Olympĭa

[287] Olympĭa, Hain u. Tempelbezirk in der unmittelbaren Nähe der alten Stadt Pisa in Elis (Peloponnes); da nach deren Zerstörung in ihrer Nähe kein Ort wieder angebaut wurde, so bestand O. in der historischen Zeit blos aus einem Complex von heiligen u. zur Feier der hier gehaltenen Olympischen Spiele nöthigen Bauwerken. Der heilige Hain hieß Altis u. lag nördlich vom Alpheos u. östlich von dem hier in den Alpheos mündenden Bergbach Kladeos (Kladaos), an dessen Ufern viele Platanen standen, u. südlich vom Olympos, zunächst an einem Hügel desselben, Kronion, einst mit einem Heiligthum des Kronos geschmückt; nach Osten schloß sich eine Ebene an. Die Altis war bei 4000 Fuß lang u. 1600 bis 2000 Fuß breit u. mit einer, angeblich von Hercules errichteten Mauer umgeben, welche im Nordosten theils durch den Kronion, theils durch die Mauern des Stadium ersetzt wurde. Obgleich die Mauer mehre Eingänge bot, so war doch für die Festzüge nur ein bestimmtes Thor auf der Westseite. Beim Eintritt durch dieses Thor lag rechts der heilige Ölbaum, von welchem die Zweige zu den Kränzen für die Sieger in den Spielen geschnitten wurden, u. in seinem Bezirk das Pantheion mit einem Altare der Thauspendenden Nymphen; links, von Süden nach Norden, das Pelopeion, Heiligthum des Pelops, welchem zu Ehren zuerst die Spiele gefeiert wurden; dann das Heräon, Kapelle der Here mit denkwürdigen Alterthümern u. kostbaren Gefäßen; dann das Rathhaus der bei den Spielen fungirenden Eleischen Beamten u. zunächst an der nördlichen Mauer das Prytaneum. Weiter östlich vom Eingang, gerade südlich vom Pelopeion u. nord östlich vom Pantheion, stand auf hohem Unterbau der von Libon um 460 v. Chr. aus weißem Marmor im Dorischen Styl gebaute Tempel des Zeus, ringsum von Säulen umgeben u. mit doppelter Façade, deren nördliche auf dem Giebel das eherne u. vergoldete Bild der Siegesgöttin u. viele Verzierungen trug; das Innere war durch zwei Säulenreihen in drei Räume getheilt, in deren mittelsten das berühmteste Werk der griechischen Plastik, die von Phidias gebildete kolossale Bildsäule des Olympischen Zeus, aufgestellt war. Sie stand auf einem 12 Fuß hohen, den Olympos vorstellenden Postament, welches mit den vergoldeten Bildern der Olympischen Götter geschmückt war; darauf stand der Thronsessel, aus Gold, Elfenbein, Edelsteinen u. Ebenholz gefertigt, u. darauf saß der Gott, ebenfalls aus Gold u. Elfenbein gebildet, das Gesicht nach Homer (Il. 1,528) als das des Welt. beherrschers u. Menschenvaters charakterisirt; in der Linken hielt er das Scepter mit dem Adler auf der Spitze, in der ausgestreckten Rechten die Nike mit der Siegesbinde, ihm zugekehrt. Östlich vom Pelopeion lag der Altar des Zeus u. zwischen diesem u. dem Zeustempel die überdachten Ruinen des Hauses der Önomaos. Nördlich davon, an den südwestlichen Abhang des Kronion gelehnt, befand sich das Theater, an welches sich die vier Schatzhäuser der verschiedenen Städte schlossen, vor deren südlicher Seite die Erzstatuen des Zeus standen, welche aus Strafgeldern gemacht waren,[287] Außerdem waren die Räume zwischen den genannten Gebäuden mit unzähligen Denkmälern, Weihgeschenken u.a. Kunstwerken angefüllt. Hinter den Schatzhäusern, am südöstlichen Fuße des Kronion, stand der Tempel der Ilithyia u. des Sosipolis, des Schutzgottes von O. Weiter östlich kam das Stadion, die Rennbahn für die Wettläufer, welche sich am östlichen Ende der Altis, deren Mauer zum Theil bildend, von Süden nach Norden ausdehnte, u. mit demselben verbunden, aber von Westen nach Osten gehend, der Hippodromos, für Pferde- u. Maulthierrennen. In dem von beiden gebildeten Winkel stand der Demetertempel, dessen Priesterin die einzige verheirathete Frau war, welche den Spielen zusehen durfte. Auf der Nordseite, außerhalb der Altis, war das Gymnasion für die Wettkämpfer, auf der Südseite, zwischen der Mauer u. dem Alpheos, Wohnungen für Priester, Fremde etc., auf der Westseite, zwischen der Mauer u. dem Kladeos, zur Zeit der Römischen Kaiser das Leonidäon mit Wohnungen für römische Große.

In der Gegend um O. wohnten in ältester Zeit Pelasger u. wurde Zeus verehrt; der berühmteste König des Alterthums war hier Önomaos (s.d.), dessen Grabmal u. Stätte noch auf dem Westufer des Kladeos gezeigt wurden. Nachher wanderten Achäer zu, welche den Zeuscultus annahmen, aber auch ihrem Stammvater Pelops an den Ufern des Alpheos Leichenspiele feierten. Dazu kamen noch später dorische Elemente durch Herakles, welcher die Pelopsspiele erneuerte u. so der Gründer der int Alterthum so berühmten Olympischen Spiele (Olympia) wurde, deren historische Zeit mit dem, 884 v. Chr. abgeschlossenen Bündniß der Spartaner u. Eleer durch Lykurgos u. Iphitos beginnt; ganz regelmäßig, in jedem 5. Jahre vom 11.–16. Hekatombäon (Anfang Juli) wurden sie seit 776 v. Chr. gefeiert, seit welcher Zeit in Griechenland nach Olympiaden (s.u. Jahrrechnung) gerechnet wurde; nach 60 Jahren wurde die Theilnahme daran allgemeiner, nach abermals 60 Jahren erstreckten sie sich über ganz Hellas u. nach abermals 40 auch über die hellenischen Colonien in Kleinasien, Großgriechenland u. Sicilien u. dauerten bis 394 n. Chr., wo der Kaiser Theodosius sie einstellen ließ, nachdem sie freilich schon viele Jahrhunderte lang ohne ihre alte Bedeutung gewesen waren. Über die Arten, die Ordnung u. die Belohnung der Sieger bei diesen Spielen, s.u. Kampfspiele. Mit der Feier der Spiele war die Abhaltung eines Marktes verbunden. Die herrlichen Gebäude O-s sind mit der Zeit verwüstet u. die Kunstwerke verschwunden u. selbst der durch die Spiele berühmte Platz ist nach u. nach durch die Überschwemmungen des Alpheos u. Kladeos überzogen u. unkenntlich gemacht worden, so daß jetzt dort Ackerbau getrieben wird; östlich von dem Kampfplatze steht das Dorf Miraka. Schon Winekelmann machte einen Plan, an der Stätte O-s Ausgrabungen zu veranstalten, doch kam derselbe wegen seines frühen Todes nicht zur Ausführung, u. erst 1829 begannen die Aufgrabungsarbeiten einer französischen Commission unter Dubois, bei welchen man den Fußboden, Säulen u. Bildwerke des Zeustempels auffand, welche aber bald wieder eingestellt wurden. In neuester Zeit regte L. Roß die Idee zu Nachgrabungen dort wieder an. Unter den Alten ist O. bes. von Pausanias im 5. Buch der Περιήγησις τῆς Ἑλλάδος beschrieben worden, vgl. außerdem: Stanhope, O., Lond. 1824; Expédition scientifique de la Morée, Par. 1831; Krause, O., Wien 1838; E. Curtius, O., Berl. 1852; Völkel, Über den großen Tempel u. die Statue zu O., Lpz. 1794; Quatremère Quincy, Le Jupiter olympien, Par. 1814.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 287-288.
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