Stickmaschine

[22] Stickmaschine, Maschine zum Einnähen (Einsticken) von Mustern in Gewebe, selten in Leder etc. Von den bei der Handstickerei benutzten Sticharten werden (Fig. 1) bei der Maschinenstickerei fast nur benutzt: 1) der Plattstich, 2) Doppelsteppstich, 3) der Ketten-, Tamburier-, Grob- oder Crochetstich, 4) der Feston-, Languetten- oder Knopflochstich, 5) der Doppelfestonstich.

Fig. 1. a Plattstich, b Kettenstich, c Languettenstich, d Doppelfestonstich.
Fig. 1. a Plattstich, b Kettenstich, c Languettenstich, d Doppelfestonstich.

Der Plattstich wird in der Regel mit kurzen, mitunter mit endlosen, der Stepp-, Ketten-, Feston- und Doppelfestonstich stets mit endlosen Fäden wie bei den Nähmaschinen erzeugt; der Festonstich kann als eine Abart des Kettenstichs gelten. Man unterscheidet wesentlich nur zwei Gattungen von Stickmaschinen, die Plattstich- und die Kettenstichstickmaschinen. Die verbreitetste Plattstichstickmaschine ist die von Josua Heilmann 1829 erfundene, die im Wesen sich unverändert erhalten hat. Die Figuren entstehen dadurch, daß die Fäden an den Figurenrändern mittels Nadeln so durch das Gewebe gesteckt und durchgezogen werden, daß sie nach und nach auf der Fläche das Muster erhaben bilden, z. B. indem (Fig. 2) der Faden den durch die Zahlen 1–10 angedeuteten Verlauf nimmt, 1–2 oben, 2–3 unten, 3–4 oben u. s. s. Der Hauptsache nach besteht diese S. aus einem Rahmen, an dem das mit Stickerei zu versehende Zeug ausgespannt wird, den Nadeln und einem Apparat, der die Nadel ergreift, durchs Zeug sticht und mit dem Faden durchzieht.

Fig. 2.
Fig. 2.

Bei der S. ist der Rahmen vertikal und so beweglich aufgehängt, daß das Zeug in einer vertikalen Ebene bleibt, während die Nadeln nur eine horizontale Bewegung machen. Wenn also eine Nadel durch das Zeug an einer Stelle, z. B. Punkt 1 der Fig. 2, durchgegangen ist, so wird der Rahmen so bewegt, daß die Nadel beim Zurückstechen den nächsten Punkt, z. B. Punkt 2 der Fig. 2, trifft. Die S. arbeitet mit 200–450 Nadeln, die in zwei horizontale Reihen so verteilt sind, daß auf dem Zeuge gleichzeitig zwei kongruente Stickereien an zwei verschiedenen Stellen gebildet oder gleichzeitig zwei Zeuge bestickt werden. Dazu ist nötig, daß der Rahmen stets parallel verschoben wird. Zu dem Zwecke liegt der vertikale Stickrahmen A (Fig. 3) mit zwei runden Schienen a auf Rollen b, die wieder in einem Rahmen c sitzen, der sich mit Schneiden auf das gegabelte Ende eines Hebels d stützt, der in Fig. 3 abgebrochen gezeichnet ist, jedoch sich in Wirklichkeit über den Drehpunkt d' fortsetzt und am Ende ein Gegengewicht trägt. Die Gegengewichte beider Hebel halten dem Rahmen mit den darauf befindlichen Walzen e, e1, e2, e3 und dem aufgespannten Zeug das Gleichgewicht. Da nun außerdem der [22] Rahmen unten durch vertikale Schlitze f und oben durch Gleitschienen h und Zapfen g am Gestell geführt wird, so läßt er sich horizontal und vertikal so verschieben, daß er in einer vertikalen Ebene und jede in ihm liegende Linie ihrer ursprünglichen Lage parallel bleibt. An dem Rahmen sind vier Walzen e, e1, e2, e3 in Zapfen drehbar angebracht, von denen jede mit einem Sperrad versehen ist, in das je eine Sperrklinke (e', e'1, e'2, e'3) eingreift. Je zwei Walzen (e und e1, e2 und e3) dienen zur Aufspannung je eines Zeugstücks kk' parallel zu dem Rahmen, während die Sperrklinken die Rückdrehung verhindern.

Fig. 3. Stickmaschine (Querschnitt).
Fig. 3. Stickmaschine (Querschnitt).

Ist auf iedem Stück eine horizontale Reihe nebeneinander liegender Figuren fertig gestickt, so zieht man das Zeug von e auf e1 und von e2 auf e3 ein Stück weiter.

Die Bewegung zwischen je zwei Nadelstichen wird dem Rahmen mit Hilfe eines Storchschnabels (Pantographen) übertragen.

Fig. 4. Storchschnabel.
Fig. 4. Storchschnabel.

Fig. 4 zeigt diesen mit dem Rahmen A. I, II, III, IV ist ein in seinen Ecken in Scharnieren drehbares Parallelogramm. Die Seite II III ist bis zum Punkt V, die Seite III bis zum Punkt VI verlängert, wobei die Dimensionen I VI und III V so gewählt sind, daß die Punkte V, IV und VI auf einer Geraden liegen. Wenn man daher den Punkt V festhält und den Punkt VI die Kontur irgend einer Figur umfahren läßt, so wird dabei Punkt IV eine dieser ähnliche Figur verkleinert beschreiben. Der Punkt V ist nun an dem Gestell der S. drehbar befestigt, während im Punkt IV ein am Rahmen A befindlicher Zapfen angebracht ist. Da sich aber der Rahmen A so verschiebt, daß jede Linie in ihm ihrer ursprünglichen Lage parallel bleibt, so wird, wenn Punkt VI an einer vergrößerten Figur des Stickmusters entlang geführt wird, jeder Punkt des Rahmens, also auch des aufgespannten Zeuges, dieselbe Figur (gewöhnlich sechsfach) verkleinert beschreiben. An dem Stickmuster sind die einzelnen Fadenlagen durch Linien, die Nadelstiche durch Punkte angedeutet, der Arbeiter rückt einen in VI befestigten spitzen Stift zwischen je zwei Nadelstichen von einem Punkt auf den nächstfolgenden, so daß jeder Punkt des Zeuges in derselben Richtung um eine verkleinerte Strecke verschoben wird, die der wirklichen Größe des Musters entspricht.

Die Nadeln sind mit zwei Spitzen und einem in der Mitte sitzenden Ohr, durch das der Faden gezogen ist, versehen und werden durch das Zeug hin und her gestochen, indem sie auf jeder Seite von Zangen erfaßt, durchgezogen, dann wieder nach Verschiebung des Rahmens rückwärts eingestochen, losgelassen und von der auf der andern Seite dagegen geführten Zange ergriffen und durchgezogen werden. Diese Zangen sitzen auf jeder Seite in zwei horizontalen Reihen an je einem mit Rollen l l' auf Schienen m m des Untergestells C gegen das Zeug zu bewegenden Wagen B, B'. Jedes Gestell besteht aus einem Radgestell n n' von der Breite des Zeuges mit Schildern o, o', die oben und unten prismatische Schienen p, p' tragen. An diesen sind die Zangen mit ihren festliegenden Schenkeln q, q' befestigt, die an ihrer dem Zeug zugekehrten Seite eine kleine Platte mit einem konischen Loch zum Einführen der Nadeln haben. Die Nadeln werden so weit eingeschoben, daß sie gegen einen kleinen Vorsprung stoßen. Während sie nun in einer kleinen Rille liegen, wird der bewegliche Backen r, r' der Zange dagegen gedrückt. Dies geschieht in folgender Weise: Der Schwanz der beweglichen Zangenschenkel steht fortwährend unter dem Druck einer auf Schließung der Zange wirkenden Feder s, s'. Gegen die andre Seite des Schwanzes legt sich jedoch eine über sämtliche Zangen einer Reihe fortgehende Welle t, t', die im allgemeinen von rundem Querschnitt und nur an einer Seite abgeflacht ist. Liegt diese Welle mit ihren runden Teilen auf den Zangen, so sind dieselben geöffnet; ist sie dagegen so gedreht, daß sie ihre flache Seite den Zangen zukehrt, so geben die Schwänze dem Drucke der Federn nach und schließen sich. Zur Drehung dieser Wellen dient der Zahnsektor u, u', in den die Zähne einer durch einen besondern Mechanismus bewegten Zahnstange v, v' eingreifen. An den Stützen o, o' sind nun noch kleine durchgehende Wellen w, w' gelagert, an deren beiden Enden die Hebelchen x, x' und y, y' befestigt sind. Die Enden der erstern sind durch je eine parallel zum Zeug liegende dünne Stange z, z' verbunden, dieselben legen sich unter der Einwirkung der Gewichte β, β' auf die Stickfäden und geben ihnen eine gleichmäßige Spannung, werden aber aufgehoben, sobald sich die Zangen dem Zeuge so weit nähern. daß die Hebel y, y' gegen kleine am Maschinengestell befestigte Zapfen ζ, ζ stoßen. Die Bewegung der [23] Wagen n, n' mit den daran befindlichen Zangen erfolgt durch einen Arbeiter von einer Seite der Maschine aus mittels einer abwechselnd nach links und rechts gedrehten Kurbel, deren Bewegung auf je eine endlose Kette übertragen wird, deren oberer Lauf mit je einem Wagen verbunden ist.

Die Maschine arbeitet nun in folgender Weise: Die einen Enden der Fäden mögen im Zeug befestigt sein, während die andern in die Nadeln eingefädelt sind. Ist der linke Wagen eben gegen das Zeug gefahren, und sind dabei die Nadeln mit ihren aus den Zangen herausstehenden Spitzen durchgestochen, dann muß der rechte Wagen mit geöffneten Zangen vor dem Zeug stehen, um die Nadeln zu fassen. Darauf werden zugleich durch Verschiebung der Zahnstangen v und v' unter Vermittelung der Zahnsegmente u, u' und der Wellen t, t' die linken Zangen geöffnet und die rechten geschlossen, so daß die Nadeln nunmehr in den rechten Zangen festgehalten werden. Während nun der linke Wagen in seiner Stellung verbleibt, entfernt sich der rechte vom Zeug und nimmt dabei die Nadeln mit. Nachdem der Wagen einen kleinen Weg zurückgelegt hat, sind die an w drehbaren kleinen Stangen y an den Zapfen ζ so weit zurückgeglitten, daß sie sich zugleich mit den Hebeln x und den daran befestigten Querstangen z unter der Einwirkung des Gewichtshebels β gesenkt haben, so daß die Stangen z sich auf die durch das Zeug hindurchgezogenen Fadenenden legen. Der Wagen wird so weit geführt, bis die Fäden ganz ausgezogen sind, wobei sie durch die ausgelegte Stange z eine gleichmäßige schwache Spannung erhalten, die genügt, die eben auf der linken Seite des Zeuges entstandene Lage von Fadenschleifen gehörig anzuziehen. Nun wird der Rahmen A mit Hilfe des Storchschnabels verschoben, dann der Wagen B zurückgeführt, damit z gehoben und die Nadeln von rechts nach links durchgesteckt, worauf sich der beschriebene Vorgang abwechselnd von links nach rechts wiederholt. Um auf dieser Plattstichstickmaschine statt der kurzen Stickfäden beliebig lange Fäden verwenden zu können, hat man auch die den Zweifädennähmaschinen entnommenen Einrichtungen getroffen, daß das Garn von Spulen abgewickelt und mittels Schiffchen oder Greiser und Ohrnadeln verarbeitet wird. Zur Bildung des Festonstiches bedient man sich des Bohr- oder Festonnierapparates, der 1864 von Voigt erfunden ist. Vor jeder Nadel (Fig. 5) befinden sich dicht vor dem Stoffe zwei Stahlblechfinger a, b, zwischen denen der Stickfaden vom Stoffe nach der Nadel führt.

Fig. 5. Bohr- oder Festonnierapparat.
Fig. 5. Bohr- oder Festonnierapparat.

Wird nun a entlang der Linie a x und b entlang der Linie b y in die Stellung 2 bewegt, so ziehen sie den Faden zu einer Schlinge aus. Dann sticht die Nadel bei c durch den Stoff, letzterer wird darauf derart verschoben, daß der Stichpunkt d in die Nadelbahn kommt, worauf die Nadel zurückgestochen und durchgezogen wird, während die Finger auf den Wegen x a und y b (durch Stellung 3) in die Stellung 1 zurückkehren und den Faden anziehen. Die Kettenstichstickmaschinen beruhen auf der Bildung eines ausgelegten Musters mit Hilfe von Kettenstichen (s. Nähmaschine, S. 384) und arbeiten demnach mit Hakennadel und zwar gewöhnlich mit nur einer Nadel und einem Schlingenleger. Der Stichfaden wird von untenher durch den Schlingenleger durchgeführt und die gestickte Figur durch Schlingen gebildet, die sich auf das Zeug legen und sich nach dem Verlauf der Figur aneinander reihen müssen. Dieser Zweck ist dadurch zu erreichen, daß man das zu bestickende Zeug wie bei einer Nähmaschine auf der Zeugplatte um die Stichlänge verschiebt und zugleich durch Drehung in die richtige Lage zur Nadel bringt.

Fig. 6 u. 7. Kurbelstickmaschine. Vorder- und Seitenansicht.
Fig. 6 u. 7. Kurbelstickmaschine. Vorder- und Seitenansicht.

[24] Diese Doppelbewegung ist jedoch bei schweren oder großen Stoffen und bei stark gekrümmten Musterlinien äußerst schwierig auszuführen, weshalb man dem Stoff nur die Vorschubbewegung und der Nadel die Drehbewegung um ihre Achse erteilt. Auf diesem Prinzip beruht die sehr verbreitete Kettenstichstickmaschine von Bonnaz, die für diese Maschinenart vorbildlich geblieben ist. Die bei a sichtbare Hakennadel (Fig. 6 und 7) ist in einer Nadelstange b befestigt und wird mit dieser mittels des Schiebers d und Kurbel c von der Welle C auf und nieder geführt. Unter der Stoffplatte e befindet sich der Schlingenleger f. der von der Spule G das Garn erhält und in der bei Nähmaschinen, S. 384, Fig. 3, erklärten Weise mit der Nadel a den Stich bildet. Die Schwingung bekommt f dadurch, daß eine steile Schraube f, in das Schraubenrad f2 eingreift und durch die Stange F hin und her bewegt wird. Gleichzeitig ist durch Drehung der Stange F dem Schlingenleger eine Drehung um die Achse zu geben, und zwar mit Hilfe der Handkurbel H und der Kegelzahnräder h. Letztere setzen zugleich die Hülfe J und durch die Zahnräder h1, h2 und h3 die Nadelhülfe O in gleiche Schwingung, so daß also vermittelst der Handhabung der Kurbel H ohne Änderung der richtigen Stellung zwischen Schlingenleger und Nadel die letztere in die erforderliche Stichlage bringt. Dieser Stichlage entspricht auch die Richtung der Stoffvorrückung, weshalb der Stoffrücker l sich demgemäß einstellen und bewegen muß. Dazu dient der sich mit O im Kreise herum bewegende Hebel p, der einen Ring n1 mitnimmt, der in dem an dem Stoffrücker L l sitzenden Ring n liegt. Indem nun der Hebel p sich mit O aufwärts bewegt, schiebt sich dessen oberes Ende auf der Kegelmuffe q nach rechts, wodurch dann der Ring n mit dem Stoffrücker L l eine Schwingung nach links macht. L sitzt an dem Schieber l1 und wird durch die Feder r auf das Zeug gepreßt. Die Bewegung sämtlicher Teile geht von der Schnurscheibe S aus, deren Achse bei s s2 mit C gekuppelt wird; das Kreisexzenter c1 überträgt die Bewegung mittels Exzenterstange, den Winkelhebel c2 und F auf den Schlingenleger f. Die Einstellung des letztern und der Nadel a erfolgt ausschließlich durch die Handkurbel H (daher Kurbelstickmaschine). Durch Aufwärtsdrücken des Kurbelgriffes H werden die Hebel k1, k2, k3 und k4 in Tätigkeit, die Kuppelung s ausgelöst und die Maschine in Stillstand gebracht. Die Feder k5 rückt die Kuppelung ein, wenn H abwärts gezogen wird. Da die Kurbelstickmaschine mit großer Geschwindigkeit (1800 Stiche in der Minute) arbeitet, leicht zu übersehen und nach einiger Übung mit Sicherheit zu behandeln ist, so hat sie sehr große Verbreitung gefunden, zumal man sie auch mit zahlreichen Hilfsapparaten, z. B. zur Herstellung besonderer Zierstiche, zum Aufnähen von Litzen, Schnüren (Soutachieren) etc., ausgestattet hat. Vgl. Jäk, Die rationelle Behandlung der Stickmaschinen (Leipz. 1886).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 22-25.
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