[617] Projection (v. lat.), 1) der Wurf, das Werfen; 2) die Abbildung eines Gegenstandes auf einer ebenen od. krummen Fläche durch gerade Linien, welche sich entweder parallel sind, od. nach einem gegebenen Punkte zusammenlaufen. Wenn auf zwei einander rechtwinklich durchschneidende, unbegrenzte Ebenen aus irgend einem im Raume befindlichen Punkte die beiden Lothe gefällt werden, so heißen die Fußpunkte derselben die orthographischen P-en (Entwürfe), od. schlechthin die P. jenes Punktes, die gefällten Lothe selbst aber die Projicirenden. Jene beiden Ebenen werden die Projectionsebenen, Entwerfungsebenen od. Grundebenen u. ihr Durchschnitt die Projectionsachse, od. schlechthin Achse genannt. So wie durch einen Punkt seine P-en völlig bestimmt sind, so ist auch umgekehrt durch letztere der erstere bestimmt. Man kann daher die Lage eines Punktes als gefunden betrachten, wenn seine P-en bekannt sind. Durch die P-en irgend zweier Punkte einer Geraden im Raume ist daher auch die Lage der letzteren, u. wenn jene Punkte ihre Endpunkte sind, auch ihre Größe, so wie durch die P-en[617] dreier Punkte, welche nicht in gerader Linie liegen, die Lage der durch dieselbe gehenden Ebene bestimmt ist u. umgekehrt. Die P-en aller Linien, welche die Flächen begrenzen, von denen ein Körper umschlossen ist, machen zusammengenommen ein Bild des Körpers aus, u. zwar heißt dasjenige in der Verticalebene die verticale P. des Körpers od. der Aufriß, dasjenige in der Horizontalebene die horizontale P. od. der Grundriß. Zuweilen fügt man noch eine Seitenprojection auf beiden ersteren senkrecht od. das Profil hinzu. Zu dem Zweck nun, geometrische Aufgaben graphisch, d.h. durch Zeichnung zu lösen, denkt man sich die eine der beiden Projectionsebenen um die Achse so lange gedreht, bis sie in die Erweiterung der anderen Ebene fällt, so daß nun beide Grundebenen eine Ebene, die Zeichnenebene, ausmachen, in welcher die Constructionen vorgenommen werden, welche zur Bestimmung der gesuchten Größen dienen. Die P. einer Geraden ist die Verbindungslinie der P-en irgend zweier Punkte derselben, weil die Projicirenden aller Punkte der Geraden in einer gemeinschaftlichen Ebene liegen. Hat man eine Gerade außerhalb derselben, welche projectirt werden soll, so fällt man aus ihren Endpunkten Perpendikel auf die Grundebene u. nennt dann gewöhnlich die ihre Fußpunkte verbindende Gerade die P.; den Neigungswinkel dieser mit der gegebenen Linie außerhalb den Projectionsfactor, weil die Gegebene mit seinem Cosinus multiplicirt die Größe der P. gibt. Wenn eine Gerade od. Fläche den beiden Grundebenen begegnet, so nennt man die Begegnungspunkte der Geraden den verticalen u. horizontalen Durchgang u. die Durchschnittslinien der Fläche die verticale u. horizontale Trace. Sind für eine Ebene beide Tracen vorhanden, so sind entweder beide der Achse parallel od. sie durchschneiden einander in einem u. demselben Punkte der Achse. Gibt es nur eine Trace, so ist sie der Achse parallel. In jedem Falle ist durch die Trace od. die Tracen die Lage der Ebene vollkommen bestimmt, so daß man eine Ebene als gefunden betrachten kann, wenn ihre Tracen gefunden sind. Projectionslehre nennt man den Inbegriff der hierher gehörigen Elementarsätze, welche sich bes. ergeben, wenn man die verschiedenen Lagen betrachtet, in denen die zu projicirenden Punkte, Linien u. Ebenen sich gegen die Grundebenen denken lassen. Durch die Umlegung der einen Projectionsebene in die Erweiterung der anderen, so daß sie gemeinschaftlich in die Zeichnenebene fallen, ist es möglich, so bald von einer ebenen od. körperlichen Figur diejenigen Stücke, wodurch dieselbe völlig bestimmt wird od. wodurch sie sich erzeugen läßt, durch ihre P-en gegeben sind, die Aufsuchung der an der Urfigur Statt findenden Beziehungen u. Bestimmungen einzelner Stücke ihrer Größe u. Lage nach, an den stellvertretenden P-en, u. zwar in einer Ebene vorzunehmen, auch die einzelnen Stücke der Urfigur, welche dies gestatten, in dieser Ebene selbst wirklich zu construiren. Diesen Theil der construirenden Geometrie nennt man jetzt gewöhnlich die beschreibende Geometrie (Géométrie descriptive), sie ist eine Fortsetzung der Projectionslehre u. zeigt z.B. aus den durch ihre P-en gegebenen Stücken, welche eine dreikantige Ecke bestimmen, die übrigen zu construiren, d.h. alle Aufgaben der sphärischen Trigonometrie graphisch zu lösen, aus den P-en der ein Polyeder bestimmenden Stücke die übrigen in der Entwurfsebene durch Construction darzustellen etc. Eben so lehrt sie aus den P-en der Stücke, welche eine krumme Fläche erzeugen, beliebige andere derselben durch Construction finden, berührende Linien od. Ebenen an solche legen, Durchschnitte von Ebenen mit krummen Oberflächen, Durchschnitte von mehren krummen Oberflächen unter einander, od. sog. Durchdringungen zu finden etc. So lassen sich am Kegel alle Constructionen in einer Ebene ausführen, wenn man nur die P-en seines Scheitels, so wie der krummen Linie kennt, längs welcher sich eine, durch jenen gehende unbegrenzte Gerade bewegen muß, um seine Oberfläche zu erzeugen. Wenn die P-en einer gekrümmten Fläche Ebenen sind, so führt dieser Vortheil einerseits auch anderseits seine Übelstände mit sich, welche aber für den Praktiker nicht von Einfluß sind, von dem theoretischen Mathematiker aber dadurch umgangen werden, daß er die Flächen auf andere, ihnen ähnliche projicirt. Dies nennt man die Reliefprojection. Die isometrische P. ist mit der orthographischen P. im Princip gleich, nur in der Darstellung durch Zeichnung abweichend. Man denkt sich nämlich hier die Linien u. Punkte des Objects auf drei gegen einander rechtwinklige Ebenen (isometrische Hauptebenen) projicirt, zeichnet die drei Durchschnittslinien der Hauptebenen (isometrische Achsen), welche im Raume rechte, also gleiche Winkel bilden, in einer Ebene unter ebenfalls gleichen Winkeln, also so daß jede mit jeder anderen einen Winkel von 4/3 Rechten bildet, u. trägt in dieses Achsensystem die gegebenen Projectionen nach ihrer wahren Länge ein. Das Bild, welches so entsteht, ist beinahe perspectivisch richtig u. hat noch den Vorzug, daß die den Hauptebenen parallelen Dimensionen in ihrer wahren Größe erscheinen. Verschieden von der orthographischen P. ist die Centralprojection od. perspectivische P., bei welcher die projicirenden Linien sämmtlich durch einen Punkt, den Mittelpunkt od. Augenpunkt gehen u. ihre Durchschnitte mit einer festen Fläche (Projectionsfläche) das perspectivische Bild entwerfen. Findet die Beschränkung statt, daß die Projectionsfläche eben ist, so heißt diese P. reine Perspective (s.d.). Die Eigenschaften, welche für die Urfigur u. jede beliebige Centralprojection derselben zugleich statt finden, sind ganz allgemein, aber in sofern wichtig, als man den Zusammenhang verschiedener Figuren z.B. aller Kegelschnitte aus ihnen erkennt. Eine besondere Art der Centralprojectionen ist die sog. stereographische P. Wenn nämlich aus dem Pole (dem Augenpunkte) eines größten Kugelkreises (des Grundkreises od. der Tafel) nach irgend einem Punkte der Kugelfläche eine Gerade gezogen wird, so heißt der Punkt, wo diese od. ihre Verlängerung der Ebene jenes Kreises begegnet, die stereographische P. des Punktes. Die P. jedes durch den Augenpunkt gehenden Kugelkreises ist eine Gerade; die P. aber jedes anderen Kreises ist wieder ein Kreis. Auch nach dieser Projectionsweise lassen sich alle Aufgaben der sphärischen Trigonometrie graphisch auflösen. Als Erfinder der stereographischen P. wird Hipparchos genannt. Nach ihm hat sich Ptolemäos damit beschäftigt. Nach der Wiederherstellung der Wissenschaften haben sie Clavius, Tacquet u. Dechales behandelt, auf andere Weise Moivre u. Hook, zu Landkarten wendete sie Hase an. In den gewöhnlichen Landkarten u. geodätischen Arbeiten kommen nur die P-en der verschiedenen Punkte der Erdoberfläche od. im Felde auf eine einzige [618] Ebene, die Horizontalebene, also Horizontalprojectionen unmittelbar zur Darstellung, u. die verticalen Abstände von der Horizontalebene, die Neigungen der Flächen werden auf verschiedene Weise, gewöhnlich durch Schraffirungen veranschaulicht. Vgl. Poncelet, Traité des propriétés projectives des figures, Par. 1822. Die orthographische P. ist erst in der neueren Zeit zu einer eigenen Wissenschaft erhoben worden (s. u. Landkarten), bes. von Monge, Géométrie descriptive, 1789. Demnächst sind zu nennen die Werke von Leroy, Lefebure de Fourcy, Guido Schreiber (Darstellende Geometrie, Freib. 1828), A. Müller (Geometrische Constructionslehre, Heidelb. 1827), Möllinger (Isometrische Projectionslehre), von Bünau (Elemente der Projectionslehre), Stampfl (Lehrbuch der darstellenden Geometrie).