[434] Pubertät (lat., »Mannbarkeit«, Nubilität, »Heiratsfähigkeit«), der Zustand der Geschlechtsreife, der eintritt, sobald die Geschlechtsteile ihre vollkommene Ausbildung erreicht haben und funktionsfähig geworden sind. In unsern Breitengraden fällt der Eintritt der P. bei dem weiblichen Geschlecht gewöhnlich in das 15., bei dem männlichen Geschlecht in das 16. Lebensjahr, in den heißen Ländern 23 Jahre früher, in den kalten Ländern um ebensoviel später. Bei den Bewohnern großer Städte tritt die P. meist etwas früher ein als bei der Landbevölkerung. In Mitteleuropa bleibt das Weib bis etwa in das 43., der Mann bis in die Mitte der 50er Jahre und länger fortpflanzungsfähig. Während der Pubertätsentwickelung bei Mädchen brechen die Schamhaare hervor, die Brüste bilden sich unter stechenden Gefühlen aus. Die Beckengegend bekommt größere Breite und Fülle, das Unterhautzellgewebe wird fettreicher, der ganze Körper rundet sich ab. Die Stimme wird bestimmter, fester, ausgiebiger. In den Eierstöcken werden nunmehr reife, befruchtungsfähige Eichen produziert, die unter den Erscheinungen der periodisch eintretenden Menstruation abgestoßen werden. Im Geiste der reisenden Jungfrau offenbart sich jene Schamhaftigkeit, die auf den unverdorbenen Mann einen so bezaubernden Einfluß ausübt; mit dieser verbindet sich eine tiefinnere Sehnsucht, ein unbewußtes Streben, dem Mann zu gefallen, ein Bestreben, aus dem sich je nach den Umständen die edelsten wie die gemeinsten Seiten der weiblichen Natur entwickeln können. Bei dem Jüngling beobachtet man in der Pubertätsentwickelung das Hervorbrechen der Haare an den Genitalien, an Kinn, Lippe und Wangen, völlige Ausbildung der Genitalien, kräftigere Entwickelung der gesamten Körpermuskulatur, Breiterwerden der Brust, Wachsen des Kehlkopfes, so daß er in Gestalt des sogen. Adamsapfels stark hervortritt, Veränderung der Stimme, Umänderung des ganzen Charakters. Häufig zeigt sich Neigung zur Schwermut und zur Schwärmerei, die nur durch ein geistig und körperlich tätiges Leben verscheucht werden kann.
Die Mannbarkeitserklärung und Aufnahme unter die Gemeinschaft der Erwachsenen wird bei vielen Naturvölkern mit großer Feierlichkeit und mannigfachen Zeremonien begangen. In der Regel werden die jungen Männer, denen der Bart sproßt, und die Mädchen, sobald sich die erste Menstruation zeigt, von ihren Angehörigen getrennt und strengen Prüfungen, mein heftigen körperlichen Peinigungen, unterworfen, die sie ohne Schmerzensäußerung ertragen müssen. Bei den Australiern besteht der Hauptakt im Aussch lagen und Spitzfeilen der Schneidezähne; auch die Nasenscheidewand wird vielfach durchbohrt, und mit scharfen Kieselsteinen reißt man tiefe Risse auf Brust und Rücken ein, deren Narben den erwachsenen Australier kennzeichnen. Anderswo besteht er in blutigen Geißelungen, Tätowierung, Durchbohrung von Ohrläppchen und Oberlippe behufs Anlegung des Mannesschmuckes u. a. In vielen Gegenden Australiens und Afrikas wird mit den Mannbarkeitsfesten die Beschneidung verbunden. Bei den Indianern Nordamerikas dauern die mit langen Fasten und Kasteiungen eingeleiteten Zeremonien monatelang; die Jünglinge erwarten dabei die Erscheinungen eines Schutzgeistes (meist in Gestalt eines lebenslang zu schonenden Tieres, s. Totem) im Traum, anderwärts haben sie ein gefährliches Jagdabenteuer zu bestehen oder einen Kopf zu erjagen (s. Kopfjagden). Hier und da sind mit der Absonderung der jungen Leute von ihren Angehörigen und mit den körperlichen Prüfungen Belehrungen über ihre Pflichten gegen Stammesgenossen und Fremde verbunden, die durch einen Schamanen oder eine kluge Frau gegeben werden, und endlich findet unter lärmenden Feierlichkeiten und Festen die Aufnahme der jungen Leute in die Gemeinschaft der Erwachsenen statt. In Mexiko und Peru näherten sich diese Prüfungen mehr denen unsrer Firmung; anderseits herrschten in einigen alten Kulturstaaten den Sitten der Wilden analoge Zeremonien, z. B. blutige Geißelungen der spartanischen Jünglinge am Altar der Artemis Orthia, Geißelung und Tätowierung der Jünglinge im Tempel der syrischen Göttin zu Hierapolis. Später traten an Stelle dieser Standhaftigkeitsprüfungen die Abscherung des bis dahin wachsenden Haares, das Anlegen der Toga virilis (Schwertumgürtung) und Nachweis von Zeichen geistiger Reise.
Die Mannbarkeitsfeste bedeuten zunächst ganz allgemein die Abkehr des Jünglings von der mütterlichen Familie und der Mutter und den Eintritt in die eng geschlossene Klasse der ledigen jungen Männer (s. Männerhäuser); sodann aber tritt sehr häufig ein enger Zusammenhang der Pubertätsweihen mit dem Totenkult hervor. die Knaben sterben sozusagen und werden wiedergeboren, indem ein fremder Geist, offenbar der eines Vorfahren, sich des Novizen bemächtigt, ihn mit neuen Kräften erfüllt und ihn damit erst tauglich macht, der Männergesellschaft beizutreten und an deren Geistertänzen und Zeremonien ohne Gefahr teilzunehmen. Regionen einer derartigen Wiedergeburt sind vor allem Ober- und Unterguinea (Liberia, Loango, Kongomündung), einzelne Teile Indonesiens (Ceram), Neuguinea und Australien. Vgl. Ploß, Das Kind (2. Aufl., Leipz. 1884); Ploß- Bartels, Das Weib in der Natur- und Völkerkunde[434] (8. Aufl., das. 1905, 2 Bde.); Schurtz, Urgeschichte der Kultur (das. 1900) und Altersklassen und Männerbünde (Berl. 1902).