[85] Magnetische Kraft, die von magnetischen Massen ausgeübte Kraft, ihrem Wesen nach identisch mit »elektrodynamischer Kraft« (s. d.). Bestreut man einen magnetisierten Stahlstab (Magnetstab) mit Eisenfeile, so bleibt diese, Bärte bildend, vorzugsweise an seinen beiden Enden hängen, während gegen die Mitte zu immer weniger und in der Mitte selbst gar keine Eisenfeile haftet; die beiden Enden, an denen sich die Anziehung am kräftigsten äußert, werden die Pole, die Mitte, wo keine Anziehung stattfindet, wird der Äquator oder die indifferente Stelle (Indifferenzpunkt) des Magnets genannt; die Verbindungslinie der beiden Pole heißt seine magnetische Achse. Wird ein Magnetstab in seiner Mitte an einem Kokonfaden aufgehängt, so daß er sich in horizontaler Ebene drehen kann, so stellt sich seine Achse, vermöge einer Einwirkung, welche die Erde als Ganzes auf ihn ausübt, in eine Richtung ein, die von der Südnordrichtung nur wenig abweicht; derjenige seiner Pole, der sich stets nach N. wendet, heißt deshalb der Nordpol, der entgegengesetzte der Südpol.[85] Nähert man den Nordpol eines in der Hand gehaltenen dem Nordpol eines aufgehängten Magnets, so wird der letztere abgestoßen; ebenso stößt der Südpol des Handmagnets den Südpol des aufgehängten ab. Dagegen wird der Südpol des aufgehängten vom Nordpol des Handmagnets und ebenso der Nordpol des erstern vom Südpol des letztern angezogen. Es ergibt sich also das Gesetz: gleichnamige Pole stoßen sich ab, ungleichnamige ziehen sich an. Da eine Kraftwirkung, die wir stets mit der Wirkung unsrer Muskelkraft vergleichen, für uns nur begreiflich wird, wenn wir uns ein Wesen vorstellen können, das diese Kraft ausübt (so wie unser Ich die Muskelkraft ausübt; nur in solchem Falle nämlich sind wir imstande, in Gedanken die Wirkung selbst hervorzubringen, wie es nötig ist, wenn wir mit Recht sagen wollen, daß wir den Vorgang begriffen haben), so denken wir uns als das Wesen, das die m. K. ausübt, einen seinen unsichtbaren und unwägbaren Stoff, dessen Menge als magnetische Masse bezeichnet wird. Diese Vorstellungsweise ist jedenfalls unrichtig, denn der Umstand, daß magnetische Kräfte auch von elektrischen Strömen ausgeübt werden, zeigt, daß die Annahme eines besondern Agens zur Erklärung der magnetischen Wirkungen unnötig und unzulässig ist. Nichtsdestoweniger kann man sich unbeschadet der Richtigkeit der Folgerungen jener Vorstellungsweise bedienen, wenn man sich so ausdrückt, die Erscheinungen gestalten sich derart, als ob magnetische Massen vorhanden wären. Bricht man einen Magnetstab mitten entzwei, so bildet jedes Bruchstück wieder einen vollständigen Magnet mit zwei gleich starken Polen, indem an der Trennungsstelle zwei neue Pole entstehen, von denen jeder dem bereits vorhandenen Pol des entsprechenden Bruchstücks entgegengesetzt ist; wie weit man diese Teilung auch fortsetzen mag, jedes noch so kleine Bruchstück eines Magnets erweist sich wieder als vollständiger Magnet. Dieses Verhalten führt zu der Annahme, daß jedes kleinste Teilchen oder Molekül eines Magnets selbst schon ein Magnet mit zwei entgegengesetzten Polen, ein Molekularmagnet (Elementarmagnet), sei. Sie enthält keinen Widerspruch dagegen, daß die magnetische Wirkung nur an den Enden eines Magnetstabes sich offenbart, sondern gibt davon in befriedigender Weise Rechenschaft. Denkt man sich nämlich der Einfachheit wegen, ein dünnes Magnetstäbchen bestehe aus einer einzigen Reihe von Molekularmagneten, deren Achsen alle in derselben geraden Linie liegen, und deren gleichnamige Pole alle nach derselben Seite gewendet sind, so werden überall auf der ganzen Länge des Stabes zwei entgegengesetzte Pole der benachbarten Molekularmagnete zusammenstoßen, deren anziehende und abstoßende Wirkungen sich nach außen hin gegenseitig aufheben; nur an den beiden Enden des Stabes werden die freien Pole der letzten Moleküle wirksam bleiben. Sind die Elementarmagnete in der gedachten Weise angeordnet, so heißt die Magnetisierung longitudinal; schließen sie sich aber zu Ringen um die Achse des Stabes zusammen, was z. B. eintritt, wenn man einen elektrischen Strom längs der Achse hindurchleitet, so heißt die Magnetisierung zirkular. Im letztern Falle macht sich, obschon Magnetismus vorhanden ist, nach außen keine m. K. bemerkbar.
Bei einem dicken Magnetstab ist der sogen. freie Magnetismus (vgl. Magnetische Influenz) auf einen größern Teil der Polflächen mit gegen die Indifferenzzone hin abnehmender Dichte verteilt. Für die Wirkung nach außen kann man sich (wenigstens für nicht zu kleine Abstände) diese magnetischen Massen (Mengen) durch eine einzige in deren Schwerpunkt, dem Pol, ersetzt denken, aus gleichen Gründen wie man sich z. B. die Masse eines Weltkörpers in dessen Schwerpunkt konzentriert denken kann.
Das Prinzip der Messung magnetischer Massen (magnetischer Mengen, Polstärken) gründet sich auf die Untersuchungen Coulombs über die Kraftwirkung zwischen zwei Magnetpolen. Tariert man einen langen dünnen Magnetstab mit nahezu punktförmigen Polflächen vertikal hängend auf einer seinen Wage (magnetische Wage, Fig. 1) und bringt senkrecht darunter einen zweiten solchen Magnet M an, so wird die Kraft zwischen den benachbarten Polen, je nachdem sie eine abstoßende oder anziehende ist, eine scheinbare Vermehrung oder Vermindernug des Gewichts bewirken, die durch Auflegen oder Wegnehmen von Gewichten auf die Wagschale kompensiert u. dadurch gemessen werden kann.
Vereinigt man wie bei dem unteren Magnet in Fig. 1 m solche dünne Magnetstäbchen gleicher Beschaffenheit zu einem einzigen Magnet (magnetisches Magazin), so ist die Kraftwirkung die m-fache, da allgemein Kräfte in ihren Wirkungen sich nicht stören. Man kann also umgekehrt schließen, daß ein Pol, der die m-fache Kraftwirkung ausübt, die m-fache Stärke oder m-fache magnetische Masse hat. Würde die Stärke irgend eines bestimmten Magnetstabes als 1 bezeichnet, ebenso wie man die Länge eines bestimmten Platinstabes (des Normalmeiers in Paris) als 1 (1 m) bezeichnet, so könnte man durch derartige Vergleichung der Kraftwirkungen die Stärke irgendwelcher gegebener Magnetstäbe in Zahlen ausdrücken. Da nun aber die Kraft eines Magnets leicht durch verschiedenartige Einflüsse geändert werden kann, somit von dem Normalmagnet nicht wie von dem Normalmeter Kopien genommen werden können, die im praktischen Gebrauch ihren Wert behalten, so ist die Festsetzung einer Einheit der Polstärke auf solchem Wege nicht möglich.
Gibt man auch dem feststehenden Pol eine andre, etwa die M-fache Stärke, so wird die Kraft aus gleichem Grunde M-mal so groß. Vergrößert man den Abstand der Pole auf das r-fache, so erweist sich die Kraft, wie Coulomb gezeigt hat, umgekehrt proportional r'. Ist der Abstand = 1 cm und sind die beiden Polstärken einander gleich, so ist die Kraft nur von dieser Polstärke abhängig; man bezeichnet diejenige Polstärke oder magnetische Masse als 1 (1 CGS). für welche die Kraft = 1 Dyne ist. Hätte der eine Pol die Stärke m, der andre die Stärke M, so wäre die Kraft m. M Dynen und die Kraft K im Abstand r cm:
Clausius hat eine andre magnetische Einheit[86] empfohlen, die das 108-fache dieser gewöhnlichen sog. CGS-Einheit ist, und hat ihr den Namen Weber gegeben zu Ehren von Wilh. Weber, der in Gemeinschaft mit Gauß in Göttingen 1833 diese absolute Messung der magnetischen Masse eingeführt hat (s. Elektrische Maßeinheiten, S. 641). Wäre die eine Polstärke m, die andre M Weber und der Abstand 1 m, so wäre somit
Ist M = m, so wird K = 107/g x m2/r2, also m = r.v(K.g)/107 Weber. Man kann demnach im Prinzip mittels einer gewöhnlichen Wage die Polstärke eines von zwei gleichen Magneten in Weber oder gewöhnlichen Einheiten (= 10-e Weber) finden und damit dann auch die jedes beliebigen andern Magnets. Coulomb bediente sich zu solchen Versuchen der sehr empfindlichen Drehwage, da punktförmige Polflächen, wie sie angenommen wurden und zur genauen Bestimmung von r vorhanden sein müssen, nur bei sehr dünnen, langen Magneten zu erzielen sind, deren Kraftwirkung natürlich nur schwach ist. (Ein andres Verfahren ist die Methode der Beeinflussung der Schwingungen einer Magnetnadel, die nach gleichen Gesetzen wie Pendelschwingungen sich vollziehen, also wie diese rascher oder langsamer werden, wenn die wirksame Kraft größer oder kleiner wird, wenn also zu der Wirkung des Erdmagnetismus noch die des zu untersuchenden Magnets hinzukommt.) Ein Pol von der Stärke 1 Weber wirkt auf einen zweiten gleich starken in 1 m Abstand mit der Kraft 107/g kg, also nahezu 1 Mill. kg oder 1000 Ton. So starke Magnete lassen sich nicht entfernt herstellen, das Weber ist somit für den gewöhnlichen Gebrauch nicht geeignet. Zweckmäßiger wäre das Mikroweber (1 Millionstel Weber), gewöhnlich benutzt man aber aus schon angegebenem Grunde den 100. Teil von 1 Mikroweber (1 Zentimikroweber), die CGS-Einheit. Der Vorzug des Weber besteht darin, daß es zu den übrigen in der Technik gebräuchlichen elektrischen und magnetischen Einheiten in einfacher Beziehung steht.
Der Raum in der Nähe eines Magnets heißt das magnetische Feld; die Kraft, gemessen in Dynen, die auf einen Pol von der Stärke 1 (Zentimikroweber) ausgeübt wird, die Stärke des Feldes. Zur Messung kann z. B. die magnetische Wage dienen. (Wollte man die Feldstärke in Kilogrammen [Gewicht] ausdrücken, so müßte man, da sie eine vom Ort unabhängige Zahl ist, das Gewicht eines Kilogrammstücks aber mit dem Orte, wo man sich befindet, wechselt, etwa die Kraft auf die veränderliche magnetische Masse g/107 Weber als Einheit wählen.) Die Richtung des Feldes, d. h. der anziehenden, bez. abstoßenden Kräfte an einer bestimmten Stelle, wird durch die Richtung einer dahin gebrachten kleinen, nach allen Richtungen um ihren Schwerpunkt drehbaren (etwa in einem Cardanischen Ringsystem aufgehängten oder in Wasser schwebenden, durch eine leichte Hülle spezifisch gleich schwer gemachten) Magnetnadel bestimmt, da sich ihre Pole nach entgegengesetzten Richtungen zu bewegen suchen, somit Gleichgewicht eintritt, wenn sie beide auf der Kraftrichtung, der Kraftlinie, liegen, da dann das Drehmoment der beiden Kräfte = 0 wird. Eine aus Kraftlinien gebildete Röhre heißt Kraftröhre; an jeder Stelle einer solchen ist die m-Kraft dem Querschnitt umgekehrt proportional. Man kann die Kraftlinien (magnetischen Kurven) sichtbar machen, wenn man z. B. ein steifes Papier über den Magnet legt, mit seinen Eisenfeilspänen bestreut und erschüttert, so daß die Eisenteilchen für einen Moment beweglich werden (Fig. 2). Sie ordnen sich dann zu den sogen. Feilspänkurven oder Kraftlinienbildern, die den wahren Verlauf der Kraftlinien um so besser wiedergeben, je spärlicher die Menge der Feilspäne war. Benutzt man Lichtpauspapier, so können die Kurven leicht durch Belichtung dauernd fixiert werden. Ein frei beweglicher, punktförmiger Pol würde sich von einem zweiten gleichnamig magnetischen feststehenden in der Richtung des Radius (der Kraftlinie) zu entfernen suchen. Zum Heranschieben desselben aus unendlicher Entfernung ist also ein Arbeitsaufwand nötig, ganz wie bei Näherung zweier elektrischer Punkte, der zur Aufspeicherung potentieller Energie führt.
Für zwei Pole von der Stärke mund M (Zentimikroweber) im Abstand r cm beträgt die potentielle Energie m/r M Erg, also für M = 1 m/r Erg. Diese potentielle Energie der magnetischen Masse 1 im Abstand r cm nennt man das magnetische Potential in diesem Abstand. Für den Abstand 2, 3, 4... x r wäre es nur 1/2, 1/3, 1/4... x m/r. Die Flächen gleichen Potentials oder Niveauflächen sind Kugelflächen und werden von den Kraftlinien senkrecht durchschnitten. Wie im Fall der Elektrizität gilt letzteres allgemein. Die Niveauflächen für kompliziertere Fälle, z. B. für zwei feststehende Pole findet man, indem man zunächst für jeden Punkt das Potential, das von jedem der beiden Pole herrührt, berechnet und dann die Werte addiert oder subtrahiert, je nachdem die beiden Pole gleichnamig oder ungleichnamig magnetisch sind, und schließlich die Punkte, für die sich gleiches Resultat ergibt, miteinander verbindet. Nach obiger Gleichung besitzt ein Pol von M Weber (= M. 10° CGS) im Abstand r m (= 100. r cm) vom Pol m Weber (= m. 103) die potentielle Energie P = ± m.108 x M.108/r.100 Erg, da 1 Erg = 1/g.105.102 kgm, P = ± 107/g . m/r . M kgm. Ein solcher Betrag an mechanischer Arbeit könnte gewonnen werden, wenn man z. B. die abstoßende Kraft der beiden Pole benutzen würde, eine Maschine zu treiben.
Um einen Überblick über die Beschaffenheit eines magnetischen Feldes zu erhalten, zieht man die Kraftlinien in solcher Dichte, daß sich an der Basis einer jeden die magnetische Masse 1/4π CGS (bez. 1/4π Weber) befindet. Die durch 1 qcm (bez. 1 qm) hindurchgehende Zahl Kraftlinien ist dann gleich der Feldstärke in den oben bezeichneten Einheiten. Bringt man ein Stück weiches Eisen in ein Magnetfeld, so werden die magnetischen Kraftlinien in das Eisen hineingezogen und verlaufen in demselben dichter gedrängt als außerhalb, oder die Zahl der Kraftlinien für eine Einheit des Querschnittes ist im Eisen größer als in[87] der umgebenden Luft, weil das Eisen durch Influenz selbst magnetisch wird (s. Magnetische Influenz).
Ist m die Polstärke eines Magnetstabes und H die Stärke des magnetischen Feldes, so ist m H (bez. 107g. m. H) die an jedem Pole wirkende Kraft in Dynen (bez. Kilogrammen). Beispielsweise ist die Horizontalintensität des Erdmagnetismus = 0,2 (bez. 0,2.10-4), somit die Kraft, mit welcher der eine Pol einer Magnetnadel von der Stärke 1 (bez. 10-° Weber) nach N., der andre nach S. gezogen wird: 0,2 Dynen
Steht die Magnetnadel senkrecht zu den Kraftlinien und ist l ihre Länge, so ist das Drehmoment des Kräftepaares = H. m. l. Das Drehmoment für die Feldstärke 1 wäre ml. Man nennt dieses das magnetische Moment der Nadel. Intensität der Magnetisierung ist das magnetische Moment für 1 ccm, spezifischer Magnetismus das magnetische Moment für 1 g der Substanz. Vgl. Ebert, Magnetische Kraftfelder (2. Aufl., Leipz. 1905).
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