Hypothēk

[715] Hypothēk (griech., »Unterpfand«), eine Form der Verpfändung, bei welcher der Gläubiger nicht sofort wie beim Faustpfand (s. Pfand) in den Besitz der Pfandsache gesetzt wird, sondern ihm nur ein wirksames Pfandrecht durch bloße Bestimmung einer Sache zum Pfand eingeräumt wird. Gegenwärtig versteht man unter H. die Belastung eines Grundstücks oder eines Erbbaurechts in der Weise, daß demjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgte (Hypothekengläubiger), eine bestimmte Geldsumme zur Befriedigung wegen einer ihm zustehenden Forderung (Hypothekenschuld, auch kurzweg H.) aus dem Grundstück zu zahlen ist (Verkehrshypothek; § 1113 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Den Eigentümer des betreffenden Grundstücks nennt man Hypothekargläubiger, Hypothekarius, Hypothekenbesteller. Berechtigt zur Bestellung einer H. ist nur der im Grundbuch eingetragene Eigentümer des Grundstücks, und zwar kann er sie für seine eigne Schuld oder für die Schuld eines Dritten, für eine schon bestehende wie für eine zukünftige oder für eine bedingte bestellen. Zur gültigen Bestellung einer H. gehört Einigung zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Hypothekengläubiger, Bestehen der der H. zugrunde liegenden Forderung und Eintragung der H. ins Grundbuch. Die Eintragung muß auf einen bestimmten Geldbetrag und zwar in deutscher Reichswährung lauten. Verschieden von der Bestellung ist die Erwerbung der H. durch den Gläubiger, die, falls dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen wurde, erst durch die Übergabe des Hypothekenbriefes, d. h. der von dem Grundbuchamt über die Bestellung der H. ausgefertigten Urkunden, erfolgt (§ 1116, 1117). Eine solche H. heißt Briefhypothek, zum Unterschied von der nur im Grundbuch eingetragenen Buchhypothek. Solange die bestellte H. vom Gläubiger noch nicht erworben ist, steht sie dem Verpfänder als sogen. Eigentümerhypothek zu, die ihm zwar nicht das Recht verleiht, für diese Forderung Befriedigung durch Verkauf des verpfändeten Grundstücks zu suchen, da schon nach einem römischrechtlichen Grundsatz niemand an sich selbst eine Forderung und daher an seinem Grundbesitz auch keine H. haben konnte, wohl aber die Möglichkeit bietet, über den Rang dieser H. zugunsten einer später zu bestellenden H. zu verfügen. Die auf einem Grundstück eingetragenen Hypotheken und überhaupt Rechte können nämlich gleichartige sein, soz. B. mehrere Hypotheken, Grundschulden, oder ungleichartige, z. B. H., Nießbrauch, Reallast. Die Reihenfolge nun, in der diese Rechte im Falle des Verkaufs des Grundstücks zu befriedigen sind, die sogen. Rangordnung oder kurzweg der Rang, bestimmt sich nicht etwa nach dem Alter des Bestehens der Schuld oder des Rechts, sondern nach der Zeit ihrer Eintragung im Grundbuch. Rechte, die unter dem gleichen Tag eingetragen sind, haben gleichen Rang, falls nichts andres ausbedungen wurde. Rangänderung (Rangausweichung) unter den verschiedenen eingetragenen Berechtigten, in der Weise z. B., daß der A in der Höhe seiner H. den an dritter Stelle befindlichen C treten läßt, ist mit Zustimmung des Grundstückseigentümers zulässig, solange dadurch die Rechte Dritter nicht verletzt werden. Unter Rangvorbehalt endlich versteht man die Berechtigung des Grundstückseigentümers, bei der Belastung seines Grundstücks sich die Befugnis vorzubehalten, ein anderes, dem Umfang nach bestimmtes Recht mit dem Rang vor jenem eintragen zu lassen. Der Grundstückseigentümer läßt sich z. B. von B ein Darlehen von 10,000 Mk. geben gegen Einräumung einer H., wobei er sich aber vorbehält, vor den 10,000 Mk. des B ein ihm von A in Aussicht gestelltes Darlehen von 30,000 Mk. eintragen lassen zu dürfen. Erfolgt die Hingabe des Darlehens des A und wird dasselbe im Grundbuch eingetragen, so hat A mit 30,000 den ersten, B mit 10,000 Mk. den zweiten Rang. Einen Schutz gegen den Verlust von persönlichen Ansprüchen auf Übertragung des Eigentums, auf Bestellung einer H. etc. bietet die sogen. Vormerkung und der Widerspruch. Wer nämlich einen Anspruch auf Einräumung eines Rechts an einer Sache hat, wie z. B. der Darlehnsgeber auf Bestellung einer ihm versprochenen H., kann verlangen, daß sein Anspruch im Grundbuch vorgemerkt wird, und zwar auch dann, wenn er noch nicht fällig, oder auch sogar, wenn er bestritten ist. Zu dieser Vormerkung ist entweder die Zustimmung des Grundstückseigentümers oder eine »einstweilige Verfügung« (s. d.) notwendig. Der Beantrager der Vormerkung muß außerdem noch glaubhaft machen, daß ihm der betreffende Anspruch zusteht. Das Gegenstück zur Vormerkung, der Widerspruch gegen den augenblicklichen Inhalt des Grundbuches, steht demjenigen zu, der durch einen Eintrag oder durch die Löschung eines solchen benachteiligt wird. Dieser Widerspruch ist natürlich unnötig, wenn auf den Antrag des Benachteiligten, das Grundbuch in dem und dem Sinne zu berichtigen, derjenige, den der falsche Eintrag oder die falsche Löschung zum Vorteil gereicht, seine Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuches gibt (§ 879–899). Für die auf dem Grundstück eingetragenen Hypotheken haftet kraft Gesetzes, auch für die gesetzlichen Zinsen und vor allem für die Kosten der Kündigung und der etwaigen Zwangsversteigerung, der Eigentümer. Gewöhnlich[715] wird hierfür eine sogen. Hypotheken- und Kostenkaution, meist in der Höhe von 10 Proz. des Hypothekenkapitals, eingetragen. Bei Teilung der Hypothekenforderung haftet das ganze Grundstück für jede Teilforderung, außerdem kann nun jeder Gläubiger die Ausstellung eines Teilhypothekenbriefes verlangen, es sei denn, daß von Anfang an nur eine Buchhypothek (s. oben) errichtet wurde.

Wie das ganze Grundstück für jeden Teilbetrag der H. haftet, so haftet im Falle der Teilung des Grundstücks jeder Grundstücksteil, oder falls von Anfang an mehrere Grundstücke für die H. haften, jedes dieser mehreren für die ganze H., sogen. Gesamthypothek, und der Gläubiger kann nach Belieben aus jedem der Grundstücke oder Grundstücksteile seine volle Befriedigung suchen, oder aber die Forderung auf die einzelnen Grundstücke so verteilen, daß jedes Grundstück nur für einen bestimmten Betrag haftet. Hierdurch erlischt die Gesamthypothek und es entstehen ebensoviel Einzelhypotheken, als Grundstücke belastet werden. Infolge dieser Haftung auch des kleinsten Grundstücksteils für die ganze Hypothekenschuld ist eine Veräußerung eines Teilgrundstücks nur möglich durch Entlassung aus dem Hypothekenverband, d. h. durch Erklärung des Hypothekengläubigers, daß er einen Bestandteil des ihm verpfändeten Grundstücks oder eines von mehreren ihm verpfändeten Grundstücken aus dem Pfandverband freigebe. Erwirbt der Grundstückseigentümer zu seinem Besitz neue Grundstücke hinzu, so erstrecken sich die auf dem erstern ruhenden Hypotheken auch auf die neuerworbenen. Bereits auf den letztern aber ruhende Hypotheken gehen jedoch im Range denen des ursprünglichen Besitztums vor. Das gleiche Schicksal teilen die Gebäude, die dauernd auf einem mit Hypotheken etc. belasteten Grundstück errichtet werden. Zubehöre des Grundstücks, d. h. bewegliche Sachen, die, ohne Bestandteile des Grundstücks zu sein, dessen wirtschaftlichem Zwecke dienen und zu ihm in einem entsprechenden räumlichen Verhältnis stehen (§ 97), also z. B. der Viehstand eines Gutes, haften für die H., auch wenn dies nicht ausdrücklich ausgemacht wurde, dagegen gibt es nicht mehr wie früher sogen. willkürliche oder gewillkürte Zubehöre (Pertinenzen), d. h. Gegenstände, die nicht nach dem Gesetz, sondern durch Übereinkommen zum Zubehör erklärt wurden. Eine Pfändung derartiger Zubehöre durch einen Dritten ist deshalb nicht zulässig. Trotzdem gepfändete und von dem Grundstück weggeschaffte Zubehöre kann er daher mit Beschlag belegen lassen und deren Freigabe von der Pfändung verlangen. Eine Veräußerung durch den Grundstückseigentümer ist nur in den Grenzen einer ordnungsmäßigen Wirtschaft oder auch ohne Rücksicht hierauf dann gültig, wenn sie jemand erwarb, der von ihrer Zubehöreigenschaft weder etwas wußte, noch hätte wissen müssen. Ebenso haften dem Gläubiger die Früchte des Grundstücks, und zwar sowohl die natürlichen (Feldfrüchte, Steine, Torf etc.) als auch die bürgerlichen (Miet- und Pachtzinse etc.). Jedoch hat der Pächter das Recht auf die getrennten Früchte und auf die Ernte des laufenden Jahres. Die Miet- und Pachtzinsforderungen müssen von dem Pfandgläubiger mit Beschlag belegt werden, sonst kann der Mieter oder Pächter ruhig an den Vermieter, bez. Pächter zahlen. Von ganz besonderer Bedeutung ist endlich, daß auch die Forderungen, die der Grundstückseigentümer aus Versicherungsverträgen über sein Grundstück gegen den Versicherer hat (Brandversicherung etc.), dem Hypothekengläubiger haften und der Versicherer nicht eher die Versicherungssumme an den Versicherten zahlen darf, bis er dem Hypothekengläubiger Gelegenheit gegeben hat, seine Rechte zu wahren. Diese Sicherungen würden aber noch keineswegs dem Hypothekengläubiger vollen Schutz und volle Sicherheit für sein geliehenes Geld geben, wenn ihm das Bürgerliche Gesetzbuch nicht noch ferner das Recht einräumen würde, bei eingetretener, bez. schon bei drohender Verschlechterung des verpfändeten Grundstücks und des mithaftenden Zubehörs sich durch sofortige Zwangsverwaltung oder Zwangsversteigerung, bez. durch Klage auf Unterlassung zu schützen. Wird ein mit Hypotheken belastetes Grundstück verkauft, so bleiben natürlich die Hypotheken bestehen und der alte Grundstückseigentümer haftet trotz des Verkaufs auch fernerhin für die Hypotheken, falls er seinerzeit die Haftung auch als persönlicher Schuldner übernommen hat, es sei denn, daß der Hypothekengläubiger den neuen Eigentümer als persönlichen Schuldner annimmt. Die der H. zugrunde liegende Forderung kann wie jede andre Forderung übertragen werden, damit geht aber gleichzeitig auch die H. auf den neuen Gläubiger über. Eine Buchhypothek (s. oben) kann nur dura Eintragung der Abtretungserklärung in das Grundbuch abgetreten werden, eine Briefhypothek (s. oben) dagegen aber auch in Form einer schriftlichen Abtretungserklärung unter gleichzeitiger Übergabe des Hypothekenbriefes. Hierbei genügt eigenhändige Unterzeichnung der Abtretungsurkunde durch den Abtretenden, gerichtliche oder notarielle Form ist hierzu nicht notwendig. Abhanden gekommene Hypothekenbriefe werden im Wege des Aufgebotsverfahrens (s. d.) für kraftlos erklärt. Fällig wird eine H. meist erst durch Kündigung, die vom Gläubiger oder vom Grundstückseigentümer erfolgen kann. Auf Verlangen muß der Gläubiger den ihn legitimierenden Hypothekenbrief vorlegen. Ist der Gläubiger oder sein Aufenthalt unbekannt, dann muß die Kündigung seitens des Eigentümers durch öffentliche Zustellung (s. d.) erfolgen; ist der Grundstückseigentümer oder sein Aufenthalt unbekannt, so muß das für das Grundstück zuständige Amtsgericht dem Eigentümer einen Vertreter bestellen, demgegenüber dann gekündigt wird. Ein Erlöschen der H., bez. deren Untergang erfolgt nur dann, wenn der Gläubiger im Wege der Zwangsvollstreckung in die ihm verpfändeten Grundstücke, bez. Zubehöre Befriedigung findet. Wird er dagegen vom Hypothekenschuldner bezahlt, so erwirbt dieser die H. und zwar als Eigentümerhypothek (s. oben), das gleiche ist der Fall, wenn der Hypothekenschuldner mit einer aufrechenbaren Forderung gegen seine Hypothekenschuld aufrechnet, wenn er zugleich Hypothekengläubiger wird (er beerbt z. B. den Hypothekengläubiger), wenn im Wege des Aufgebotsverfahrens ein unbekannter Hypothekengläubiger mit seinem Recht ausgeschlossen wird. Mit Ausnahme der Befriedigung des Gläubigers durch Zwangsvollstreckung ist zum Untergang einer H. stets noch die Löschung notwendig, d. h. eine mit Zustimmung des Eigentümers im Grundbuch vorgenommene Eintragung, durch die die Aufhebung der H. bezweckt wird. Durch Rechtsgeschäft wird eine H. aufgehoben nur mit Zustimmung des Grundstückseigentümers, diese ist dem Grundbuchamt oder dem Gläubiger gegenüber zu erklären und unwiderruflich. Schließlich seien noch erwähnt: die Maximal-, auch Höchstbetrags-, Kautionshypothek, die in der Weise bestellt wird, daß nicht eine bestimmte Summe, sondern nur der Höchstbetrag, bis zu dem das Grundstück[716] haften soll, bestimmt, im übrigen die Feststellung der Forderungshöhe vorbehalten wird, und die landesrechtlich insonderheit bei Familienanwartschaften (Fideikommissen) vorkommende Revenuenhypothek, die in der Weise bestellt wird, daß eine H. dahin beschränkt wird, daß dem Gläubiger nur die Einkünfte aus dem verpfändeten Grundstück haften sollen, daß also im schlimmsten Fall nur Zwangsverwaltung (Sequestration), nicht aber Zwangsversteigerung (Subhastation) erfolgen kann. Im Bürgerlichen Gesetzbuch ist das materielle Recht der H. in § 1113–1190, das formelle Hypothekenrecht in der Grundbuchordnung geregelt. Vgl. auch die Ausführungen bei Art. – Grundbücher«, S. 448, Ziffer 3–6, und die dort angegebene Literatur; ferner Willenbücher, Das Liegenschaftsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches und die Reichs-Grundbuchordnung (Berl. 1904; Ausgaben für Preußen und für das Reich).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 715-717.
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