmalinplatte, ein Polarisationsspiegel oder besser ein Nicolsches Prisma oder ein andres ähnliches Polarisationsprisma benutzt werden kann.

Bei der Reflexion von polarisiertem Lichte, dessen Schwingungsebene geneigt ist zur Einfallsebene, entsteht im allgemeinen elliptisch polarisiertes Licht (s. Zirkularpolarisation), dessen Elliptizitätskoeffizient übrigens stark von Behandlung, Alter, Politur etc. des Spiegels abhängig ist. Tyndall fand, daß auch Luft, die mit Staub und Rauch erfüllt ist, das Licht polarisiert, ebenso eine Flüssigkeit, die seine suspendierte Teilchen enthält, und zwar erscheinen diejenigen diffus reflektierten Strahlen am stärksten polarisiert, die in einer Ebene laufen, die zum ursprünglichen Strahl senkrecht ist, vorausgesetzt, daß die Partikelchen Isolatoren sind. Sind dieselben aber leitende Kugeln, so liegen nach Thomson die Strahlen stärkster Polarisation in einem Kegelmantel, dessen Achse die Fortpflanzungsrichtung der einfallenden Strahlen und dessen Scheitelwinkel 120° ist. Letzteres trifft zu für kolloidale Lösungen von Gold, Silber und Platin, die durch Bildung eines Lichtbogens zwischen den entsprechenden Metallen unter Wasser hergestellt wurden und suspendierte Metallpartikelchen enthalten, von 40–50 Milliontel mm Durchmesser. Auch das Licht des klaren Himmelsgewölbes ist polarisiert und zwar derart, daß seine Schwingungen senkrecht sind zu der Ebene, die man sich durch den betrachteten Punkt des Himmels, durch das Auge des Beobachters und die Sonne gelegt denkt. Ist der betrachtete Punkt ein Himmelspol, so fällt diese Ebene zusammen mit dem jeweiligen Stundenkreis der Sonne. Darauf gründet sich Wheatstones Polaruhr. Vollkommen polarisiert sind die beiden Strahlen, die durch Doppelbrechung in einem Kristall entstehen. Die Brechungsexponenten derselben ergeben sich aus der Form der Wellenfläche; diejenigen für Strahlen parallel der Achse der letztern heißen die Hauptbrechungsindizes. Die Form der Wellenfläche läßt sich aus dem sogen. Polarisationsellipsoid ableiten, dessen Form durch die Werte der Dielektrizitätskonstante nach verschiedenen Richtungen bestimmt ist. Die Achsen der Schnittellipse desselben mit der Wellenebene geben die Schwingsrichtungen der beiden polarisierten Strahlen und auch die Brechungsindizes, da die Fortpflanzungsgeschwindigkeiten der Strahlen die reziproken Werte der Achsenlängen jener Ellipse sind.

Chromatische Polarisation.

(Hierzu Tafel »Chromatische Polarisation«)

Bringt man ein Gipsblättchen (Textfig. 11) zwischen den Polarisator und den Analysator eines Polarisationsapparats, indem man es z. B. auf das Glastischchen des Nörembergschen Polarisationsapparais (s. Tafel »Polarisationsapparate«, Fig. 2) legt, so erscheint es, wenn es dünn genug ist, im allgemeinen mehr oder weniger lebhaft gefärbt, und nur in zwei bestimmten Lagen zeigt es keine Färbung.

Fig. 11. Gipsblättchen.
Fig. 11. Gipsblättchen.

Sind z. B. die Schwingungsebenen des Polarisators und Analysators zueinander senkrecht gestellt, so zeigt ein Blick in den letztern das Gesichtsfeld vollkommen dunkel; schiebt man jetzt ein Gipsblättchen ein, so hebt es sich farbig hell vom dunkeln Grund ab, es sei denn, daß man ihm zufällig eine von zwei ganz besondern Lagen gegeben hat, wenn entweder eine gewisse Richtung a b oder die dazu senkrechte Richtung c d mit der Schwingungsrichtung[78] des Polarisators zusammenfällt; es erscheint dagegen am lebhaftesten gefärbt, wenn jene beiden Richtungen mit dieser Winkel von 45° bilden. Jene beiden Richtungen a b und c d sind nämlich die Schwingungsrichtungen der beiden Strahlenbündel, die sich im Gipsblättchen vermöge seiner Doppelbrechung mit ungleicher Geschwindigkeit fortpflanzen. Ist daher eine dieser Richtungen mit der Schwingungsrichtung des vom Polarisator kommenden Lichtes parallel, so geht dieses ohne Änderung seiner Schwingungsrichtung durch und wird vom Analysator ausgelöscht. Bildet aber die Richtung a b mit der Schwingungsrichtung R S (Textfig. 12) des Polarisators einen Winkel, so muß sich die nach R S gerichtete elektrische Welle in zwei Teilwellen nach a b und c d zerlegen, von denen sich die eine mit größerer Geschwindigkeit durch den Kristall fortpflanzt als die andre. Am Analysator angekommen, der nur nach P Q gerichtete Wellen durchläßt, wird jede wieder in zwei Teilwellen zerlegt, deren eine nach P Q, die andre senkrecht dazu nach R S gerichtet ist und demnach ausgelöscht wird. Die beiden noch übrigbleibenden nach P Q gerichteten Wellen »interferieren« miteinander (s. Interferenz) vermöge des Gangunterschiedes, den sie infolge ihrer ungleichen Geschwindigkeit im Kristall erlangt haben.

Fig. 12. Zerlegung der Schwingungen.
Fig. 12. Zerlegung der Schwingungen.

Hierdurch werden aus dem einfallenden weißen Lichte diejenigen Farben getilgt, für die jener Gangunterschied, der mit der Dicke des Blättchens zunimmt, eine ungerade Anzahl von halben Wellenlängen beträgt, und das Gipsblättchen, durch den Analysator betrachtet, zeigt einen Farbenton, der aus allen jenen Farben gemischt ist, die der Zerstörung durch Interferenz entgangen sind. Dreht man den Analysator aus der Stellung P Q allmählich in die Stellung R S, so nimmt die Färbung an Lebhaftigkeit ab und geht bei 45° in Weiß über; dreht man noch weiter, so kommt die Ergänzungsfarbe (komplementäre Farbe) zum Vorschein und erreicht bei paralleler Stellung (R S) der Schwingungsebenen ihren höchsten Glanz. Bei dieser Stellung werden nämlich die nach P Q gerichteten Wellen ausgelöscht und die beiden nach R S gerichteten Teilwellen kommen zur Interferenz; diese sind aber gleichgerichtet, wenn jene sich entgegen wirken, und umgekehrt; es werden daher bei Parallelstellung gerade die Farbenanteile in größter Lichtstärke auftreten, die bei gekreuzter Stellung verschwunden waren, und die Farbe des Blättchens bei der einen Stellung muß komplementär sein zu derjenigen bei der andern Stellung.

Von besonderm Interesse ist die Erscheinung, die senkrecht zur optischen Achse geschnittene Platten einachsiger Kristalle (z. B. Kalkspat, Natronsalpeter) im konvergierenden polarisierten Lichte darbieten, z. B. wenn man sie in den obigen Polarisationsapparat (s. Tafel »Polarisationsapparate«, Fig. 2) zusammen mit einer konvexen Linse oder in einen sogen. mikroskopischen Polarisationsapparat (Fig. 4 derselben Tafel) bringt. Derjenige Strahl, der die Platte senkrecht trifft, durchläuft sie in der Richtung der optischen Achse und erleidet keine Doppelbrechung. Jeder andre Strahl des kegelförmigen Bündels aber erfährt eine um so stärkere Doppelbrechung und hat zugleich innerhalb des Kristalls einen um so längern Weg zurückzulegen, in je schrägerer Richtung er den Kristall durchläuft. So kommt es, daß man immer größern Gangunterschieden begegnet, je weiter man sich von der Achse des Lichtkegels nach außen hin entfernt, und da rings in gleichem Abstand von der optischen Achse alle Umstände, die den Gangunterschied bedingen, die gleichen sind, so muß der nämliche Gangunterschied stattfinden für alle Punkte eines Kreises, den man sich im Gesichtsfeld um den dem Achsenstrahl entsprechenden Punkt gezogen denkt. Man gewahrt daher eine Reihe um diesen Mittelpunkt beschriebener farbiger Kreisringe, die bei gekreuzten Schwingungsebenen des Polarisationsapparats von einem schwarzen Kreuz (s. Tafel »Chromatische Polarisation«, Fig. 1) durchsetzt erscheinen. Da nämlich die optische Achse zur Kristalloberfläche senkrecht ist, so entspricht jede durch den Mittelpunkt der Ringe gezogene gerade Linie P Q, R S, a b, c d (Textfig. 12) einem Hauptschnitt. Alle Strahlen, die vom Polarisator aus auf die Kristallplatte treffen, schwingen parallel R S; sie gehen daher, ohne eine Zerlegung zu erfahren, sowohl durch den Hauptschnitt R S als durch den Hauptschnitt P Q, indem sie parallel zu ersterm, senkrecht zu letzterm schwingen, und werden somit vom Analysator, dessen Schwingungsrichtung nach P Q gestellt ist, ausgelöscht. Stellt man dagegen die Schwingungsrichtung des Analysators zu derjenigen des Polarisators parallel, so erscheint statt des schwarzen Kreuzes ein weißes (Tafel, Fig. 2), und die Ringe zeigen sich zu den vorigen komplementär gefärbt. Eine optisch-zweiachsige Kristallplatte (z. B. Kalisalpeter), deren Flächen senkrecht stehen auf der Mittellinie der optischen Achsen, zeigt (Tafel, Fig. 4) zwei Ringgruppen (Isochromaten), von denen jede eine optische Achse umgibt; die Ringe höherer Ordnung verschmelzen zu eigentümlich gestalteten krummen Linien (Lemniskaten), die sich um beide Achsenendpunkte herumschlingen. Wenn der durch die optischen Achsen gelegte Hauptschnitt der Kristallplatte mit einer der beiden Schwingungsrichtungen des Polarisationsapparats (Konoskop) zusammenfällt, zeigt sich die zweifache Ringfigur von einem schwarzen Kreuz durchschnitten (Fig. 4); dreht man aber den Kristall aus dieser Lage heraus, so löst sich das Kreuz auf in zwei hyperbolisch gekrümmte dunkle Büschel (Isogyren), welche die Ringe rechtwinklig durchsetzen (Fig. 5). Diese Erscheinung gibt ein Mittel an die Hand, den Winkel zwischen den beiden optischen Achsen eines zweiachsigen Kristalls (Achsenwinkelapparat, s. Tafel »Polarisationsapparate«, Fig. 7 u. 8) zu messen.

Eine senkrecht zur einen optischen Achse geschnittene Platte eines zweiachsigen Kristalls zeigt Ringe von nahezu kreisförmiger Gestalt (Tafel, Fig. 6), deren Mitte von einem dunkeln Büschel durchsetzt ist; am Zucker, dessen Kristalle senkrecht zu den optischen Achsen spaltbar sind, sind diese unecht kreisförmigen Ringe leicht zu beobachten. Verwickeltere Erscheinungen zeigen sich, wenn zwei Kristallplatten gekreuzt auseinander gelegt werden, z. B. zwei senkrecht zur Mittellinie der optischen Achsen geschnittene Platten von Aragonit (Tafel, Fig. 10 u. 12), deren jede für sich Figuren wie 4 und 5 zeigen würde; in Fig. 10 der Tafel fallen die Polarisationsrichtungen mit den Ebenen der optischen Achsen zusammen, in Fig. 12 stehen sie unter 45° dazu; in beiden Figuren ist homogene Beleuchtung durch Natriumlicht angenommen. Werden zwei parallel zur optischen Achse geschnittene Platten eines einachsigen Kristalls mit gekreuzten Achsen[79] auseinander gelegt, so bilden die isochromatischen Kurven zwei Systeme gleichseitiger Hyperbeln (Tafel, Fig. 3). Höchst merkwürdige Erscheinungen zeigt der Quarz, der in der Richtung seiner optischen Achse mit Zirkularpolarisation (s. d.) begabt ist; eine senkrecht zur optischen Achse geschnittene Platte von Quarz (Bergkristall) zeigt zwischen gekreuzten Polarisationsebenen farbige Ringe (Tafel, Fig. 7) ähnlich wie der Kalkspat (Fig. 1), jedoch setzen sich die Arme des schwarzen Kreuzes nicht durch die Mitte des Ringsystems fort, sondern hier zeigt sich infolge der Drehung der Polarisationsebene eine von der Dicke der Platte abhängige Färbung; diese Färbung ändert sich beim Drehen des Analysators, die Ringe verlieren ihre kreisförmige Gestalt und nehmen die Form von Quadraten mit abgerundeten Ecken an (Tafel, Fig. 8). Analysiert man zirkular, d. h. fügt man noch ein Viertelwellen-Glimmerblättchen hinzu, so verwandelt sich das Ringsystem in eine Doppelspirale (Fig. 9). Legt man eine rechts- und eine linksdrehende Quarzplatte von gleicher Dicke auseinander, so wird die Mitte der Erscheinung von einem dunkeln Rad mit vier spiralförmig gewundenen Speichen (Airysche Spiralen, Tafel, Fig. 11) gebildet. (Über das Verhalten von Quarzplatten und andrer die Polarisationsebene des Lichtes drehender Körper, wie z. B. Zuckerlösung s. Zirkularpolarisation; über die nähere Untersuchung der Polarisation s. den Text zu beifolgender Tafel »Polarisationsapparate«.)

Einfachbrechende Körper, wie Glas, werden doppeltbrechend, zeigen somit chromatische Polarisation, wenn man einen Spannungszustand in ihnen hervorruft.

Fig. 13. Gepreßtes Glas.
Fig. 13. Gepreßtes Glas.

Eine dicke quadratische Glasplatte, in einem kleinen Schraubstock (Textfig. 13) zusammengepreßt, zeigt im parallelen polarisierten Licht (z. B. im Nörrembergschen Polarisationsapparat) ein dunkles Kreuz mit farbigen Fransen. Ein Glasstück wird dauernd doppeltbrechend, wenn man es stark erhitzt und dann rasch abkühlt. Eine so behandelte kreisrunde Glasplatte zeigt farbige Ringe nebst einem schwarzen Kreuz, ganz ähnlich wie eine senkrecht zur optischen Achse geschnittene Kalkspatplatte. Bei einer quadratförmigen Glasplatte (Textfig. 14) erscheint ebenfalls ein schwarzes Kreuz und in jeder Ecke ein farbige Ringfigur, ähnlich einem Pfauenauge.

Fig. 14. Farbenerscheinung in gekühltem Glas.
Fig. 14. Farbenerscheinung in gekühltem Glas.

Die Doppelbrechung der gekühlten Gläser, die sich durch diese (entoptischen, epoptischen) Farbenerscheinungen verrät, ist übrigens wesentlich verschieden von derjenigen der Kristalle. Das Ringsystem einer gekühlten Glasplatte zeigt sich nämlich schon in einem parallelen Bündel polarisierter Lichtstrahlen; die von der Mitte nach dem Umfang hin wachsenden Gang unterschiede können also nur daher rühren, daß die Doppelbrechung bei ungeänderter Strahlenrichtung gegen den Rand der Platte hin zunimmt. Bei einem Kristall dagegen ist die Doppelbrechung in jedem seiner Punkte für die nämliche Strahlenrichtung die gleiche und ändert sich nicht von einem Punkte des Kristalls zum andern. Selbst weiche, gallertartige Körper, ja sogar Flüssigkeiten lassen sich durch Druck oder rasche Deformation vorübergehend doppeltbrechend machen, ebenso dadurch, daß man sie in ein starkes elektrisches Feld bringt (Kerrs Phänomen). Steht die Polarisationsebene des Nicolschen Prismas, welches das polarisierte Licht liefert, unter 45° zur Verbindungslinie der elektrischen Pole, so wird das Licht durch ein zweites Nicolsches Prisma, dessen Polarisationsebene mit der des ersten rechtwinklig gekreuzt ist, ausgelöscht, solange die Metallkugeln nicht elektrisch geladen sind, das Gesichtsfeld wird aber wieder hell, sobald man die Kugeln entgegengesetzt elektrisch macht. Nach Majorana können manche kolloidale Lösungen, die wahrscheinlich als seine Suspensionen aufzufassen sind, auch durch magnetische Kräfte doppeltbrechend gemacht werden. (Über diese anomale magnetische Dispersion, s. Zirkularpolarisation.) Der Grund solcher künstlich erzeugter chromatischer Polarisation oder Doppelbrechung ist wohl in allen Fällen der gleiche, nämlich der, daß eine mehr oder minder große Zahl anisotroper Moleküle (bez. Partikelchen) durch die einwirkenden Kräfte in parallele Stellung gebracht wird.

Vgl. Liebisch, Physikalische Kristallographie (Leipz. 1891); Gänge, Die P. d. L. (das. 1894); Groth, Physikalische Kristallographie (4. Aufl., das. 1904); Landolt, Das optische Drehungsvermögen organischer Substanzen (Braunschw. 1898); Drude, Lehrbuch der Optik (Leipz. 1900); Weinschenk, Anleitung zum Gebrauch des Polarisationsmikroskops (Freib. i. Br. 1901); O. Lehmann, Flüssige Kristalle (Leipz. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 76-80.
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