Cochin-China

[441] Cochin-China, d.h. Westchina, gewöhnlich Anam genannt, ein Kaiserthum in Hinterindien oder der Halbinsel jenseit des Ganges, östl. vom Meerbusen von Anam oder Tunkin, südl. vom ind. Meere, westl. von Siam und Birma, nördl. von China begrenzt, mit einem Flächenraume von 13,900 ! M. und nach Einigen über 20, nach Andern unter 10 Mill. Einw. Das Land wird von hohen Gebirgen meist in südöstl. Richtung durchzogen, auf denen zahlreiche Gewässer entspringen; der Hauptstrom des Landes aber, der Kambodscha oder Menam-Kom, kommt aus Tibet, und verursacht zuweilen ebenso bedeutende Überschwemmungen wie die übrigen großen Flüsse Hinterindiens. Das Klima [441] ist im Allgemeinen gesund und namentlich in der Nähe der Küsten werden weder Hitze noch Kälte beschwerlich. Die Mehrzahl der Bewohner gehört zur mongol. Race und hat daher in der Gesichtsbildung viele Ähnlichkeit mit den Chinesen, denen sie auch in Sitte und Lebensweise sehr gleichen, indessen weniger umständlich in ihren Höflichkeitsbezeigungen sind. Sie färben sich die Zähne schwarz, kauen allgemein Betel (s.d.), tragen lange und weite Kleider, sind freundlich gegen Fremde, tapfere Soldaten und stehen in Gewerben und Künsten den Chinesen kaum nach. Ihre Sprache gleicht der chines., auch bedienen sie sich derselben Charaktere zum Schreiben, setzen sie aber auf andere Weise zusammen, und ihre Bücher sind meist aus dem Chinesischen übersetzt. Eine herrschende Religion gibt es nicht, sondern die niedern Classen bekennen sich meist zu der des Buddha, die höhern zu der des Kon-fu-tse (s.d.); außerdem fand das katholische Christenthum durch die Bemühungen der Portugiesen und franz. Jesuiten seit dem 17. Jahrh. hier viel Anhänger, und obgleich sie im 18. Jahrh. blutige Verfolgungen erdulden mußten, schätzt man die Zahl derselben noch auf 1/2 Mill. Zu den vorzüglichsten Landesproducten gehören: vortreffliches Nutz- und Bauholz, Südfrüchte, Kaffee, Reis, eine merkwürdige Obstsorte, Vai genannt, die traubenförmig wächst und hühnereiergroße, rothe Beeren trägt, welche den schönsten Kirschen gleichen; Zucker, Betel, Indigo, Baumwolle, Zimmt, Seide, Thee, Elefanten, Tiger, Gazellen, Affen und Schlangen, Büffel, wenig Schafe, Geflügel in Menge, darunter die Salangane, von der die ind. Vogelnester kommen, und an Metallen Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Zinn, sowie Smaragde, Rubine u.a. Edelsteine. Der Bergbau wird jedoch höchst nachlässig betrieben, dagegen blüht besonders im N. des Landes der Acker- und der Gartenbau, bei dem aber der kleinliche chines. Geschmack vorherrscht, und der Binnenhandel ist sehr belebt; zur See werden vorzüglich mit China, Siam und den brit. Häfen in der Straße von Malakka Verbindungen unterhalten und der bisher unbedeutende directe Verkehr mit Europa und Amerika ist jetzt im Zunehmen begriffen. Politisch eingetheilt ist das Reich in die durch Bergketten voneinander geschiedenen Statthalterschaften Kambodscha und Tunkin, und das vom Kaiser unmittelbar verwaltete Cochinchina. Die Regierungsform ist despotisch, und der Bambus wird gegen Ungehorsame, ohne Unterschied des Standes, fleißig gehandhabt; übrigens besorgen unter dem Regenten sechs Minister, die Statthalter von Kambodscha und Tunkin und der Elefanten- oder erste Minister, die Staatsangelegenheiten als höchste Behörden. Die ganze männliche Bevölkerung von 18–60 Jahren ist verpflichtet, im Heere zu dienen, das auf mehr als 360,000 M. mit 800 Kriegselefanten geschätzt wird; allein die regelmäßig bewaffneten und geübten Truppen betragen nur 50,000 M. Die Seemacht besteht aus zahlreichen Kanonenbooten, 100 großen und 500 kleinen Galeeren, die mit 30,000 Matrosen und Seesoldaten bemannt werden. Die Haupt- und Residenzstadt Hue oder Phuxuan in C. an einem Küstenflusse gelegen und von mehren Kanälen durchschnitten, hat 60,000 Einw., welche meist Bambushütten bewohnen, von denen jede nach der Straße hin mit einem verzäunten Hofraume versehen ist. Daneben befindet sich eine von Franzosen angelegte Festung, die 1/2 M. im Umfange hat und den kais. Palast mit der Schatzkammer, das prächtigste Gebäude des Reichs, ein vortreffliches Zeughaus, groß, Magazine und Casernen enthält. Im nördl. Gebiete ist di, frühere Hauptstadt Backing, von den Europäern Tunkin genannt, mit 40,000 Einw. und von einer Bambushecke als Befestigung umgeben, merkwürdig. Zu erwähnen sind ferner: die wichtigste, von Europäern vielbesuchte Handelsstadt Huehan oder Faisoë an der Han- oder Turonbai; Kambodscha, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, auf einer Insel des Menam-Kom, und Say-gan als einer der wenigen guten Häfen und die gewöhnliche Station der kais. Kriegsflotte. – Die gegenwärtige Gestaltung des Kaiserthums C. gehört der neuesten Zeit an, denn nachdem diese früher von China eroberten Gebiete sich allmälig unabhängig gemacht und dann gegenseitig bekriegt und unterjocht hatten, gelang es erst im Anfang dieses Jahrh. dem der Obhut eines franz. Geistlichen anvertraut gewesenen Sohne des letzten Königs von C., mit Hülfe von Europäern nach langem Kampfe nicht nur sein Erbland, sondern auch Tunkin und Kambodscha zu erobern, und zu dem jetzigen Kaiserthume Anam oder C. zu vereinigen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 441-442.
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