[88] Weltgericht (Judicium extremum), das Gericht, welches einst Christus beim Untergang der Welt über alle Menschen halten wird. Schon unter den Juden war die Ansicht von einem Gericht verbreitet, welches einst der Messias über die den Juden feindseligen Nationen halten werde, u. es hingen diese Meinungen aufs Genaueste mit den messianischen Vorstellungen überhaupt u. mit der politischen Gestaltung des Jüdischen Reichs durch den Messias im Besondern zusammen. Außer den prophetischen Stellen bei Jesaias (Cap. 34, 1 ff. u. 66, 1224) gehören bes. die Stellen bei Joel 3, 17, wo ein Gericht über die Heiden im Thal Josaphat erwähnt wird, u. bei Maleachi 3, 1 ff., wo von einem Gericht über die Juden die Rede ist, hierher. Das N. T. enthält in dieser Beziehung einen doppelten Lehrtypus; es spricht theils von einer Vergeltung, welche sogleich nach dem Tode des Menschen eintreten wird (Luc. 16, 22 ff. in der Gleichnißrede vom reichen Mann u. anderweit), theils von einem besondern von Christo zu haltenden Weltgericht (Matth. 24 u. 25 ff. u. an vielen andern Stellen). Bei demselben erscheint Christus persönlich u. sichtbar (παρουσία, ἐπιφάνεια) zu einer Zeit, welche niemand kennt, selbst der Sohn nicht, der aber sehr trübe u. drangsalsvolle Zeiten vorhergehen. Die Ankunft Christi geschieht plötzlich u. überraschend, sie ist mit Lichtglanz u. Feuerflammen verbunden u. der Herr wird von Engeln begleitet. Nach dem Ruf der Posaune stehen die Todten auf u. nun setzt sich Christus auf den Richterstuhl u. hält von Engeln umgeben das Gericht, welches sich auf Lebende u. Todte unter allen Völkern, auch über die bösen Engel erstreckt, u. bei welchem Werke u. Thaten berücksichtigt werden. Hierbei wird die strengste Gerechtigkeit u. Unparteilichkeit stattfinden u. kein Ansehen der Person gelten, u. es tritt nun eine dauernde Trennung der guten u. bösen Menschen ein, indem die Einen in das Reich Gottes zur ewigen Seligkeit aufgenommen, die Andern davon ausgeschlossen werden u., sofern sie namentlich gegen ihr besseres Wissen dem Evangelium widerstrebten, dem ewigen Verderben anheimfallen. Über den Ort, wo das Gericht gehalten werden soll, spricht sich die Schrift nicht bestimmt aus, auch sagt sie nichts über die Dauer dieses Gerichts. In der ersten christlichen Zeit hielt man im Allgemeinen an den neutestamentlichen Lehren über das W. fest, u. nur Origenes u. einige seiner Anhänger suchten die Darstellung des Gerichts in allegorischer Weise zu erklären. Die Kirche hielt sich in den drei ältesten Symbolen an die Lehre von der Wiederkunft Christi zum W., wie sie die Schrift darstellt, u. die Symbolischen Bücher der Protestanten behandeln diese Lehre ziemlich kurz, weil unter den einzelnen Confessionen darüber keine wesentliche Meinungsverschiedenheit stattfand. Sie erklären also mit der Schrift, daß nach dem Tode die Seelen der Geschiedenen belohnt od. bestraft werden, daß aber beim W. ein allgemeiner Urtheilsspruch über dieselben stattfinden wird, welchen sie mit der Auferstehung der Leiber in Verbindung bringen. Dabei widersprechen sie dem Mittelzustande der Seelen vom Tode bis zur Auferstehung u. verwerfen damit die katholische Lehre vom Fegefeuer, während sie über das von der Schrift mit dem W. verbundene Weltende nichts Näheres anführen. Die Theologen nach der Reformation hielten an den neutestamentlichen Vorstellungen nicht nur fest, sondern suchten auch auf die Wirkungen des W-s näher einzugehen u. namentlich die Art der Seligkeit u. Verdammniß genauer darzustellen. Dagegen weichen die neuern Theologen von dieser Lehre in so weit wesentlich ab, als sie in den neutestamentlichen Bildern nur sinnliche Zeitvorstellungen finden, bei welchen sich Christus den damals herrschenden messianischen Ideen accommodirt habe, od. in denen überhaupt die Idee der göttlichen Gerechtigkeit ausgedrückt werde, während die streng lutherischen Theologen, wie Hengstenberg, Schmieder u. A. die ganze Lehre vom W. in unmittelbare Verbindung mit dem Reiche Gottes bringen u. demgemäß an den einzelnen Darstellungen des biblischen Lehrbegriffs festhalten. Die chiliastische Richtung, welche wieder ihre Vertreter unter den Theologen gefunden hat, hat sich auch mit der Lehre vom W. beschäftigt. Vgl. Luthardt, Die Lehre von den letzten Dingen, Lpz. 1861. Das W. ist ein sehr gewöhnlicher Gegenstand der alten Malerei, wo Jesus, thronend im Himmel, die Seelen u. Geister in die Seligen zu seiner Rechten u. in die Verdammten zur Linken theilt, u. jene von Engeln zu lichten Regionen geführt, diese von Teufeln in den brennenden Abgrund gestürzt werden. Das berühmte Altarbild, wahrscheinlich von Martin Schön, in Danzig (1807 nach Paris entführt u. von da 1815 reclamirt), u. das Jüngste Gericht von Lucas von Leyden auf dem Rathhause zu Leyden sind die wichtigsten Gebilde dieser Art.