Zahnheilkunde

[840] Zahnheilkunde (Zahnarzneikunde), der Teil der Chirurgie, der sich mit der Pflege und Erhaltung gesunder Zähne, mit der Heilung der Zahnkrankheiten (s. d.) und dem Ersatz verloren gegangener Zähne (Zahntechnik) beschäftigt. Die ersten Anfänge der Z. reichen bis ins höchste Altertum. In Ägypten unterschied man verschiedene Zahnkrankheiten und hatte für sie bestimmte Heilmittel. Bei ägyptischen Mumien sollen künstliche Zähne und auch mit Gold gefüllte Zähne gefunden worden sein. Auch auf dem Schlachtfeld von Platää fand man eine (wohl von einem zu den Hilfstruppen des Xerxes gehörigen Ägypter herstammende) Kinnlade mit künstlichen Zähnen. Ein jüdisches Gesetz gebot, den Verstorbenen vor der Beerdigung alles Gold abzunehmen, mit Ausnahme des jenigen, das im Mund getragen wurde. Die Griechen sollen in Delphi Zahnzangen von Blei aufbewahrt haben. Hippokrates ist auch für die Zahnarzneikunde, wie andre griechische Ärzte, von Bedeutung gewesen, und römische Ärzte haben sie ebenfalls gefördert. Die Römer benutzten Zahnpulver und ersetzten verlorne Zähne, daz. B. in dem Zwölftafelgesetz der Römer (Tafel X) die »dentes auro vincti« erwähnt werden, endlich ist auch bei Martial von eingesetzten Zähnen die Rede. Im Mittelalter befaßten sich nur Barbiere und Bader als Zahnbrecher und Zahnreißer mit der Z. Begründer der neuern Z. als Wissenschaft war Pierre Fauchard in ParisLe chirurgien dentiste«, Par. 1728, 2 Bde.; deutsch, Berl. 1733). Auch Mouton, Lecluse, Jourdain, Bourdet sowie die Engländer Hunter, Berdmore und Foxe förderten die Z. Von deutschen Zahnärzten sind Heister, Purmann und Pfaff, welche die ersten Gipsmodelle anfertigten, Brunner als Goldfüller und Heider in Wien zu nennen. 1844 benutzte Wells in London Lachgas zu Zahnextraktionen, und 1846 wurde die Äthernarkose in London, 1847 in Paris und Leipzig von Zahnärzten benutzt. In neuester Zeit wurde die Z. besonders durch deutsche und englische Ärzte, ihr technischer Teil durch Amerikaner entwickelt. Die ersten Anfänge einer zahnärztlichen Prüfungsordnung datieren in Preußen von 1685, sie wurde 1725 verschärft, und 1813 wurde eine Gebührenordnung erlassen. 1846 erschien in Berlin das erste Fachblatt, 1850 hielt Schmedicke die erste Vorlesung über Z., und Albrecht gründete 1855 in Berlin die erste zahnärztliche Klinik, die 1885 unter Busch verstaatlicht wurde. 1859 gründete Heider in Wien den Zentralverein deutscher Zahnärzte, als dessen Organ die »Vierteljahrsschrift für Z.« begründet wurde. 1869 erschien eine neue Prüfungsordnung, die 1889 ergänzt wurde. Gegenwärtig wird Z. an allen deutschen Universitäten gelehrt, wenn auch nicht überall von ordentlichen Professoren. Die größten staatlichen zahnärztlichen Institute bestehen in Berlin, Leipzig, München, Breslau und Wien. Halle und Kiel gehören zu den ältesten Lehrstühlen. Der erwähnte Zentralverein hat gegenwärtig mehr als 700 Mitglieder, dem Vereinsbund deutscher Zahnärzte gehören außer jenem noch 37 Vereine mit mehr als 2000 Mitgliedern an.

Vgl. die Werke über Anatomie und Pathologie der Zähne (s. oben, S. 838); Sir J. Tomes, System ok dental surgery (5. Aufl., Lond. 1906; deutsch, Leipz. 1861); Heider und Wedl, Atlas zur Pathologie der Zähne (2. Aufl. von Metnitz, Leipz. 1889–93); Wedl, Pathologie der Zähne (2. Aufl. von Metnitz u. Wunschheim, das. 1903, 2 Bde.); Parreidt, Handbuch der Zahnersatzkunde (4. Aufl., das. 1906); Kleinmann, Rezepttaschenbuch für Zahnärzte (4. Aufl., das. 1904); Baume, Lehrbuch der Z. (3. Aufl., das. 1890); Holländer, Das Füllen der Zähne (3. Aufl., das. 1896) und Die Extraktion der Zähne (4. Aufl., das. 1894); Arkövy, Diagnostik der Zahnkrankheiten (Stuttg. 1885); Metnitz, Lehrbuch der Z. (3. Aufl., Wien 1903); Miller, Die Mikroorganismen der Mundhöhle (2. Aufl., Leipz. 1892) und Lehrbuch der konservierenden Z. (4. Aufl. von Dieck, das. 1908); Herbst, Methoden und Neuerungen auf dem Gebiete der Z. (Berl. 1896); Jessen, Lehrbuch der praktischen Z. (2. Aufl., Wien 1898); Jung, Lehrbuch der zahnärztlichen Technik (3. Aufl., das. 1907); Kronfeld, Praktische Z. (das. 1900); Busch, Die Extraktion der Zähne (3. Aufl., Berl. 1908); Entres, Zahnextraktionskunde (Tübing. 1900); Preiswerk, Lehrbuch und Atlas der Z. (Münch. 1903) und Lehrbuch etc. der zahnärztlichen Technik (das. 1906); »Handbuch der Z.« (hrsg. von Scheff, 3. Aufl., Wien 1908 ff., 3 Bde.); Pfaff, Lehrbuch der Orthodontie (Dresd. 1906); Seitz, Die zahnärztliche Lokalanästhesie (Leipz. 1903) und Terminologie der Z. (das. 1899); Pawelz, Terminologia dentaria (2. Aufl., Berl. 1905); Geist-Jacobi, Geschichte der Z. (Tübing. 1896); Sternfeld u. Kellner, Zahnärztliche Bücherkunde (Karlsr. 1891); Eichler, Index der zahnärztlichen Literatur (Bonn 1904); Port, Index der deutschen zahnärztlichen Literatur (Heidelb., seit 1904 jährlich). Wichtigste Zeitschriften. »Deutsche Monatsschrift für Z.« (Leipz., seit 1883). »Österreichisch-ungarische Vierteljahrsschrift für Z.« (Wien, seit 1885); »Zahnärztliches Wochenblatt« (Hamb., seit 1886); »Die Zahnkunst« (Wochenschrift des Vereins deutscher Zahnheilkünstler, Leipz., sei: 1897); »The indepent practioner« (New York); »The dental cosmos« (Philad.). S. auch Zahnpflege.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 840.
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