Calorische Maschine

[583] Calorische Maschine (v. lat.), eine Maschine, welche statt durch Dampfkraft durch die Spannkraft der atmosphärischen Luft in Bewegung gesetzt wird. Die erste Idee, statt des Wasserdampfes als Agens für Schiffsmaschinen erwärmte atmosphärische Luft anzuwenden, rührt wahrscheinlich gleichzeitig von einem Deutschen Namens Prehn in Ratzeburg u. dem Amerikaner J. Ericson her. Ersterer hatte sich schon einer längeren Reihe von Jahren mit Entwürfen u. Berechnungen zu einer solchen Maschine beschäftigt u. war auch so glücklich, zu einem günstigen Resultate zu gelangen, es fehlten ihm aber, trotzdem daß mehrere berühmte Mathematiker u. Maschineubauer sich von der Ausführbarkeit dieses Plans überzeugt hatten, die Mittel u. Unterstützungen, seine Erfindung in der Praxis Eingang zu verschaffen. John Ericson, ein Schwede von Geburt, hatte 1833 nach langen Versuchen eine Maschine gebaut, welche mit erhitzter atmophärischer Luft arbeiten sollte, aber nicht in Gang zu bringen war; dessen ungeachtet setzte er seine Bemühungen fort u. kam endlich zu einem günstigen Resultate, indem er 1852 eine Schiffsmaschine nach seinem Princip vollendete, welche allen Anforderungen entsprach. Das Schiff führte den Namen Ericson u. war im October 1842 bereits vom Stapel gelaufen. Die Hauptprincipien, auf denen die Möglichkeit der Ausführung einer solchen C. M. beruht, sind: a) das Vermögen der Luft, sich bei erhöhter Temperatur auszudehnen u. dadurch auf ihre Umgebung einen Druck auszuüben, welcher proportional der Ausdehnung, also auch der Temperaturzunahme ist. Diese Volumenzunahme der Luft bei einer Steigerung der Temperatur von 0–100° nach Magnus u. Regnault 0,3565, sodaß ein Luftquantum, welches bei 0° 1 Kubikzoll beträgt, bei der Erwärmung auf 100° einen Raum von 1,3665 Kubikzoll einnimmt. Befindet sich die Luft in einem Cylinder mit beweglichem Kolben, so übt sie auf denselben einen Druck aus, welcher während des Kolbenhubes constant bleibt, sobald man die Temperatur der Luft während dieser Zeit constant erhält; b) die Eigenschaft sein vertheilter Körper, die Wärme schnell zu absorbiren u. sie dann wieder eben so schnell an die Umgebung abzugeben. Endlich kommt c) die geringe Wärmeleitungsfähigkeit gewisser Körper in Betracht. Zur Erwärmung der die Bewegung erzeugenden Luft wird immer dieselbe Wärme angewendet, daher nur ein sehr geringer Aufwand von Brennmaterial erforderlich ist. Dies erreicht man mittelst des sogenannten Regenerators, bestehend aus einem System in einem Gehäuse parallel neben einander liegender Drahtnetze, deren jedes 6 Fuß breit u. 4 Fuß hoch ist. Wird die kalte Luft durch diesen Apparat in die Höhe getrieben, so erwärmt sie sich, gibt aber beim Rückgang ihrer Hitze an die kalt gewordenen Drahtnetze ab u. erwärmt diese, während sie selbst erkaltet. Dieser Regenerator ist mit 2 senkrecht stehenden Cylindern verbunden, von denen der obere dazu dient, die zur Füllung des unteren nöthige Luft in einem Reservoir aufzusammeln u. zu comprimiren. Der untere Cylinder hat einen größeren Durchmesser als der obere u. steht durch einen Kanal mit der Pumpe u. dem Regenerator in Verbindung, kann aber durch eine Klappe abgeschlossen werden. Der Kolben des unteren od. arbeitenden Cylinders hat einen Hub von 6 Fuß u. einen Durchmesser von 14 Fuß u. besteht aus einem flachen, mit Gyps u. Kohlen angefüllten Kasten, dessen untere Fläche concav ist, so daß sie in den convex gearbeiteten Boden des Cylinders paßt. Soll die Maschine in Gang gebracht werden, so preßt man, nachdem unter dem Cylinder Feuer angezündet ist, Luft in das Reservoir u. stellt die Verbindung mit dem Cylinder her. Die Luft muß zunächst den heiß gemachten Regenerator passiren, tritt dann in den Cylinder u. treibt den Kolben in die Höhe. Durch diesen Kolbenhub wird zugleich die Pumpe in Bewegung gesetzt, sodaß dieser ein neues Quantum Luft in das Reservoir treibt. Hat der Kolben seinen höchsten Punkt erreicht, so werden die Klappen abgeschlossen, der Kolben sinkt durch sein eigenes Gewicht u. preßt die unter ihm befindliche Luft durch den Regenerator, dadurch wird dieser fast auf seine vorige Temperatur erhitzt, durch das Feuer aber die während der Zeit absorbirte Wärme ersetzt u. der Regenerator somit immer auf einem bestimmten Hitzegrad erhalten. Wird die Verbindung zwischen Regenerator u. Cylinder wieder hergestellt, so beginnt die Maschine ihr Spiel von Neuem. Die Füllung des Kolbens mit Gyps u. Kohle dient zur Verhütung einer zu bedeutenden Erhitzung im obern Theil des Cylinders u. hat sich gut bewährt, sodaß also nicht zu befürchten ist, daß der Cylinder zu heiß u. der Kolben in seinem Gang gestört werde. Ebenso schadet die directe Einwirkung des Feuers auf den Boden des Cylinders nichts, da der Rost gegen 5 Fuß weit von dem Cylinder entfernt ist u. ein kleines Coaksfeuer die erforderliche Hitze hervorbringt. In dem geringen Bedarf an Kohlen einerseits u. in der Gefahrlosigkeit anderntheils liegen auch die Hauptvorzüge, welche von jeher bei der C. M. gegenüber den Dampfmaschinen vorgehoben wurden. Die Maschine des Calorischen Schiffs Ericson hatte 60 Pferdekraft, hielt l903 Tonnen Register u. verbrauchte in 24 Stunden 6 Tonnen Kohlen; die Schaufelräder hatten einen Durchmesser von 32 Fuß. Später erfuhr die C. M. einige Verbesserungen, doch hat sie nicht den Umsturz im Maschinenwesen hervorgerufen,[583] den man anfangs erwartete; auch aus Amerika erfährt man seit einiger Zeit nichts mehr von der C. M., u. läßt sich auch nicht an der Richtigkeit u. Anwendbarkeit des Princips zweifeln, so ist doch bis jetzt keine Aussicht vorhanden, daß die Dampfmaschinen durch die C. M-n verdrängt würden. Vgl. J. Völkers Beurtheilung der C. M. des Cap. Ericson, Magdeb. 1853, u. Scheffler, Die Principien der C. M. von Ericson, Braunschw. 1853.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 583-584.
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