[896] Jesuīten oder Gesellschaft Jesu (lat. Sociĕtas Jesu, abgekürzt S.J.), geistl. Orden, 1534 von Ignatius von Loyola (s.d.; daher auch Ignatianer) gestiftet, 1540 von Papst Paul III. bestätigt, gliedert sich in vier Klassen: 1) Novizen; diese legen erst nach Proben der Selbstverleugnung und des Gehorsams die Gelübde der Armut, Keuschheit und des Gehorsams ab; sie werden dann 2) Scholastiker, studieren in den Ordenskollegien erst fünf [896] Jahre Philologie und Philosophie, werden zunächst als Lehrer beschäftigt, studieren dann vier Jahre Theologie und empfangen die Priesterweihe; nach einem dritten Probejahre werden sie 3) Koadjutoren, widmen sich der Seelsorge, Mission oder dem Unterricht an Schulen, Universitäten und in Familien; eine Anzahl von ihnen werden 4) Professen; diese legen noch das vierte Gelübde des unbedingten Gehorsams gegen jede Anordnung des Papstes ab und bekleiden die höchsten Ämter des Ordens; Kirchenämter nur auf ausdrücklichen päpstl. Befehl, tatsächlich selten. An der Spitze des Ordens steht der General in Rom, von der Generalkongregation (die Provinzialen, zwei Professen jeder Provinz und die Assistenten des Generals) auf Lebenszeit gewählt, mit unbedingter Regierungs- und Jurisdiktionsgewalt; ihm stehen zur Seite fünf Assistenten und ein Admonitor (Mahner); an der Spitze jeder Provinz steht der vom General ernannte Provinzial.
Geschichte. Der zweite General, Laynez (1556-65), bildete die Richtung im Orden aus, deren Ziel Befestigung der unbeschränkten Macht des Papstes und Ausrottung des Protestantismus war. Deshalb bemächtigten sich die J. in weitem Umfange des Beichtstuhls und der Seelsorge sowie des Jugendunterrichts durch Anlegung von höhern Schulen (Jesuitenschulen), zu denen der fünfte General, Claudio Aquaviva (1581-1615), den Lehrplan entwarf. In Frankreich erlangten die J. erst 1562 Zulassung und spielten, nachdem sie 1594 infolge des Attentats ihres Schülers Chatel auf Heinrich IV. verwiesen worden waren, seit 1603 als Beichtväter des Hofs eine Rolle. In Deutschland vertrauten ihnen Ferdinand II. und III. vollständig; sie waren die Seele der Liga während des Dreißigjähr. Krieges. Überall entwickelten sie als Schriftsteller große Regsamkeit, wobei durch strenge Ordenszensur eine einheitliche Richtung erzielt wurde (Bellarmin, Suarez, Busembaum, Sirmond, Petavius). Ihr Moralsystem (Probabilismus), ihre auf äußere Erfolge ausgehende, dem Heidentum sich anbequemende Mission und ihre polit. Intrigen erregten allerwärts eine heftige Opposition gegen sie. Nach dem Attentat auf Joseph I. wurden sie 1759 aus Portugal vertrieben, 1764 in Frankreich aufgehoben, 1767 aus Spanien, bald darauf aus Neapel, Parma und Matta verbannt; 1773 sprach Papst Clemens XIV. durch das Breve Dominus ac Redemptor noster die völlige Aufhebung des Ordens aus. Friedrich II. von Preußen duldete die J. als Priester des königl. Schulinstituts; nach Aufhebung des letztern durch Friedrich Wilhelm II. blieb der Orden nur in Rußland in Ansehen, ohne auch anderwärts ganz zu erlöschen. Papst Pius VII. stellte ihn 1814 durch die Bulle Sollicitudo omnium wieder her. In Spanien gelangte er 1815 wieder in den Besitz seiner Rechte, und seine Wirksamkeit war das. nur vorübergehend unterbrochen; in Portugal wurde er seit 1829 wieder zugelassen; in Frankreich unter Ludwig XVIII. geduldet, 1845 aufgelöst, unter Napoleon III. wieder einflußreich, durch Dekret vom 29. März 1880 und nach neuer Duldung 1901 wieder ausgewiesen; in Belgien, auch in Großbritannien, in Nord- und Südamerika wurden die J. bald heimisch; aus Rußland wurden sie 1820 für immer verwiesen, aus der Schweiz 1847; in Bayern (vor 1848) und Österreich waren sie als Redemptoristen geduldet; das Deutsche Reich verfügte durch das Jesuitengesetz vom 4. Juli 1872 (teilweise aufgehoben 8. März 1904) ihre Ausweisung. In der kath. Kirche ist ihr Einfluß unter Pius IX. bes. durch General Beckx gewachsen; das Dogma von der unbefleckten Empfängnis (1854), der Syllabus und die Enzyklika vom 8. Dez. 1864, das Vatikanische Konzil (1870) und die Verkündigung der päpstl. Unfehlbarkeit sind ihr Werk. Die 15.400 Mitglieder (1904) verteilen sich auf 23 Provinzen oder 5 Assistenzen. General ist der span. Pater Luis Martin (s.d.). – Vgl. Duller (neue Ausg. 1893), Reusch (1894), Henne am Rhyn (3. Aufl. 1894), Boehmer-Romundt (1904).