Smolensk

[226] Smolensk, 1) Gouvernement im Europäischen Rußland, zwischen Mohilew, Witebsk, Pskow, Twer, Moskau, Kaluga, Orel u. Tschernigow; 1022,51 QM., wellenförmig, mehr eben (Alaunische Berge); Flüsse: Dnepr (mit der Wiäsma, Desna, Wopec, Beresina u.a.), Obscha, Mesha, Gshat, Kaspla, Ugra, Wäsuga u.a., im Ganzen 125 größere u. kleinere Seen u. viel Sümpfe; Klima: rauh, die Winter sehr kalt, Sommer kurz u. heiß, Luft gesund; die Einw.: 1,069,650, meist Russen, griechischer Confession, woneben Polen, Juden u. Deutsche, treiben Ackerbau (Getreide aller Art, mancherlei Gemüse), Viehzucht (Pferde, Schweine, weniger Schafe), Holzcultur, Jagd auf Bären, Wölfe, Luchse) u. etwas Bergbau; die Industrie liefert Tuch, Seife, Leinwand, Teppiche, Glas, Theer, Branntwein; der Handel führt Getreide, Manna, Holz (Mastbäume), Hanf, Flachs, Vieh (bis nach Deutschland) aus. Getheilt in 12 Kreise: S., Roslawl, Bjeloi, Dorogobush, Wiasma, Poretschie, Sytschewsk, Juchnow, Gshatsk, Krasnoi, Jelnja, Duchowschtschina. Wappen: eine schwarze Kanone mit goldner Laffete u. einem Paradiesvogel in silbernem Felde. 2) Kreis hier, mit wenig Waldung, vorzüglichem Ackerland, gut angebaut; industriell (Papier-, Tuch-, Leinwandfabrikation); 73,606 Ew. 3) Hauptstadt des Kreises u. der Statthalterschaft, in schöner Lage am Steilabhänge des Dnepr; ist durch eine Mauer mit 29 Thürmen umgeben, hat Citadelle u. einen Erdwall mit fünf unförmlichen Bollwerken u. mehren Außenwerken; am linken niedern Dnepruser liegt eine bedeuteude Vorstadt; Sitz des Bischofs u. Generalgouverneurs, hat 16 Kirchen, mehre Bethäuser, Gymnasium, Predigerseminarium, Cadettenhaus, Denkmal an das Jahr 1812; ist seit 1812, wo sie durch Brand fast die Hälfte Häuser verlor, schöner aufgebaut; hat Fabriken in Leder, Hüten, Seife, Seidenzeugen, ausgebreiteten Handel mit den Landeserzeugnissen; dreitägige große Messe, auf welche bes. viel Pferde zum Verkauf gebracht werden; im Jahr 185817,066 Ew. – S. war im 13. u. 14. Jahrh. eine bedeutende Festung u. gehörte sammt dem angrenzenden Lande, welches von den Kriwitschen bewohnt war, bereits seit 882 den Russen. 1404 entriß sie der Großfürst [226] Witold von Lithauen den Russen u. machte sie zur Hauptstadt eines besonderen Palatinats, Smolensko. Es blieb nun den Polen bis 1514, wo sie der russische Czar Wasilij Iwanowitsch sammt dem Palatinat mit Hülfe des Polen Glinski durch Verrätherei eroberte u. darauf im Frieden von den Polen völlig abgetreten erhielt. Czar Fedor u. Boris Godunow befestigten die Stadt stärker u. richteten sie zu einer Vormauer gegen Polen ein. 1609 zog aber ein polnisches Heer unter Sigismund III. gegen S., belagerte es fast drei Jahre lang u. nahm die Festung 1611 ein, erhielt dieselbe auch gegen Severien u. Czernigow in dem Zeitfrieden von Diwilina im Jahr 1618 abgetreten. Damals soll es nach polnischen Schriftstellern 200,000 Ew. gehabt haben. Nachdem die Russen 1632 einen vergeblichen Versuch zur Wiedereroberung gemacht hatten, bekamen sie es endlich 1654 u. 1667 durch Verrath u. es wurde nachher 1687 von Polen förmlich abgetreten. 1812 vereinigten sich hier die 1. u. 2. russische Westarmee auf ihrem Rückzug; am 17. August daselbst Schlacht zwischen Barclay de Tolly u. Napoleon, wobei Erster sich zurückzog u. die Stadt in Brand geschossen wurde, s.u. Russisch-deutscher Krieg S. 562 f.; von hier Rückzug Mitte November 1812, s. ebd. S. 567. Von ihr bekam Kutusow den Beinamen Smolenskoi.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 226-227.
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