Feldbefestigung

[389] Feldbefestigung, Einrichtung des Geländes für Gefechtszwecke, wird meist in kurzer Zeit mit den an Ort und Stelle vorhandenen Mitteln ausgeführt und ist vorzugsweise für einen einzelnen Gefechtstag im Feld-, aber auch für längere Zeit im Festungskrieg, oder für die ganze Dauer des Krieges zur Deckung der Verbindungslinien des Heeres an Bahnhöfen, Etappenorten etc. bestimmt. Die F., schon im Altertum vielfach angewendet, von den Römern bei ihren Lagerbauten besonders vervollkommt, erlangte mit Einführung der Feuerwaffen und namentlich seit dem Dreißigjährigen Kriege häufiger, in den Stellungskriegen des 18. Jahrh. zuletzt übertriebene Anwendung. Napoleon führte sie auf ihren wahren Wert als Hilfsmittel der Truppenführung im Gefecht zurück und zeigte 1813 bei Dresden ihre Ausnutzung in ausgedehntem Maß. Im Kriege 1866 waren die von den Österreichern gegen das Vordringen der Preußen auf Wien bei Floridsdorf errichteten Schanzen bemerkenswert.

Bei der Wirkung der heutigen Feuerwaffen hat die F. erhöhte Bedeutung gewonnen; rechtzeitig am richtigen Ort hergestellt, leistet sie wichtige, zuweilen unentbehrliche Dienste. Sie kann nicht nur in der Verteidigung, sondern auch beim Angriff zur Festhaltung und Verstärkung gewonnener Abschnitte Anwendung finden, und über diese entscheidet die Truppenführung. Die Kriegslage ist bestimmend für die Wahl einer Verteidigungsstellung. Bei der vorhergehenden Erkundung ist stets die gewählte Stellung auch vom Standpunkt des Angreifers zu beurteilen und zunächst festzustellen, ob man sie nur zeitweilig halten oder für einen Entscheidungskampf einrichten will. Starke Fronthindernisse sind meist vorteilhaft, weil sie den Feind aufhalten oder zur Umgehung zwingen, wodurch immerhin Zeit gewonnen wird; sie sind dagegen Gegenangriffen des Verteidigers hinderlich. Die Ausdehnung der Stellung muß im angemessenen Verhältnis zu der zur Verfügung stehenden Truppenstärke stehen; Haupterfordernis ist freies Schußfeld, besonders für die Artillerie. Flach abfallende Höhen sind für die Feuerwirkung der Infanterie, weitreichende Aussicht für die Artilleriewirkung günstig. Die Möglichkeit der Feuervereinigung auf die wahrscheinlichen Angriffsrichtungen und des Zusammenwirkens der Waffen sichert am besten den Erfolg. Vorteilhaft ist die Stellung, wenn das Vorgelände für die Entwickelung der feindlichen Artillerie ungünstig ist; Wald, und unübersichtliches Gelände nahe der Stellung, besonders auf den Flügeln, ist nachteilig, auch innerhalb derselben sind Übersichtlichkeit, gute Wege etc. von Vorteil, besonders aber dürfen im Rücken nicht schlechte Wege oder gar schwierige Hindernisse vorhanden sein.

Bei der Anordnung der F. empfiehlt sich die Einrichtung vorgeschobener Stellungen meist nicht, sie ist mitunter sogar bedenklich, wenn die vorgeschobenen Truppen zurückgeworfen werden. Man richtet sich daher am besten auf nur einer Linie möglichst stark ein. Zunächst ist das Schußfeld frei zu legen, dann erst ist für Deckung Sorge zu tragen, wobei es auf schnell herzustellende, verteidigungsfähige Anlagen ankommt. Die Einrichtung der F. ist den Geländeformen[389] so anzupassen, daß sie der Sicht des Angreifers möglichst entzogen ist; Artilleriestellungen werden hinter den Höhenkamm zurückgezogen. Brustwehren müssen niedrig gehalten werden, alle Anschüttungen ein möglichst wenig von der Umgebung zu unterscheidendes Ansehen erhalten. Bei Dörfern ist es nicht ratsam, den Rand selbst zu befestigen, besser ist die Stellung etwas davor, weil dies dem Gegner das Einschießen erschwert.

Fig. 1. Schützengraben für kniende Schützen. a Absatz (Berme) zum Aufstützen der Arme und Bereitlegen der Patronen, etwa 30 cm breit.
Fig. 1. Schützengraben für kniende Schützen. a Absatz (Berme) zum Aufstützen der Arme und Bereitlegen der Patronen, etwa 30 cm breit.

Womöglich sind die Infanteriestellungen vorwärts der Artillerie einzurichten, um diese nicht dem feindlichen Infanteriefeuer auszusetzen, auch bei einem Artilleriekampf die Infanterie nicht in Mitleidenschaft zu ziehen; das Feuer der eignen Artillerie darf aber keinesfalls behindert werden. Die F. besteht für die Infanterie aus Schützengräben und Deckungsgräben für Unterstützungstruppen und Reserven. Sofern es die Umstände gestatten, ist in beiden der Bau leichter Eindeckungen gegen Schrapnell- und Splitterwirkung vorzusehen.

Fig. 2. Schützengraben für stehende Schützen
Fig. 2. Schützengraben für stehende Schützen

Die Deckungen für die Infanterie werden am stärksten da sein müssen, wo gute Artilleriestellungen gegenüberliegen. Ist man über die Angriffsrichtung nicht im klaren, so empfiehlt sich, die F. auf räumlich getrennte Gruppen zu beschränken, die im Verlauf des Kampfes als Stützpunkte dienen und auch dann noch gehalten werden können, wenn die etwa anschließenden Linien durchbrochen sind. Diese Stützpunkte richtet man am geeignetsten im Anschluß an natürliche Hindernisse im Gelände, Einfriedigung von Dörfern etc. ein.

Fig. 3. Verstärkter Schützengraben. b Schützenauftritt (Bankett).
Fig. 3. Verstärkter Schützengraben. b Schützenauftritt (Bankett).

Die Verstärkungsmittel bestehen in geschickt angelegten Schützengräben, vermehrten Deckungsgräben etc.; geschlossene Schanzen finden nur ausnahmsweise Verwendung. Bei Einrichtung der Stellung für die Artillerie ist noch auf möglichst rechtwinklige Lage der Frontlinie zur Hauptschußrichtung, ebene Geschützstände, Möglichkeit der Bestreichung des nächsten Vorgeländes etc. Bedacht zu nehmen. Die Einrichtungen für Ausstellung schwerer Batterien haben besonders die feindlichen Artilleriestellungen ins Auge zu fassen, denn diese sollen (meist mit Steilfeuer) bekämpft werden. Außerdem sind verdeckt aufgestellte Reserven, die Hauptanmarschrichtungen etc. die Ziele dieser Batterien, mitunter finden sie auf den Flügeln vorteilhafte Verwendung, wenn sie den Feind zur weit ausholenden Umgehung zwingen. Die Verbesserung des Wegenetzes, Herstellung von Überbrückungen, Anbringung von Wegweisern (nachts Laternen), bei ausgedehntern Stellungen telegraphische, optische etc. Verbindungen sind überall in Betracht zu ziehen; für die schwere Artillerie ist die Nähe guter Wege wegen des Munitionsersatzes von besonderm Wert. Für sie ist ferner die Herstellung fester Geschützstände, bez. Bettungen Hauptsache, die Deckung gegen Flachbahnfeuer finden die Steilbahngeschütze ohne weiteres durch verdeckte Ausstellung hinter Höhen, in Einschnitten im Gelände etc.

Die F. kommt im Festungskrieg in ähnlicher Weise wie im Bewegungskriege zur Anwendung, nur gewinnt hier die Forderung, die anfänglichen Anlagen schnell und leicht zu stärkern ausbauen zu können (Laufgräben), besondere Bedeutung. Die Gegner haben hier dauernd Fühlung miteinander; man muß sich gegen Überraschung sichern und deshalb Hindernisse (s.d.) anbringen, um den Feind so lange festzuhalten, bis Unterstützung heran ist. Starke Schutzmaßregeln gegen Artilleriefeuer sind geboten, ebenso sind Anordnungen für dauernden Aufenthalt zu treffen, also Schutz gegen Witterung, Abführung der Tagewässer, Latrinen, Verbesserung des Wegenetzes, Nachrichtenverbindung etc. Wo es sich nur um Schutz von Verbindungslinien etc. handelt, muß die F. nur den Schutz gegen Überraschung, nicht gegen planmäßige Beschießung im Auge haben; es kommt nur auf Sicherung des Ortsbesitzes mit möglichst geringen Kräften an. Die Ausführung der einfachern Arbeiten geschieht durch die Infanterie, während die Pioniere für die F. besonders ausgebildet sind. Die Feldartillerie führt ihre Arbeiten selbst aus, die Fußartillerie erforderlichenfalls mit Hilfsarbeitern. Man beginnt die Arbeit mit Beseitigung der Bodenbedeckung. Die gewonnenen Stoffe werden zur Verbesserung des Geländes durch Ausfüllen von Gräben etc. sowie zur Herstellung von Hindernissen benutzt. Namentlich sind auch einzelne Bäume und Gegenstände, die dem Gegner das Einschießen erleichtern, zu beseitigen. Abbrennen des Geländes ist nur selten ausführbar. Bei diesem Aufräumen sind die Hauptrichtungslinien zu bezeichnen und die Entfernungen nach Hauptzielpunkten festzustellen. Alsdann sind die Schützengräben derart auszuheben, daß auf jeden Schützen ein Schritt Graben kommt und zwischen verschiedenen Kompagnien ein Zwischenraum bleibt. Je nach der erforderlichen Anschlagshöhe und nach der dauernden Besetzung für kürzere oder längere Zeit werden sich Profil, Grabentiefe, Brustwehrstärke etc. richten (Fig. 1,2 u. 3). Sind Schützengräben in einzelnen Teilen der Längsbestreichung ausgesetzt, so erbaut man Schulterwehren (s.d.). Bei beschränktem Raum können die Gräben in geeignetem Gelände in mehreren Linien übereinander angelegt werden. Dekkungsgräben werden, durch das Gelände möglichst geschützt, mit mannshoher Deckung hinter den Schützengräben gebaut. Sie sind nicht zur Verteidigung eingerichtet, dagegen müssen sie das Vorgehen durch Rampen, Stufen etc. erleichtern und sind durch Gräben mit der vordern Linie in gesicherte Verbindung zu bringen. Eindeckungen, die schon bei leichten Einbauten schrapnell- und splittersicher sind, können auch bei entsprechender Neigung den Volltreffern aus Flachbahngeschützen entzogen werden, und[390] zwar bei 12° bis einschließlich 3000 m. Hauptsache ist, daß man die Lage der Eindeckung von außen nicht erkennen kann, auch darf man nicht zu viel an Feuerlinie durch sie verlieren. Man verwendet Türen, Tore, Bretter etc., wenn nicht für solide Bauten Deckbalken oder Wellblech zur Verfügung gestellt werden. Die Länge der Räume richtet sich nach der der Balken etc. Höhe und Tiefe beschränkt man auf das zum Sitzen nötige Maß, andre Unterschlupfe für einzelne Schützen (Schützennester) kann man durch Kisten, Tonnen etc. bilden. Die offene Rückseite kann mit umwerfbaren Brettern (Klappblenden) geschlossen und dadurch Schutz gegen zurückfliegende Sprengstücke erreicht werden. Bei Ausführung von Deckungen für Feldartillerie ist grundsätzlich zuerst der Schutz für Mannschaft und Munition, dann erst der für Geschütze, Protzen etc. herzustellen. Die Mannschaftsgräben, in 2 m Abstand von der Mitte des Geschützstandes, werden vorerst 0,5 m, dann unter Stehenlassen einer Sitzstufe an der vordern, eines Aufstieges an der hintern Böschung bis 1 m Tiefe ausgehoben. Der Bau von Geschützeinschnitten (s.d.) wird meist nur in vorbereiteten Stellungen vor Feuereröffnung ausführbar sein. Dem Gegner ist Beobachtung und Einschießen durch Herstellen von Masken in Erde, Strauchwerk etc. tunlichst zu erschweren. Bei den Deckungen für schwere Batterien kommen die besondern Vorschriften der Fußartillerie für den Batteriebau in Anwendung. Über die Verwertung im Gelände vorhandener Deckungen gibt die Feldbesestigungsvorschrift von 1893 besondere Anweisung. Vgl. »Feldbefestigungsvorschrift« (neuer, bis April 1903 ergänzter Abdruck, Berl. 1903); Brialmont, Über Befestigungen im Feldkriege (deutsch, Leipz. 1870); Brunner, Leitfaden zum Unterricht in der F. (7. Aufl., Wien 1898); Krebs, Kriegsgeschichtliche Beispiele der F. (3. Aufl., Berl. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 389-391.
Lizenz:
Faksimiles:
389 | 390 | 391
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Auerbach, Berthold

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 5-8

Schwarzwälder Dorfgeschichten. Band 5-8

Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.

554 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon