[442] Kerze, Leuchtmaterial, welches aus festen Fetten in Form von cylinderischen od. schwach kegelförmigen Stäben mit einem Dochte (s.d.) in der Mitte hergestellt wird. Damit die K. beim Brennen nicht geputzt zu werden braucht, trägt man dafür Sorge, daß der Docht vollständig verbrennt; man tränkt deshalb einen Strähn des zu flechtenden Dochtes mit einer Wismuthlösung (u. Öl), u. da dann dieser Strähn schneller verbrennt, so biegt sich der Docht aus der Flamme heraus u. verbrennt vollständig; od. man beizt die Dochte in einem Wasser, in welchem glasige Phosphorsäure u. Boraxsäure aufgelöst sind u. trocknet sie langsam. Kerzen verfertigt man aus Paraffin, Wallrath, Wachs, Stearinsäure, Talg, ja sogar aus allerhand Fettabfällen; nach dem gewählten Materiale richtet sich das Verfahren bei der Kerzenfabrikation. A) Talgkerzen werden am besten aus einer Mischung von Ochsen- u. Hammeltalg verfertigt, wenn sie bei einem gewissen Grade von Härte (Hammeltalg) gut u. hell brennen sollen. Der rohe Talg wird zunächst gereinigt, dann zerkleinert u. sofort in einem kupfernen od. eisernen Kessel über freiem Feuer geschmolzen. In den geschmolzenen Talg wird ein Durchschlag eingetaucht, u. aus diesem der Talg mit einer Kelle aus dem Kessel geschöpft. Oft wird der Talg noch geläutert, d.h. in Wasser gelind gekocht u. dabei mit etwas Kochsalz, gestoßenem Alaun, auch Weinstein versetzt, wodurch sich die Unreinigkeiten mit dem Schaum auf der Oberfläche abschöpfen lassen; in eine Butte ausgeschöpft, erkaltet der Talg u. das Wasser setzt sich zu Boden. Den so vorbereiteten Talg schmilzt man am besten im Wasserbade u. zieht od. gießt daraus Kerzen. a) Bei den ziemlich veralteten Ziehen werden die Dochte zu 16 u. mehr Stück auf hölzerne Spieße gereiht, mit heißem Talg getränkt (Anlaufen lassen), entweder mit der flachen Hand od. auf der glatten Imprimirtafel abgerundet u. geschlichtet, zum Abtropfen auf ein Lattengerüst (Werkstuhl) über ein flaches Untersetzgesäß gehängt u. darauf gezogen, d.h. spießweise in kurzen Pausen abwechselnd in gußrechten (s. unten) Talg eingetaucht u. wieder auf die Werkbank gehängt, bis die Kerzen die gehörige Form u. Dicke erlangt haben. Zum Nachbessern der cylindrischen Form bedient man sich eines nach dem Querschnitte der Kerzen ausgerundeten, erwärmten Blechs. Beim Ziehen kann man den Kern aus geringeren, das Äußere aus besseren Talgsorten herstellen; auch zieht man Kerzen aus einer Mischung von Talg u. Stearin, od. aus abwechselnden Schichten aus beiden, od. aus Talg mit einer Außenschicht Stearin. b) Beim Gießen verwendet man metallene (bes. zinnerne) od. gläserne, im Inneren geglättete Lichtformen (Kerzenmodel). Dieselben bestehen aus zwei Theilen: aus der eigentlichen Form, welche cylindrisch od. schwach kegelförmig ist, u. aus der zum Eingießen dienenden, in die Form genau passenden Kapsel od. Kopf. Die Form hat unten ein Loch, durch welches der Docht mittelst eines kleinen Instrumentes, das aus einem hölzernen Griffe u. einem metallenen Haken besteht, eingezogen u. in der Mitte eines Quersteges in der Kapsel od. bei Formen ohne Kapsel an einem querüber gelegten Stifte befestigt u. angespannt werden kann, so daß er genau mit der Achse der Form zusammenfällt. Der Docht schließt zugleich das untere Loch in der Form. Eine größere Anzahl von Formen werden nun in die, mit entsprechenden Löchern versehene Lichterbank eingesteckt u. der Talg mittelst eines blechernen Gefäßes eingegossen, od. man läßt ihn aus dem Schmelzkessel über den Gießtisch in die Formen laufen. Der Talg muß dabei gußrecht[442] d.h. dem Erkalten möglichst nahe sein, damit er die Form gut ausfüllt u. beim Erkalten keine Sprünge bekommt, sich auch leicht aus der Form lösen läßt. Am Tage nach dem Gießen werden die K-n aus den Modeln heraus gehoben (ausgetrieben), wobei man die Formen durch Eintauchen in warmes Wasser, od. durch Bespritzen mit Wasser od. durch einen warmen Luftstrom erwärmt. Man hat auch Formen, welche aus zwei rinnenförmigen Theilen zusammengesetzt sind, welche durch drei aufgeschobene Ringe verbunden werden. Die K-n werden nach dem Austreiben sogleich verpackt od. vorher durch Tageslicht u. nächtlichen Thau einige Tage hindurch gebleicht. Die Talgkerzen, welche nach Jünnemanns, der der Stearinkerzen nahekommenden Methode gefertigt werden, brennen sparsamer u. mit einer sehr weißen Flamme, auch verzehren sich ihre Dochte dabei selbst.
B) Zu den Stearinkerzen (Stearinsäurekerzen) ist das Rohmaterial vorzugsweise Talg, doch auch Palmöl u. Kokusnußöl. Wenn man andere Fette als Talg verwendet, pflegt man dieselben vorher zu schmelzen, langsam erstarren zu lassen u. dabei den sich ausscheidenden festen Theil (Stearin) von dem flüssigen Öl (Oleïn) durch Pressen zu befreien. Der Talg wird durch gebrannten, möglichst weißen u. thonfreien Kalk verseift, indem man denselben mit der daraus bereiteten Kalkmilch in einem hölzernen Bottig allmälig versetzt, gut umrührt u. durch zugeleiteten Dampf etwa acht Stunden kocht, bis die sich bildenden Klumpen sich nach dem Erkalten nicht mehr fettig anfühlen u. zwischen den Fingern leicht zerbröckeln; das Wasser wird nun abgelassen u. die Kalkseife zwischen kannelirten gußeisernen Walzen zerkleinert u. darauf in einem mit Blei ausgefütterten Bottig mit etwa dem dreifachen Gewichte Wasser, dem man noch Schwefelsäure zusetzt, wieder drei Stunden durch Dampf gekocht, wodurch sich der gebildete Gyps zu Boden setzt, die Fettsäuren aber ölartig oben auf schwimmen. Die Fettsäuren werden darauf in einen zweiten mit Blei ausgefütterten Bottig abgelassen u. darin mit Wasser u. ein wenig Schwefelsäure abermals eine Stunde gekocht, u. dann zum dritten Male, aber ohne Schwefelsäure. Aus dem nun von Säure u. Kalk freien Gemisch von Stearin-, Margarin- u. Ölsäure entfernt man nach dem Erstarren u. Zerkleinern die flüssige Ölsäure durch zweimaliges Pressen (erst kalt, dann warm). Die so erhaltenen. 1045 Proc. des Talges sind Stearinsäure mit etwas Margarinsäure u. werden durch einstündiges Kochen mit sehr verdünnter Schwefelsäure in einem mit Blei gefütterten Bottig von den, bes. beim Pressen hinzu gekommenen Unreinigkeiten befreit, durch einstündiges Kochen mit Wasser u. Oxalsäure gebleicht, in kochendem reinen Wasser gewaschen, abgeschöpft u. erstarren gelassen, vor dem Gießen der K-n aber bei gelinder Wärme im Dampfbade geschmolzen, mit etwas weißem Wachs versetzt, um das krystallinische Gefüge möglichst zu beseitigen, u. in die erwärmten Formen gegossen. Nach dem Erkalten werden die K-n aus den Formen genommen u. durch Reiben mit wollenen Tüchern polirt. Die Stearinkerzenfabrik von de Milly in Paris (Millykerzen) war die erste, welche Chevreul's Entdeckungen mit Erfolg anwendete; sie lieferte seit 1832 die Bougies de l'étoile aus Talg durch Versetzung mit Kalkmilch, Zersetzung mit Schwefelsäure u. Pressen. Seit 1843 werden in London in dem Etablissement von Price's Candle Company, Belmont Works, Vauxhall, K-n aus Palmöl erzeugt, indem das Palmöl durch concentrirte Schwefelsäure zersetzt, die erhaltenen Fettsäuren aber durch Waschen von kohliger Substanz u. Schwefelsäure gereinigt u. aus Blasen unter Anwendung überhitzten Wasserdampfes destillirt werden; dies sind die englischen Compositionskerzen (Composite candles), die zwar weicher als die eigentlichen Stearinkerzen, aber doch genügend weiß, hart u. geruchlos sind. Durch Pressen des Destillates erlangt man weißere u. härtere K-n. Die Sonnenkerzen aus der Fahrik von Cramer bei Nürnberg sind wohlfeiler.
C) Wachskerzen werden selten gegossen, weil das Wachs zu stark schwindet u. schlecht von der Form losgeht. Die großen Altarkerzen werden aus Wachsplatten, die durch warmes Wasser warm erhalten werden, zusammengebogen u. gerollt. Kleinere fertigt man durch Angießen, indem man eine Anzahl Dochte an dem ringförmigen Kranze aus Holz od. Metall über dem Kessel mit dem geschmolzenen Wachse aufhängt u. das Wachs mit einer Kelle auf die Dochte aufgießt. Vor jedem neuen Anguß werden die Dochte in umgekehrter Lage an dem Kranze befestigt, so daß die unteren u. oberen Enden stets wechseln. Schließlich werden sie auf einem hölzernen Tische mit einem Brete gerollt, um ihnen die regelmäßige Form zu geben. Für Wachskerzen werden die Dochte aus gebleichtem Baumwollengarn locker geflochten u. mit einer Lösung getränkt, welche aus Wasser, chlorsaurem Kali, Borax, Salpeter u. Salmiak besteht, nach dem Trocknen werden die Dochte mit Wachs angerieben. Die Wachsstöcke werden gezogen, wobei der Docht von einer Trommel durch die Wachspfanne u. dann durch ein od. mehrere Zieheisen geht, bis er die gewünschte Dicke hat, u. schließlich wird er auf eine zweite Trommel aufgerollt.
D) Wallrathskerzen geben die reinste u. weißeste Flamme, wenn sie aus dem besten Wallrath gefertigt sind; auch sind sie durchscheinend. Durch einen Zusatz von etwas weißem Wachs entfernt man das krystallinische Gefüge u. die Brüchigkeit des Wallrathes. Die Masse wird in die kalten, im Innern polirten Formen gegossen u. nach dem Erkalten aus den Formen genommen u. vor dem Verpacken mit der reinen Hand polirt. Man färbt sie roth mit in Nußöl aufgelöstem Karmin, blau mit Berlinerblau, gelb mir Gelbwurzel od. Orleans od. in England mit Gummigutti. Compositionskerzen fertigt man in der Fabrik von Ullmann in München aus Wachs u. Wallrath (diese sind durchscheinend), od. aus Wachs, Wallrath u. Stearin.
E) Paraffinkerzen sind Luxuskerzen, die mit sehr heller, wenig rußender Flamme brennen, u. werden aus Paraffini s.d.), nachdem dasselbe durch wiederholtes Pressen, Umschmelzen mit concentrirter Schwefelsäure u. Waschen gereinigt worden ist, in erwärmte Formen gegossen; die gefüllten Formen bleiben einige Minuten stehen, damit die Luftblasen entweichen können, dann werden sie in kaltes Wasser getaucht; so kann das Paraffin nicht krystallisiren, u. man erhält durchscheinende Kerzen, welche leicht aus der Form gehen. Die geflochtenen, baumwollenen Dochte werden zuvor mit Borsäurelösung u. Wasser getränkt, damit die Asche des Dochtes beim Brennen schmilzt. Bei Bewegung od. Luftzug rußen sie stark. 2) (Chir.), so v.w. Beugie 2).[443]
Buchempfehlung
In Paris ergötzt sich am 14. Juli 1789 ein adeliges Publikum an einer primitiven Schaupielinszenierung, die ihm suggeriert, »unter dem gefährlichsten Gesindel von Paris zu sitzen«. Als der reale Aufruhr der Revolution die Straßen von Paris erfasst, verschwimmen die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit. Für Schnitzler ungewöhnlich montiert der Autor im »grünen Kakadu« die Ebenen von Illusion und Wiklichkeit vor einer historischen Kulisse.
38 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro