Zugvögel

[723] Zugvögel (Aves migratoriae, A. peregrinantes), die Vögel, welche in der kälteren Hälfte des Jahres ihren gewöhnlichen Wohnort verlassen u. theils um der Kälte, theils um dem Nahrungsmangel auszuweichen, gegen den Äquator ziehen. Die meisten werden in den gemäßigten Gegenden geboren u. begeben sich in wärmere Landstriche, z.B. die aus Europa nach Nordafrika; andere werden in nördlicheren Gegenden ausgebrütet u. bringen den Winter in gemäßigten Ländern zu (Seidenschwanz, Krammetsvogel); noch andere, vielleicht der kleinste Theil, ziehen gewisse Gegenden nur durch (z.B. Schneegänse) Dieser Zug, wenn sie im Frühjahre wiederkommen, heißt der Wiederstrich (Wiederzug); er geschieht zwar nicht in gewisser, ganz genau bestimmter Zeit, leidet aber auch niemals mehr als 14 Tage Unterschied, welcher durch rauhere od. gelindere Witterung veranlaßt wird. Man unterscheidet Sommerzugvögel, welche im Frühlinge vom Süden her kommen u. im Herbste dahin gehen, u. Winterzugvögel, welche im Herbste vom Norden herkommen u. im Frühlinge dahin fortziehen Im Februar zieht in Deutschland (nach Norden) fort: Schwarzrückiger Specht, Bergfink, Schnee- u. Bergammer, Berglerche, Kragenente; im März: Misteldrossel, Habichtseule, Haubenlerche, Wilde Gans, Saatgans, mehre Eulenarten u.a.; im April: die zurückgebliebenen Krammetsvögel. Im Mai u. Juni bleiben die Vögel gewöhnlich ohne Veränderung. Im Juli (gegen Süden): Uferschwalbe, Meerschwalbe, Meve; im August: Pyrol, Rohrdrossel, Grasmücke (Gesperberle), einige Strandläufer, Seeschwalben, ferner Kukuk, Mauerschwalbe, einige Fliegenfänger, Störche u.a.; im September: einige Falken, Meerschwalben, Sumpfvögel, Gänse, ferner viele Singvögel, als Nachtigall, Steinschmätzer, Pieper, Drosseln, Schwalben, Wendehals, Wiedehopf u. v. a.; im October: viele Raubvögel, viele Sänger, Lerchen, Staare, Trappen, viele Wasservögel, Wachtel, einige Tauben, viele Sumpfvögel, Schwan, Bachstelze u. v. a. Im September, noch mehr im October, ist die Wanderung der Vögel am größten. Im November kommen von Norden an: einige Falkenarten, Misteldrossel, Haubenlerche, Regenpfeifer, Ralle, Wasserhuhn, Sägetaucher, Ammer, einige Entenarten etc. Endlich im December wandern gegen Süden: noch übrig gebliebene Misteldrosseln, Schellente, Kleiner Steißfuß, Mittlerer Brachvogel. Die Männchen kommen jederzeit einige, bisweilen acht Tage früher, als die Weibchen; die rückkehrenden nehmen bis auf wenige Ausnahmsfälle ihre früheren Wohnörter wieder ein. Auf den Zügen werden die kleineren Vögel oft von Raubvögeln begleitet, daher diese unter die Z. zu rechnen sind. Der Zug der Z. geschieht meist am Tage, es gibt aber auch einige, wie die Nachtigall, Grasmücke u. überhaupt Singvögel, welche blos des Nachts reisen, wobei sie oft ein durchdringendes, im Aberglauben eine große Rolle spielendes Geschrei ausstoßen; das Reisen selbst geschieht in Gesellschaft, auch wohl in geordneten Zügen (z.B. die wilden u. Saatgänse, Kraniche in einem an der Basis offenen Dreieck) mit besonderen Anführern, bei einigen nach einigen Vorbereitungen (z.B. die Schwalben, welche sich mehre Tage vor ihrem Abzuge[723] schaarenweise versammeln, herumfliegen u. gleichsam ihre Kräfte versuchen); andere locken vorher durch eigene Stimmen die Ihrigen zur Vereinigung. Meist fliegen sie gegen den Wind, doch einige schwerfliegende, z.B. die Wachtel, mit dem Winde, wodurch es diesen möglich wird, das Mittelländische Meer zu überfliegen. Wohin sich die einzelnen Geschlechter der bei uns geborenen Z. begeben, ist im Allgemeinen wohl bekannt, nämlich ein großer Theil nach der Berberei, Ägypten, Senegambien u. andern afrikanischen Ländern, wo aber die wenigsten Nester bauen u. brüten, u. ob die einzelnen auch dort, wie bei uns, ihren früheren Wohnort wieder suchen, ist zweifelhaft. In den Gegenden jenseit des Äquators ziehen mehre Vögel, z.B. die Schwalben, nach den Äquatorgegenden. Ihr Ankommen od. Fortziehen gilt gewöhnlich für ein Anzeichen der zu erwartenden Witterung, aber oft kommt wenigstens der eine od. der andere Zugvogel zu früh u. muß durch später folgende unangenehme Witterung viel leiden. Der Trieb zum Ziehen liegt dem Vogel so tief in der Natur, daß selbst die im Käfig gehaltenen Z. mehr od. weniger unruhig werden, wenn die Zugzeit eintritt, aber dieser Wandertrieb muß nur als reiner Instinctstrieb betrachtet werden, da zu der Zeit, in welcher die Vögel die Gegenden verlassen, wo sie sich den Sommer über aufhielten, sich dort sowohl weder Futtermangel als Kälte noch gar nicht eingestellt haben; s.u. Wanderungen der Thiere. Vgl. Fuchs, Was leitet die Z. bei ihren Wanderungen? Königsb. 1831.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 723-724.
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