Marokko

[65] Marokko (das Kaiserthum), nach seinen beiden Hauptbestandtheilen auch Fez und Marokko oder das Sultanat Mogh'rib-ul-Aksa genannt, d.h. der äußerste Westen, bildet die nordwestl. Ecke von Afrika, wird östl. von Algier und Biledulgerid, nördl. 67 M. weit vom mittelländ. Meere, westl. auf einer Strecke von 140 M. vom atlant. Meere, südl. von der Wüste Sahara begrenzt und hat auf 13,725 ! M. ungefähr 81/2 Mill. Einw. Die frühere Geschichte dieses Landes ist die der ganzen Berberei (s. Barbaresken), doch erhielt es sich stets unabhängig von der Pforte und wird seit 1547 von der Familie des Mehemed, genannt Sherif, eines angeblichen Nachkommen Mohammed's, beherrscht. Der Thron ist unter den männlichen Nachkommen des Herrschers erblich, allein nicht nach dem Rechte der Erstgeburt, daher jeder Regentenwechsel einen Krieg zwischen Brüdern und Verwandten erregt. Die meisten Regenten waren grausam und tyrannisch und namentlich ist Mulei Ismael, gest. 1727, als einer der größten Wüthriche berüchtigt. Von seinen 8000 Frauen hatte er 825 Söhne und 342 Töchter und es kann sonach nicht auffallen, daß die Zahl der Sherifs in M. sich jetzt auf 40,000 belaufen soll. Der regierende Sultan Mulei-Abd-errahman besitzt den Thron seit dem 28. Nov. 1822, herrscht unumschränkt und bedient sich blos einer kleinen Anzahl beliebig dazu ausersehener Personen zu Rathgebern. Viermal wöchentlich hält der Sultan öffentliche Audienz und spricht Recht, allein ohne Geschenke darf dann Niemand kommen und der Koran ist das allein gültige Gesetzbuch. Die Staatseinkünfte aus dem Zehnten, der Judensteuer, den Zöllen und andern Abgaben werden auf 3 Mill. Thlr. geschätzt und werfen einen bedeutenden Überschuß ab, welcher in den Schatz des Sultans fließt. Für gewöhnlich besteht das Heer aus 15,000 M., davon die Hälfte Neger sind, im Kriege aber wird die Miliz aufgeboten und die Armee wächst dann auf 100,000 M.; die Seemacht zählt nur noch einige Briggs und Kanonierschaluppen.

Das Land wird von Nordost nach Südwest vom hohen Atlasgebirge durchzogen, dessen Gipfel sich zum Theil über 13,000 F. erheben und ewigen Schnee tragen, allein das auch den glühenden Wind der Wüste von den westl. davon liegenden Provinzen abwehrt und die Quellen zahlreicher Flüsse enthält, von denen der Muluja oder Mulvia und Nakkor, welche ins mittelländ. Meer münden, der Mesclarai-Aschef, Sehhel, El-Coß oder Luccos, Sebu, Ommer-Begh, Tensift, Sus und Nun, die ins atlant. Meer sich ergießen, die wichtigsten sind. Das Klima ist gesund und mild, die Jahreszeiten unterscheiden sich blos durch Trockenheit und Regen und der Boden erzeugt bei guter Bewässerung alle Arten Getreide und Feldfrüchte, Obst und vielerlei Südfrüchte, Baumwolle, Kapern u.s.w. in außerordentlicher Fülle, doch verderben zuweilen Heuschrecken einen Theil der Ernten; es gibt ferner viele Arten von Gummibäumen und auf den Abhängen der Gebirge große Waldungen von Stein-und Korkeichen. Herrliche Weideplätze begünstigen die ausgedehnt betriebene Viehzucht und man hält unter Anderm auch viele Schafe mit sehr guter Wolle, und Ziegen, deren Felle zu Saffian- und Maroquinleder, ihr Haar zu Zeltdecken und groben Stoffen verarbeitet wird; ausgezeichnet sind auch die Pferde, die Ausfuhr derselben aber streng verboten. Wild ist ebenfalls reichlich vorhanden, allein auch die reißenden Thiere Afrikas sind in den abgelegenern Gegenden heimisch. Zu den fast gar nicht benutzten Producten [65] des Mineralreichs gehören Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Blei, Steinsalz, Salpeter und auch an Mineralquellen gebricht es nicht. Die Bevölkerung bekennt sich fast ganz zur mohammedanischen Religion und besteht etwa zum dritten Theil aus Amazirghen (Berbern und Tuariks, die ältesten Landesbewohner und zum Theil fast unabhängige Hirten und Jägerstämme), aus Ackerbau treibenden Schellöchen, 31/2 Mill. Arabern und Mauren, 600,000 sehr gedrückten Juden, 120,000 Negern (theils Sklaven theils Soldaten) und einigen hundert Europäern. Gewerbe und Fabriken werden meist sehr unvollkommen betrieben, doch haben die nördl. Städte ausgezeichnete Gerbereien und mehre Provinzen sind wegen der dort verfertigten Teppiche, rothen Mützen, wollenen Mäntel und vortrefflichen Töpferarbeiten berühmt; auch wird ein sehr einträglicher Handel durch Karavanen mit dem innern Afrika und zur See mit der Levante und Europa betrieben, wohin besonders Wolle, Wachs, Getreide, Häute, Gummi, bittere Mandeln, Elfenbein, Strausfedern u.s.w. ausgeführt werden.

Gewöhnlich wird das marok. Reich in das nördl. Gebiet von Fez, das südl. von M., Tafilelt und die östl. vom Atlas gelegenen Provinzen, Sudschelmesa nebst Daraa, Guzzula und Sus-ul-Aksa eingetheilt. In M. liegt in einer großen, getreidereichen Ebene, 31/2 M. vom Atlas, die 1052 gegründete Hauptstadt Marokko, eigentlich Marakasch, im 12. Jahrh. mit 700,000 und jetzt kaum 30,000 Einw., hat drei Stunden im Umfange, eine Mauer mit Thürmen, schöne Wasserleitungen aber schmuzige Straßen und viel öde Plätze. Der große Bazar heißt die Caissaria, östl. vor der Stadt aber liegt der von Quadern prächtig erbaute, von einer besondern Mauer umgebene kais. Palast mit großen Gärten, wird aber nur im Sommer zuweilen bewohnt. Wichtige Seestädte sind: Saffi oder Asaffi mit 12,000 Einw. und einer vortrefflichen Rhede; das 1760 gegründete Mogador mit 17,000 Einw., einer Citadelle und andern Festungswerken, aber wenig tiefem Hafen, wo mehre christliche Viceconsuln residiren und wohin auf kais. Befehl der Handel von dem auf einer befestigten Anhöhe gelegenen Santa-Cruz, bei den Arabern Apadir, verlegt wurde, das einen bessern Hafen hat. In Fez liegen: die befestigte kais. Residenzstadt Meknäs oder Mekines mit 55,000 Einw. in einer trefflich bewässerten Gegend, wo vorzüglich viel Oliven gebaut werden; Alcassar am Luccos mit 5000 Einw., in dessen Nähe 1578 König Sebastian von Portugal in der Schlacht fiel; Tanger oder Tandscher mit 9500 Einw., darunter 100 Christen, der Sitz sämmtlicher europ. Consuln, auf einer Höhe an einem geräumigen Meerbusen im engsten Theil der Straße von Gibraltar, mit einem Franziskanerkloster und der einzigen christlichen Kirche in M.; Tetuan mit 16,000 Einw. am Martil, dessen eine M. entfernte Mündung zum Hafen dient; Fez oder Fas mit 90,000 Einw., in einem herrlichen Thale, besteht aus der alten und der neuen Stadt, hat mehre zahlreich besuchte Schulen, einen großen Bazar für ausländische Waaren und ist ein Hauptsitz des Handels und der Gewerbthätigkeit; Salé mit 23,000 Einw., einem großen Hafen, kais. Schiffswerften und Seemagazinen, war sonst Hauptsitz der marok. Seeräuberei; gegenüber liegt an der Mündung des Buregreb die betriebsame Stadt Rabatt mit 28,000 Einw. In den Gebieten östl. vom Atlas sind namentlich die Plätze Tafilelt und Suschelmesa wegen ihres Handels nach dem Innern wichtig. – Im Gebiet von Fez liegen auch an der nördl. Küste die span. Presidios, der Überrest der früher von den Spaniern gemachten Eroberungen, mit den befestigten Ortschaften Ceuta, Peñon de Velez, Melilla, Alhucemas, die einigen Handel treiben und wohin span Verbannte und Verbrecher gebracht werden. Die erstern dürfen in den Orten frei umhergehen, die andern werden zwei und zwei zusammengeschlossen zu schweren Arbeiten gebraucht.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 65-66.
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