Treibherd

[780] Treibherd (Treibofen, Bleiherd), ein zum Abtreiben des Silbers aus Werkblei bestimmter Ofen. Der T. ist nach deutscher Art ein Gebläseflammofen mit concavem Herde; in der angebauten Feuerung wird das Feuer unterhalten, dessen Flamme über eine Brücke auf den Herd schlägt, in welchen eine od. mehre Formen (Kannen) für Zuführung vor Gebläseluft angebracht sind. Der Herd besteht aus drei Schichten: die unterste (Schlackenherd), aus Schlacken locker geschichtet, ruht auf dem Grundmauerwerk, welches mit Luftkanälen (Abzüchten) durchzogen ist; auf dieser ruht eine schalenförmige Schicht feuerfester Ziegelsteine (Ziegel- od. Lehmherd) u. diese ist mit einer 5–6 Zoll dicken Lage von Mergel (Treibsohle) bedeckt.[780] Der Mergel, statt dessen man auch ein Gemenge von fünf Theilen gepulvertem Kalkstein u. einem Theil Thon od. ausgelaugte Holzasche nebst Knochenasche verwenden kann, wird etwas angefeuchtet u. mittels des Herdhammers u. der Herdkelle festgestampft (Herd anlegen od. ausschlagen). In der Mitte der Sohle kann man eine kleine Vertiefung (Spur) anbringen. Der Herd wird von einem Mauerkranz aus großen Bruchsteinen (Hauptkranz) umschlossen u. dieser ist wieder von einer Ziegeleinfassung (kleiner Kranz) umgeben, auf welcher die bewegliche Haube (Treibhut) ruht. Diese letztere besteht aus einem hutförmigen Gerippe von gußeisernen Schienen mit angenieteten nach innen gerichteten eisernen Doppelhaken (Federn), welche oft noch mit Eisendraht netzartig durchzogen sind u. zur Befestigung einer dicken Schicht von feuerfestem Thon dienen, welche das Innere der Haube bildet. Der Hut ist durch Ketten an einem Krahn aufgehängt u. kann so nach beendigter Arbeit leicht beseitigt werden. Der Feuerung gegenüber liegt eine mit einem eisernen Schieber verschließbare Öffnung (Schürloch) zum Eintragen u. Nachsetzen der Bleikuchen (Werke) u. zum Abzug der Feuergase, welche aber zuweilen auch durch den Schornstein entweichen, Seitlich von der Feuerung hat die Sohle eine Öffnung zum Abfließen der Glätte (Glättloch). In England hat man T-e mit feststehender Haube u. beweglichem Herde. Das Abtreiben geschieht nun folgendermaßen: man beschickt nach u. nach den gehörig vorgewärmten Herd mit so viel Werken, als er im geschmolzenen Zustande fassen kann, schmelzt sie bei gelinder Hitze ein (Weichfeuern), öffnet das bisher mit Steinen zugesetzte Glättloch (Ofenbrust) u. schneidet an dieser Stelle mit dem Glätthaken zwei Rinnen (Glättgassen) bis zum Niveau des geschmolzenen Bleies in die Sohle ein. Die sich nun rasch bildende, gewöhnlich ganz schwarze Oxydschicht ist sehr unrein u. wird als Abzug mit eisernen Kratzen entfernt. Sie enthält den größten Theil der dem Werkblei noch beigemengten Metalle, wie Kupfer, Antimon, Eisen, Zink, Nickel, Arsen, sowie etwas Silber. Hierauf schließt man die Oberbrust, feuert stärker u. hängt das Gebläse ein. Sobald das Blei in lebhaft kochende Bewegung (Treiben) kommt, öffnet man wieder das Glättloch u. zieht die immer noch schwarz erscheinende Glätte (Abstrich) ab, welche viel Antimon, Kupfer u. beträchtlich Silber enthält. Erst wenn das meiste Kupfer entfernt ist, erhält die Bleiglätte ihre gewöhnliche gelbe Farbe, u. dann feuert man gleichmäßig fort u. gibt den erforderlichen Wind durch die Kannen, welche abwärts gerichtet u. oft je nach dem Niveau des Metalles noch stellbar sind. Die Glättgassen werden fortwährend erniedrigt; zuletzt muß man das Feuer verstärken u. die sehr silberreiche Glätte für sich sammeln, welche nochmals verarbeitet werden kann. Den letzten Häutchen von Glätte folgen glänzendfarbige Streifen auf dem Silber (Silberblick); zuweilen nimmt man noch mit dem eisernen Herdlöffel eine Probe (Herdprobe), worauf man die Haube abhebt u. das erstarrende Silber mit Wasser völlig abkühlt u. mit dem Silberspieß heraushebt. 100 Centner Werkblei sind in 24 Stunden bis zum Blick abzutreiben. Gewöhnlich ist das Silber 14löthig (12% Blei u. Kupfer) u. muß auf einem kleineren T-e (Feinbrennofen), dessen Sohle aus einer zolldicken Schicht von Holz u. Knochenasche besteht u. alle sich hier bildende Glätte aufsaugt, u. welcher ohne Gebläse u. Glättloch ist, in das Brand- od. Feinsilber (mit 0,002% fremden Metallen) verwandelt werden. Die nach dem Abstrich sich bildende Glätte ist die reinste u. wird verkauft od. zu Glättblei verfrischt; die letzte Glätte (Vorschläge- od. Schneidenglätte) wird zu Reichblei reducirt u. ebenso macht man die Abzüge u. Abstriche, sowie die 11/2–2 Zoll tief voll Glätte gesaugte Herdsohle auf Blei (Herdblei) u. Silber zu Gute. Die Sohle muß mit eisernen Stangen herausgebrochen (Herdausbrechen) u. erneuert werden. Durch die Treibarbeit verliert man trotz aller Vorsicht 10–15% Blei u. 2–4 Loth Silber mit jedem Centner Blei. Sind die Werke sehr arm, so treibt man in der ersten Arbeit (Armtreiben) nur bis 85–90% Silber ab u. macht dann mit den hierdurch concentrirten u. gesammelten Werken ein Reichtreiben.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 780-781.
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